
AfD im Bundestag: Neue Gesichter, alte Machtkämpfe
AfD im Bundestag Der rechte Ton
Wenn sie morgens auf dem Weg ins Büro durch das Berliner Regierungsviertel laufen, dann können manche AfD-Abgeordnete einen Blick auf den Wald von Kameras und Mikrofonen werfen, der zurzeit Tag für Tag vor der Parlamentarischen Gesellschaft wächst. Dutzende Journalisten warten darauf, etwas Neues über den Stand der Jamaika-Sondierungen zu erfahren.
Hier sollen sich Union, FDP und Grüne zu einer gemeinsamen Regierung zusammenfinden. Jene Regierung, die die AfD dann "jagen" will.
Noch aber sind die Sondierungsgespräche für die Rechtspopulisten ein Nebenschauplatz. Die AfD hat andere Probleme. Sie ist noch dabei, sich einzurichten, Mitarbeiter zu suchen. Mindestens 400 werden gebraucht, doch die Zahl derer, die sich bewerben, hält sich in Grenzen. Die AfD im Lebenslauf, das macht sich nicht so gut.
Ein elfköpfiger Fraktionsvorstand wurde zwar gewählt, mit Alice Weidel und Alexander Gauland an der Spitze. Aber vieles ist noch provisorisch und improvisiert, auch die Raumfrage. Ein Teil der 92 Abgeordneten und Mitarbeiter sitzt noch in einem Gebäude, das zur Nazizeit das Reichsinnenministerium und nach dem Krieg das DDR-Justizministerium beherbergte. Heute wird es vom Bundestag genutzt. Aber die Parlamentarier hoffen, bald ins nahegelegene Jakob-Kaiser-Haus umziehen zu können.
Die Arbeit des Bundestags ruht seit der Konstituierung, die nächste Sitzungswoche beginnt am 20. November. Derzeit gibt es lediglich eine geschäftsführende Regierung, die Zuschnitte der künftigen Ausschüsse werden erst klar sein, wenn die Ressorts einer künftigen Regierung feststehen. Und das kann dauern - wenn Jamaika überhaupt zustande kommt.

AfD-Politiker Björn Höcke und Alexander Gauland
Foto: Bernd Settnik/ dpaDie AfD hat aber bereits begonnen, erste Anfragen einzureichen, auch einen Antrag zur Flüchtlingspolitik hat man formuliert. Das Papier lässt erahnen, wie die Rechtspopulisten im Bundestag künftig argumentieren wollen.
Die Bundesregierung solle "unverzüglich" mit der syrischen Regierung in Verhandlungen über ein Rückführungsabkommen "betreffend die in Deutschland aufgenommenen schutzsuchenden Syrer" eintreten, wird da gefordert. Eine angeblich "gut besuchte Wirtschaftsmesse" in Syriens Hauptstadt Damaskus dient der AfD als Beweis dafür, dass syrische Bürger nicht mehr "massenhaft" ins Ausland fliehen müssten.

AfD im Bundestag: Neue Gesichter, alte Machtkämpfe
Natürlich weiß auch die AfD, dass der Krieg nicht zu Ende ist, das Morden in vielen Teilen Syriens weitergeht. So heißt es, die Flüchtlinge sollten "nur in sicheren Gebieten" untergebracht, dort mit dem "Nötigsten" versorgt werden. Zynismus verkleidet in angeblicher Fürsorglichkeit.
Auch ein anderer Satz lässt aufhorchen: Die Flüchtlinge sollten "wegen eventuell gegen die Regierung gerichteter Aktivitäten vor und während ihrer Flucht einschließlich im selben Zeitraum eventuell begangener Straftaten gegen die Pflicht zur militärischen Dienstleistung nicht verfolgt werden". Flüchtlinge als Deserteure also - der Satz fügt sich ein ins AfD-Weltbild: Im November 2015 forderte ein AfD-Bundesparteitag, nach Deutschland geflüchtete syrische Männer sollten verpflichtet werden, in ihrer Heimat gegen die Terrororganisation Islamischer Staat zu kämpfen.
Natürlich wird der Antrag im Bundestag nicht durchkommen. Aber darum geht es auch nicht. Es geht der AfD darum, ein bisschen Wirbel zu machen, den "linken Mainstream" zu ärgern. Es ist die bekannte Masche der Partei, die nun auch im Bundestag zur Aufführung kommt.
Als kürzlich das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auftrug, den Eintrag eines dritten Geschlechts im Geburtenregister zu ermöglichen, kommentierte die AfD-Fraktionschefin Weidel, die Gewaltenteilung dürfe nicht "durch abstruse genderpolitische Empfehlungen" untergraben werden. In einem Nebensatz griff sie gleich noch die Autorität des höchsten Gerichts an: Karlsruhe sei "nicht der bessere Gesetzgeber und schon gar nicht vom Souverän, dem Bürger, legitimiert".
Dieser aggressive Tonfall durchzieht viele AfD-Statements. Kürzlich hat die Fraktion Jens Maier, einen Anhänger des rechten Thüringer Landeschefs Björn Höcke, als ihr Mitglied für den Beirat des "Bündnisses für Demokratie und Toleranz, gegen Extremismus und Gewalt" bestimmt. Das Bündnis wurde einst vom Innen- und Justizministerium eingerichtet, es finanziert unter anderem Projekte gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Maier, derzeit beurlaubter Richter aus Dresden, hat seine Aufgabe in seinem Facebook-Eintrag so zusammengefasst: "Die Zeit des Wegduckens und des Durchwinkens ist vorbei! Wir räumen den Laden von hinten auf!" Er wolle "Licht in die dunkle Höhle linker und linksextremer Finanz- und Vereinsstrukturen bringen".
Machtkampf um die Spitze

AfD-Bundesvorsitzender Jörg Meuthen und seine Partnerin Natalia Zvekic auf dem Landespresseball in Stuttgart
Foto: Marijan Murat/ dpaViel mehr als die Arbeit der Bundestagsfraktion beschäftigt viele AfD-Mitglieder allerdings in diesen Tagen eine Machtfrage: Wer wird Anfang Dezember auf dem Bundesparteitag Nachfolger von Frauke Petry? Bislang gibt es eine Doppelspitze, Petrys Platz ist seit ihrem Austritt vakant. Viele Namen kursieren, unter anderem der des AfD-Landeschefs von Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm.
Der verbliebene Parteichef Jörg Meuthen will wieder antreten, steht aber selbst unter Beschuss. Jüngst hat er seinen Wechsel ins EU-Parlament angekündigt, er übernimmt in Brüssel das Mandat von Beatrix von Storch, einer der vier neuen AfD-Fraktionsvizes im Bundestag. Sein baden-württembergisches Landtagsmandat will Meuthen aber behalten - zumindest übergangsweise. Das findet nicht nur die politische Konkurrenz unanständig, auch intern gibt es Kritik. Meuthen beteuerte, er bemühe sich lediglich, eine "geordnete Übergabe zugunsten einer weiterhin erfolgreichen Arbeit unserer Landtagsfraktion" zu erreichen.
Der Volkswirtschaftsprofessor hatte einst mit Fraktionschef Gauland und Rechtsaußen Höcke ein Triumvirat gegen Petry gebildet. Doch sein Verhältnis zu Gauland gilt mittlerweile als angespannt.
Kürzlich plädierte Gauland in der "Bild"-Zeitung für den Fortbestand einer Doppelspitze. Das ließ sich auch als indirekte Kritik an Meuthen verstehen. Denn zuvor hatte der rheinland-pfälzische AfD-Landeschef Uwe Junge für die Idee einer einzigen Spitze intern sondiert - und dafür Meuthen vorgeschlagen.
Eines steht fest: Ruhe ist mit dem Erfolg bei der Bundestagswahl bei der AfD nicht eingekehrt.
Zusammengefasst: Die AfD hat im Bundestag begonnen, erste Anfragen und auch Anträge zu formulieren. Einer fordert die Bundesregierung auf, die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge mit der Regierung von Machthaber Assad zu verhandeln. Mehr noch als die Arbeit im Bundestag beschäftigt die AfD derzeit die Frage, wer Nachfolger an der Parteispitze für die ausgetretene Frauke Petry werden soll. Anfang Dezember hält die Partei in Hannover einen Parteitag ab.