AfD-Europaparteitag Im Schatten der Swiss-Connection

Alice Weidel
Foto: Gregor Fischer/ dpaDie AfD-Delegierten für die Europawahlversammlung in Magdeburg werden viel Geduld mitbringen müssen.
Von Freitagnachmittag bis Montag hat die Partei die Messehalle in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gebucht. Der Grund ist ein möglicherweise langwieriges Verfahren: Weil theoretisch jedes Parteimitglied kandidieren darf, wird mit einer Unzahl von Bewerbern gerechnet. Ein Mitglied des Bundesvorstands schätzt die Zahl gegenüber dem SPIEGEL auf "100, 200 bis zu 400". Das Ganze sei "eine logistische Herausforderung". Im Januar will die AfD einen weiteren programmatischen Europaparteitag abhalten, dort könnten sogar noch Listenwahlen durchgeführt werden, hieß es.
Der Aufwand soll sich lohnen: Die AfD rechnet sich bei der Europawahl im Mai kommenden Jahres gute Chancen aus, bei erhofften Ergebnissen um 20 Prozent und mehr gelten die ersten 19 bis 20 Listenplätze als sicher.
Doch die zeitraubende Angelegenheit wird in diesen Tagen von anderen Ereignissen überschattet: von der Spendenaffäre aus dem baden-württembergischen Kreisverband am Bodensee, der politischen Heimat der Co-Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel.
Fast täglich gibt es zur Spende aus der Schweiz im Wert von 130.000 Euro neue Meldungen, ebenso zu einer weiteren Spende aus einem EU-Land, die zunächst - laut AfD - aus Belgien, nun aber aus den Niederlanden stammen soll.
Am Donnerstag widersprach der baden-württembergische Landesschatzmeister Frank Kral den Darstellungen zur Schweizer Spende aus dem Kreisverband und nannte die Vorwürfe gegen seine Person eine "grenzenlose Frechheit". Der Kreisverband habe den Vorgang nur lückenhaft dargestellt, "um mich in ein schlechtes Licht zu rücken", so Kral. Der Politiker steht auch im Zusammenhang mit einer internen Prüfung und einer anderen früheren Funktion in der AfD-Bundestagsfraktion in der Kritik (Mehr dazu hier).
AfD-Politiker Reil ließ sich von Schweizer Agentur Goal AG helfen
Die Spendenpraxis rund um den Fall Weidel wird auch ein Thema auf der geplanten Sitzung des Bundesvorstands am Freitagvormittag in Magdeburg sein - wenige Stunden vor dem Parteitag. Noch scheint die Co-Fraktionschefin auf den Rückhalt führender Parteikollegen bauen zu können. Jüngst hatte sich ihr Co-Fraktionschef Alexander Gauland vor sie gestellt, vom rechten Flügel um Björn Höcke und Bundesvorstandsmitglied Andreas Kalbitz kamen bislang keine Rücktrittsforderungen.
Weidel attackiert die Medien
Am Freitag griff Weidel in Berlin die Medien an, die berichteten Sachverhalte seien in "wesentlichen Punkten falsch, unvollständig und tendenziös". Welche das sind, dazu allerdings sagte sie vorerst nichts, sprach von einem Versuch, "mich persönlich und politisch zu diskreditieren". Gegen sie erhobene Vorwürfe "in Zusammenhang mit angeblich illegalen Parteispenden" seien ihr bisher nur aus den Medienberichten bekannt. "Ich weise diese Vorwürfe mit Entschiedenheit zurück", erklärte die AfD-Fraktionschefin, diese "entbehren jeder Grundlage".
Auch im Interesse ihrer Partei wolle sie an der Aufklärung der betreffenden Sachverhalte mitwirken, versicherte sie. Sie habe einen Rechtsanwalt beauftragt, eine detaillierte Stellungnahme dazu gegenüber den Behörden vorzubereiten. Im Hinblick auf "offenbar beabsichtigte Ermittlungen der Behörden" wolle sie selbst sich aber "zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu einzelnen Sachverhalten in der Öffentlichkeit äußern".

Guido Reil
Foto: DPADie Schweiz-Verbindung dürfte in Magdeburg bei der Kandidatenvorstellung (Weidel ist keine Bewerberin) dennoch eine Rolle spielen, womöglich schon zum Start der Zusammenkunft. Geplant ist, am Freitag die ersten Listenplätze zu wählen - sofern nicht vorliegende Änderungsanträge zum Wahlverfahren die Tagesplanung verzögern.
Fragen dürfte der Fall des früheren SPD-Politikers Guido Reil aus Nordrhein-Westfalen aufwerfen, das AfD-Mitglied wird für Platz zwei der Europaliste ins Spiel gebracht. Doch er hat ein Problem: Im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2017 wurde durch den Recherchedienst "Correctiv" und das ZDF-Magazin "Frontal21" öffentlich, dass die Schweizer Agentur Goal AG dem AfD-Neuling im Wahlkampf geholfen hatte - mit Wahlplakaten in seiner Heimatstadt Essen. Reil hatte später eingeräumt, er habe ein Foto von sich an die Goal AG geschickt und eine "Freistellungserklärung" unterschrieben.
Reil schätzte den Gegenwert der Kampagne später auf "um die 50.000 Euro". Seitdem steht die Summe im Raum. Reil rechnet in Magdeburg mit Fragen der Basis. Gegenüber dem SPIEGEL wollte er sich am Donnerstag nicht zur Goal AG äußern. "Ich werde das Thema aber bei meiner Kandidatur von mir aus ansprechen", sagte Reil.
Die Goal AG, dessen Chef der deutsche PR-Berater Alexander Segert ist, hatte auch einem anderen in der AfD schon einmal geholfen - Parteichef Jörg Meuthen. Er wird in Magdeburg auf der Wahlversammlung für Platz eins der AfD-Europaliste gehandelt. Die Schweizer Werbeagentur gestaltete 2016 im baden-württembergischen Landtagswahlkampf die Homepage von Meuthen, bezahlte und schaltete auch Werbeplakate und Zeitungsanzeigen für den damaligen AfD-Spitzenkandidaten.
Noch kein Geld im Fall Reil zurückgeflossen
Meuthen sprach, als die Verbindung durch Medienberichte offenbart wurde, von einem "persönlichen Freundschaftsdienst" durch Goal-Chef Segert. Von sich aus überwies die AfD im August dieses Jahres an die Bundestagsverwaltung den Gegenwert der Wahlwerbung von der Goal AG zurück - insgesamt 5352,25 Euro. Ein Sprecher der Bundestagsverwaltung erklärte damals dem SPIEGEL (weitere Details hier), die Partei habe das Geld "ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung" und rein "vorsorglich" überwiesen.
In der Sache Goal AG und Reil steht die Bundesgeschäftsstelle der AfD mit der Bundestagsverwaltung in Kontakt. Ob er nach dem Parteigesetz zurückzahlen muss, ist offen. Auf Anfrage des SPIEGEL erklärte die Bundestagsverwaltung diese Woche, man sei "nach wie vor" mit der Frage befasst, ob es sich bei den "Wahlkampfunterstützungsmaßnahmen" um "sogenannte Parallelaktionen handelt oder ob der Gegenwert dieser Maßnahmen von der Partei als Zuwendung verbucht werden musste". Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen.
Im Fall Reil, hieß es weiter, seien "vorsorgliche Rückzahlungen bislang nicht eingegangen."
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