Sachsen-Anhalt AfD-Landeschef muss seine Finanzen erklären

Bislang schien die AfD in Sachsen-Anhalt mit ihrem Spitzenkandidaten André Poggenburg auf Erfolgskurs. Doch nun muss sich der Unternehmer zu finanziellen Unregelmäßigkeiten äußern - mitten im Wahlkampf.
AfD-Politiker Poggenburg (im November in Magdeburg): Fünf Minuten in eigener Sache

AfD-Politiker Poggenburg (im November in Magdeburg): Fünf Minuten in eigener Sache

Foto: DPA

Der Wind bläst André Poggenburg ins Gesicht, das Mikrofon verweht seine Worte. Eigentlich könnte der AfD-Spitzenkandidat und Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt vor dem Magdeburger Dom jetzt den politischen Gegner richtig angreifen. So wie er es gewohnt ist.

Doch diesmal ist der Auftritt anders. Zumindest am Anfang. Poggenburg muss sich erklären. In eigener Sache. Mut zur Wahrheit, hallt seine Stimme über den Domplatz, das sei "eine unserer Grundmaximen", deswegen wolle er "einige Dinge zu meiner Person sagen". Irgendwann flimmert am Mittwochabend auf der Großleinwand hinter ihm auch noch das Motto der rechtspopulistischen Partei auf: "Mut. Wahrheit. Deutschland."

Seit einigen Tagen ist der AfD-Politiker in den Schlagzeilen, nachdem durch die "Mitteldeutsche Zeitung" bekannt wurde, dass er als Unternehmer eines Fachbetriebs für Autokühler Rechnungen nicht bezahlt und auf Mahnungen nicht reagiert haben soll, bis gegen ihn das Amtsgericht Naumburg am 2. November eine sogenannte Erzwingungshaftandrohung erwirkte. Poggenburg sollte damit seine Vermögenswerte offen legen.

Mittlerweile räumte sein Landesverband ein, dass es auch zu früheren Zeitpunkten mehrere solcher Erzwingungshaftandrohungen gegeben hat. Die Beträge bis etwa 3000 Euro seien aber nach Rücksprache mit dem Gerichtsvollzieher jeweils beglichen worden, heißt es vom Landesverband. Am Wochenende soll er vor dem Landesvorstand dazu Stellung nehmen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") berichtet unterdessen, ein Mandant warte nach wie vor auf aufgelaufene Gerichts- und Anwaltskosten. "Der Haftbefehl ist noch in der Welt", sagte der Anwalt des Betroffenen. Poggenburg wiederum erklärte dem Blatt, er habe für den Donnerstagnachmittag einen Termin mit dem Gerichtsvollzieher vereinbart. Dort wolle er sich erkundigen, ob der Haftbefehl noch in Geltung sei. ihm sei davon nichts bekannt.

Für den 40-Jährigen kommen die Meldungen über seine finanziellen Schwierigkeiten zur Unzeit. Kein anderer Landesverband der AfD kann in den Umfragen auf solche Spitzenwerte verweisen - bis zu 15 Prozent könnte die Partei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 13. März erzielen. Ein Einzug in den Landtag wäre damit sicher. In Magdeburg beteuerte Poggenburg vor den AfD-Anhängern, es sei nie zu einer Verhaftung gekommen, auch sei sein Betrieb "vollkommen darlehensfrei", und er stecke entgegen manchen Behauptungen in Internetforen "nicht in einem Insolvenzverfahren".

Poggenburg und Höcke streiten zusammen

Poggenburg hatte erst jüngst im rechtspopulistischen Blatt "Compact" seine Unabhängigkeit herausgestrichen. "In anderen Parteien", sagte er dort, gebe es Leute, "die könnten ohne Mandat oder Parteijob zum Sozialfall werden". Von eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten war da nichts zu lesen.

Seit Längerem gehört Poggenburg dem rechten Flügel der AfD an. Zusammen mit dem Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, der am Mittwoch ebenfalls in Magdeburg sprach, hatte er sich 2015 im Streit gegen den damaligen AfD-Vorstandssprecher Bernd Lucke mit der "Erfurter Resolution" positioniert. Anlass war die Haltung zu den Islamgegnern von Pegida - die Partei habe sich von bürgerlichen Protestbewegungen wie Pegida "ferngehalten und in vorauseilendem Gehorsam sogar distanziert", lautete ihre Kritik an Lucke.

Mit markigen Worten ist der Landeschef auffällig schnell bei der Hand. Poggenburg, der am Donnerstag für eine Stellungnahme SPIEGEL ONLINE nicht zur Verfügung stand, hatte auf seiner Facebook-Seite versucht, sich als Opfer einer Kampagne darzustellen. "Nachdem Diffamierungsversuche bezüglich angeblicher Kontakte in rechtsextreme Kreise, Bedrohung und Einschüchterungsversuche erfolglos blieben und wohl auch sonst nichts zu finden war, wird nun auch noch in der Finanzkiste gekramt", empörte er sich dort. Für das Versäumnis, Mahnungen zu begleichen, lieferte er dort (wie auch später sein Landesverband) seine Doppelbelastung als Politiker und Unternehmer als Erklärung. Auch seien seit seiner Parteizugehörigkeit und Funktionsübernahme wiederholt seine Briefkästen "fremdentleert" worden und so sei "eine Menge Post" verschwunden.

Tatsächlich hatte es im Oktober - rund eine Woche vor der Erzwingungshaftandrohung des Gerichts - einen Einbruch in Poggenburgs Wohnhaus und Büro in Sachsen-Anhalt gegeben. Dabei wurden Räumlichkeiten zum Teil verwüstet. Die sachsen-anhaltinische Polizei stellte fest, dass ein Auto, mehrere Werkzeuge und ein Laptop entwendet wurden.

Poggenburg, der zum Zeitpunkt des Einbruchs in Berlin war, hatte schon bald per Pauschalrundumschlag Mitschuldige ausgemacht: "Die geistigen Brandstifter sind Politiker und viele andere, die geradezu dazu aufrufen, Gewalt gegen AfD-Funktionäre zu verüben."

In Magdeburg brauchte er am Mittwochabend rund fünf Minuten in eigener Sache, dann schaltete er auf Wahlkampfmodus um. Welche "Seitenhiebe" und "Frechheiten" es auch gebe, "wir werden nicht klein beigeben". Da jubelte die Menge, die bis dahin weitestgehend geschwiegen hatte.

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