Programm AfD droht Streit über sozialpolitische Ausrichtung

AfD-Vorstandssprecher Meuthen und Petry
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPIn der rechtspopulistischen AfD bahnt sich ein heftiger Streit über die Positionen in der Steuer- und Sozialpolitik an. "Wir können nicht nur eine Partei der Geringverdiener und Arbeitslosen sein", sagte Parteichef Jörg Meuthen dem SPIEGEL mit Blick auf die jüngsten Landtagswahlen, bei denen viele Bürger dieser Gruppen seine Partei gewählt hatten.
Die AfD vertrete die soziale Marktwirtschaft, trete aber "entschieden gegen jede soziale Vollkaskomentalität ein", sagte der VWL-Professor. "Nur wenn Bürger in existenzielle Nöte geraten, die sie nicht selbst bewältigen können, ist der Staat gefragt." Keine Hilfe dürfe es dagegen geben, wenn Leute es "gezielt darauf anlegen, in die Bedürftigkeit zu fallen", so der Landes- und Fraktionschef der baden-württembergischen AfD.
Meuthens Co-Chefin an der Spitze der Bundespartei, Frauke Petry, hatte hingegen in einer Pressekonferenz in Berlin Anfang der Woche die AfD als "Partei des sozialen Friedens" bezeichnet, die für "Solidarität gegenüber den Schwachen" stehe. Auch ihr Vize Alexander Gauland stellte gegenüber dem SPIEGEL klar: "Wir werden ganz sicher nicht hinter Bismarcks Sozialreformen zurückfallen."
In einem jüngst bekannt gewordenen Entwurf für das neue AfD-Parteiprogramm wird etwa eine Privatisierung der Arbeitslosenversicherung oder die Abschaffung der gesetzlichen Unfallversicherung gefordert. Nach heftiger Kritik soll nun das gesamte sozialpolitische Kapitel aus dem Entwurf getilgt werden. "Bis zum Parteitag im April ist zu wenig Zeit für komplexe Themen wie Rente, Gesundheit oder Arbeitslosenversicherung", sagte Albrecht Glaser, Chef der Programmkommission, dem SPIEGEL. Dazu werde sich die AfD voraussichtlich erst Anfang 2017 positionieren können, so der frühere CDU-Politiker.
AfD will in EKR-Fraktion bleiben
Weiterhin offen ist, ob die AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch und Marcus Pretzell in der Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformer" (EKR) bleiben können. Beide versuchen, den Ausschluss abzuwenden. Die AfD-Politiker waren wegen der Debatte um Schießbefehle aufgefordert worden, die EKR-Fraktion zu verlassen.
In einer Rundmail an Fraktionskollegen berichten sie nun vom "großen Erfolg" bei den Landtagswahlen: "1.348.956 Menschen haben die AfD gewählt", der "Kontrast zum Misserfolg" ihres Ex-Mitstreiters Bernd Lucke und seiner Alfa-Partei "könne nicht größer sein". Alfa habe nur "0,8 Prozent der Stimmen und keinen einzigen Sitz" erlangt, obwohl Luckes Team "Freunde und Familie mobilisiert" und sogar "Fraktionsmitarbeiter als Kandidaten aufgestellt" habe, schreiben Storch und Pretzell. Daher sei es "nicht klug", wenn die Fraktion Luckes Druck nachgebe und die AfD ausschließe.
Ihr Fraktionskollege Arne Gericke (Familien-Partei) weist dies zurück: "An der Situation in der Fraktion hat sich nach den Landtagswahlen nichts verändert. Im Gegenteil: Der Zuspruch für die schwer national-populistisch, völkisch und radikal geprägte AfD in Sachsen-Anhalt zeigt doch, wo die Zukunft der Partei liegt."
CDU und SPD fordern Auseinandersetzung mit AfD
Wie soll mit der AfD nach den Wahlerfolgen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz umgegangen werden? Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert eine harte Auseinandersetzung. Man müsse "deutlich machen, dass sie keine Probleme löst", sagte sie der NRW-Ausgabe des SPIEGEL. Die Partei stelle sich als sozial dar, gleichzeitig wolle sie im Entwurf ihres Grundsatzprogramms das Arbeitslosengeld I privatisieren. "Das ist nicht sozial, sondern soziale Spaltung", so Kraft.
Die Düsseldorfer Regierungschefin will weiterhin nicht in Talkshows gehen, wenn gleichzeitig AfD-Politiker eingeladen sind: "Es hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass das Talkshow-Format nicht das richtige ist, um die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD zu führen." Ihre eigene Partei nimmt Kraft nach den Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag in Schutz. "Mit zehn Prozent kann man noch Volkspartei sein", sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD über das schlechte Abschneiden in Sachsen-Anhalt: "Es geht darum, wie weit man die Interessen der Bevölkerung abdeckt."
Unterdessen lehnte es CDU-Generalsekretär Peter Tauber ab, als Konsequenz aus dem Wahlerfolg der AfD die Koordinaten seiner Partei nach rechts zu verschieben. "Die CDU darf sich nicht nach anderen ausrichten, sondern muss offensiv für ihre Werte eintreten und ihren Platz in der Mitte behaupten", sagte der CDU-Politiker dem SPIEGEL und fügte hinzu: "Das C in unserem Parteinamen setzt eine natürliche Grenze nach rechts." Zwar müsse sich die CDU um Wähler der AfD bemühen, dies habe aber Grenzen, weil viele AfD-Anhänger das politische System als Ganzes ablehnten. "Wir stehen für das politische System der Bundesrepublik, haben es entscheidend geprägt und finden es gut. Davon können und wollen wir nicht abrücken."