AfD-Strohmannaffäre Wer finanzierte den Wahlkampf von Jörg Meuthen?

AfD-Chef Meuthen
Foto: TOBIAS SCHWARZ/ AFPBei der Suche nach den Geldgebern der mutmaßlich illegalen Wahlkampfhilfen für AfD-Chef Jörg Meuthen führt eine neue Spur zu einem umstrittenen Unterstützerklub der rechtspopulistischen Partei.
Nach Recherchen des SPIEGEL und des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" befindet sich auf einer Liste mit zehn angeblichen Gönnern, die Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 eine rund 90.000 Euro teure Werbekampagne finanziert haben sollen, ein Vorstandsmitglied des Stuttgarter "Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten".
Die vertrauliche Liste, deren Inhalt dem SPIEGEL und "Report Mainz" bekannt ist, hatte die AfD im Rahmen eines Prüfverfahrens im September 2018 bei der Bundestagsverwaltung eingereicht.
Offenbar äußerst potente Geldgeber
Dass darin ein leitender Funktionär des Stuttgarter Unterstützerklubs aufgeführt wird, ist brisant: Bislang hatte Meuthen beteuert, niemals Kontakt zu dem Verein gehabt zu haben, der zunächst als "Vereinigung" aufgetreten war und hinter dem offenbar äußerst potente Geldgeber stehen.
Die undurchsichtige Organisation, die von anonymen Spendern finanziert wird, machte über Jahre Stimmung für die AfD. Ihre Kampagnen, deren Kosten Experten auf mindestens sechs Millionen Euro schätzten , wurden von der Schweizer PR-Firma Goal AG organisiert, die von einem Freund Meuthens geleitet wird. Woher seine Mittel stammten, hält der Verein mit großem Aufwand geheim. Auch die Goal AG übt sich in strikter Diskretion.
Wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung leitete die Bundestagsverwaltung deshalb bereits ein Prüfverfahren ein. Daraufhin ging die AfD - die jahrelang von der kostenfreien Werbung profitiert hatte - im vorigen Sommer überraschend auf Distanz zu dem Verein.
Widersprüche über Widersprüche
Auch AfD-Chef Meuthen bestritt plötzlich jede Verbindung zu dem Unterstützerklub: "Ich habe zu keinem Zeitpunkt je Kontakt zu diesem Verein gehabt", beteuerte er etwa am 22. Juli 2018 in der ARD.
Diese Behauptung wirkte schon damals seltsam, weil der Politiker zwei Jahre zuvor einer Wahlkampfzeitung des Klubs ("Extrablatt") ein ausführliches Interview gegeben hatte. Er sei davon ausgegangen, dass das Interview für ein anderes Medium geführt worden sei, hatte Meuthen später behauptet.
Auch Meuthens Parteifreunde Guido Reil und Alice Weidel, die derzeit ebenfalls im Zentrum von Finanzaffären stehen, ließen sich von einer Zeitung des Vereins ("Deutschland Kurier") interviewen und schrieben Beiträge für das Blatt: Guido Reil eine Kolumne, Alice Weidel einen Gastkommentar. Als Herausgeber fungierte damals der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" - eben jener Verein, mit dem die AfD nichts zu tun haben will.
Jetzt, mitten im Europawahlkampf, sieht sich AfD-Chef Meuthen erneut mit Fragen zu dem Unterstützerklub konfrontiert. Allen voran die, wie der Name des stellvertretenden Vereinsvorsitzenden auf die Liste seiner angeblichen Unterstützer kam. Die Liste, die offenbar im Sommer 2018 erstellt worden war, beruht laut AfD auf Angaben der Goal AG.
Bei dem Vereinsfunktionär, der Meuthens Wahlkampagne laut Liste mit einer vierstelligen Summe unterstützt haben soll, handelt es sich nach Recherchen von SPIEGEL und "Report Mainz" um den pensionierten Notar S. aus dem Allgäu.
Laut amtlichen Registerunterlagen gehörte S. zu den Gründungsmitgliedern des "Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten e.V." und wurde am 21. September 2016 zu dessen Vizechef gewählt.
Heute will sich S. weder zu seiner angeblichen Wahlkampfhilfe für Meuthen noch zu der beim Bundestag eingereichten Unterstützerliste äußern. Gegenüber "Report Mainz" lehnte er am Freitag jede Stellungnahme ab. Auch der Vorsitzende des Stuttgarter Vereins, David Bendels, gab sich wortkarg. Eine Zuwendung seines Stellvertreters für die Meuthen-Kampagne sei "hier nicht bekannt", schrieb er dem SPIEGEL: "Vereinsmittel wurden daher nicht verwendet."
Meuthen selbst ließ über einen Sprecher erklären, dass ihm S. "vollständig unbekannt" sei und verwies auf eine auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte "Klarstellung zur sogenannten 'Spendenthematik'". Der Chef der "Goal AG", Alexander Segert, ließ eine Anfrage von "Report Mainz" unbeantwortet.
Schillernde Verbindungen, zweifelhafter Leumund
Der Vereinsfunktionär S. ist indes nicht der einzige Mann auf der Liste der vermeintlichen Meuthen-Unterstützer, dessen Verbindungen Fragen aufwerfen. Neben dem pensionierten Notar aus dem Allgäu finden sich dort Personen mit schillernden Verbindungen und zweifelhaftem Leumund.
Darunter ein justizbekannter Kaufmann aus dem Rhein-Main-Gebiet, der Anfang des Jahres gegenüber dem baden-württembergischen Landeskriminalamt zugegeben hatte, nur als Strohmann fungiert zu haben. Für die Unterschrift unter einer entsprechend gefälschten Zuwendungsbescheinigung habe er 1000 Euro in bar erhalten .
Eingefädelt und bezahlt worden sei das Geschäft von einem 60-jährigen Bekannten, der vor Jahren aus Süddeutschland an die spanische Costa Brava ausgewandert war und der sich gegenüber "Report Mainz" nicht zu den Vorwürfen äußern wollte .
Der Name des Auswanderers steht ebenfalls auf der Unterstützerliste, genau wie der eines Geschäftsmanns aus der belgischen Provinz Antwerpen. Letzterer taucht wiederum auf zwei weiteren Unterstützerlisten auf, die von der AfD-Bundesgeschäftsstelle im Oktober und im Dezember 2018 an die Bundestagsverwaltung geschickt wurden und mit denen fragwürdige Wahlkampf-Zuwendungen an die Parteifunktionäre Alice Weidel und Guido Reil erklärt werden sollten.
Nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" könnte der Mann aus Antwerpen auch mit weiteren fragwürdigen Überweisungen an die AfD in Verbindung stehen.
Wer hinter den ominösen Geldzahlungen zugunsten Meuthens und seiner Parteifreunde steht, ist bislang noch unklar.