AfD-Politiker Poggenburg Absturz am rechten Rand

Einst war André Poggenburg ein Weggefährte des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Doch der sachsen-anhaltische Politiker hat sich mittlerweile ins Aus manövriert. Nun will er eine neue Partei gründen.
André Poggenburg

André Poggenburg

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/ dpa

Kurz vor Jahreswechsel twitterte André Poggenburg, früherer AfD-Landes- und Fraktionschef aus Sachsen-Anhalt, die "deutsche Volksgemeinschaft" habe das "Erbrecht der friedlichen Koexistenz in Europa" und wünschte ein "kämpferisches und patriotisches 2019".

Es war womöglich ein Tweet zu viel.

"Volksgemeinschaft" ist ein Begriff, der in der NS-Zeit üblich war und in rechtsextremen Kreisen benutzt wird. Mit seinem Neujahrsgruß liegt Poggenburg quer zu den Bestrebungen der Bundesspitze, die sich bemüht, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu vermeiden und seit dem Herbst eine zurückhaltendere Sprache anmahnt.

Poggenburg habe eine Grenze überschritten, sagte Bundesvorstandsmitglied Kay Gottschalk zum SPIEGEL. "Im Spannungsfeld einer möglichen Überwachung durch den Verfassungsschutz müssen wir an dieser Stelle Entschlossenheit zeigen."

Poggenburg und Höcke (März 2016)

Poggenburg und Höcke (März 2016)

Foto: Jens Büttner/ dpa

Am Montag beschlossen die zugeschalteten Mitglieder des Vorstands einstimmig in einer Telefonschalte, Poggenburg für zwei Jahre die Ausübung aller Parteiämter zu untersagen. Noch fehlt der formale Abschluss, den die Parteiführung am Freitag vollziehen will: In dem dann schriftlichen Antrag soll das zuständige AfD-Landesschiedsgericht in Sachsen-Anhalt beauftragt werden, einen Beschluss auf Ämtersperre gegen Poggenburg zu erwirken.

Die neueste Wendung im Fall des 43-Jährigen illustriert den Niedergang seiner politischen Karriere. Einst gehörte Poggenburg mit dem Thüringer AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke zu den bekanntesten Figuren am rechten Rand der Partei, die sich im "Flügel" organisiert haben. Kaum ein Treffen, auf dem sie nicht einträchtig füreinander einstanden.

Doch Höcke, seit Herbst AfD-Spitzenkandidat in Thüringen für die Landtagswahl in diesem Jahr, hat Ambitionen auf den Ministerpräsidenten-Posten. Der Kontakt zu Poggenburg ist seit dem Sommer eingeschlafen, heißt es in der Partei. Im August machte Poggenburg den Bruch öffentlich, schrieb, dass "die Doppelspitze Höcke-Poggenburg so leider nicht mehr fortbesteht".

Was konkret den Ausschlag gab, bleibt im Ungefähren: Mal heißt es, Höcke solle Poggenburg vorgehalten haben, sich im Machtkampf seines Landesverbands auch auf gemäßigte Kräfte der "Alternativen Mitte" gestützt zu haben. Dann wieder, dem einstigen Gymnasiallehrer Höcke sei - bei aller inhaltlichen Nähe - manche Äußerung des Weggefährten mit der Zeit zu schlicht gewesen. Zudem, so eine weitere Variante, hätten andere beim "Flügel" an Einfluss gewonnen, darunter der Brandenburger AfD-Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz.

Damals noch vereint: AfD-Politiker und "Flügel"-Vertreter Höcke, Poggenburg und Kalbitz im Frühjahr 2016

Damals noch vereint: AfD-Politiker und "Flügel"-Vertreter Höcke, Poggenburg und Kalbitz im Frühjahr 2016

Foto: Jan Woitas/ dpa

Poggenburg wurde Zug um Zug zum Außenseiter am rechten Rand. Im März überwarf er sich mit seiner Landespartei und seiner Fraktion, gab beide Ämter ab. Mancher warf ihm einen selbstherrlichen Stil vor, andere monierten, dass seine Lebenspartnerin in der Fraktion eine Ausbildung machen durfte. Im September wurden auf der linksradikalen Website "Indymedia" intime Chatverläufe zwischen ihm und einer Frau veröffentlicht. Er selbst vermutete eine Intrige, nannte es "ungeheuerlich, dass hier Leute innerhalb unserer Partei mit dem linken Mob und Feind paktieren". In einem Chat schrieb er: "Was für ein Rattenloch eine Partei oder Fraktion überhaupt sein kann".

"Das Projekt Parteigründung geht los"

Wie geht es nun weiter? Schon seit Monaten kursierte in der AfD das Gerücht, Poggenburg plane mit einem Verbund namens "Die Nationalkonservativen" die Gründung einer neuen Partei. Poggenburg selbst schrieb dem SPIEGEL noch am 4. Januar, es gebe bisher nur ein "loses Netzwerk in der AfD" unter der politischen Positionierung "Die Nationalkonservativen", aber "(noch) keinerlei diesbezügliche Vereinigung, Gründung". Vereinzelt werde sogar laut über eine ostdeutsche Kraft außerhalb der AfD, "im Sinne einer Ost-AfD nachgedacht, was ich persönlich zur Kenntnis nehme, aber kritische sehe", so Poggenburg. Seine Landtagsfraktion forderte ihn nach einer turbulenten Sitzung am vergangenen Dienstag auf "jedweden Spaltungstendenzen" öffentlich eine Absage zu erteilen.

Daraus wird nun nichts - im Gegenteil: Poggenburg und ein kleiner Unterstützerkreis wollen tatsächlich ein neues politisches Projekt ins Leben rufen. "Das Projekt Parteigründung geht heute los", bestätigte Poggenburgs sächsischer Mitstreiter Egbert Ermer dem SPIEGEL an diesem Donnerstag. Geplant sei eine "mitteldeutsche Bewegung", mit Zweigen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Auch Ermer, Stammgast auf Pegida-Demonstrationen und bis Sommer 2018 Kreisvorsitzender in der AfD-Hochburg Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, ist in der Partei sehr umstritten. Im vergangenen Jahr machte er Schlagzeilen mit einer Rede, in der er zu Gewalt gegen Linke aufrief.

In einem Facebook-Kommentar schrieb Ermer nun mit Blick auf die anstehende Parteigründung: "Die Kornblume beginnt gerade erst, ihre Anziehungskraft zu entfalten." Eine Anspielung auf die blaue Kornblume, die Poggenburg zuletzt gern am Revers trug - und die österreichischen Nationalsozialisten einst als Erkennungszeichen diente. Auf Nachfrage des SPIEGEL erklärte Poggenburg am Donnerstag zu Ermers Ankündigung einer Partei-Neugründung, er bitte "um Verständnis", er wolle "dazu im Moment kein Kommentar" abgeben.

Pegida mit dabei?

Poggenburg unterhält gute Kontakte zu Pegida in Dresden, und so erscheint es konsequent, dass bei der Neugründung offenbar auch führende Pegida-Figuren wie Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz mitmischen wollen. Sollte es der neuen Gruppierung gelingen, an der Landtagswahl teilzunehmen, könnte sie der AfD einen erheblichen Stimmenverlust im rechten Milieu zufügen.

Offiziell reagieren führende Vertreter der AfD Sachsen trotzdem gelassen: "Die AfD Sachsen bewegt sich politisch im Rahmen des Parteiprogramms, das unsere Mitglieder verabschiedet haben", sagte Landesvorstand Carsten Hütter, der auch Vorsitzender des AfD-Bundeskonvents ist. "Wer etwas anderes möchte, muss seine Schlüsse ziehen. Jeder ist seines Glückes Schmied."


Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, in der AfD werde vermutet, Poggenburg wolle eine neue Partei gründen. Inzwischen liegen neue Informationen vor, nach denen sich diese Vermutungen bestätigen und Poggenburg tatsächlich ein neues politisches Projekt ins Leben rufen will. Wir haben den Text entsprechend aktualisiert. Zudem hieß es in einer früheren Version dieses Artikels, Egbert Ermer sei Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Laut Website des Kreisverbandes ist Ermer aber bereits am 27. August 2018 "aus persönlichen Gründen" von diesem Posten zurückgetreten. Wir bedauern den Fehler und haben die entsprechende Textstelle korrigiert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten