AfD-Erfolge im Osten Rechtsaußen besetzt

Erfolgreich war die AfD bei der Europawahl nur im Osten - besonders in den drei Rechtsaußen-Landesverbänden Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Was bedeutet das für die Landtagswahlen im Herbst?
AfD-Politiker Kalbitz, Urban und Höcke in Chemnitz

AfD-Politiker Kalbitz, Urban und Höcke in Chemnitz

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Im Herbst vergangenen Jahres standen sie beim Schweigemarsch der AfD in Chemnitz in vorderster Reihe. Andreas Kalbitz, Jörg Urban und Björn Höcke, drei Landesvorsitzende im Osten, drei Mitglieder des "Flügel", einem Netzwerk der Rechtsaußen in der AfD.

Der Marsch für einen durch Messerstiche getöteten Chemnitzer gilt seitdem als Symbol für den rechten Schulterschluss der AfD. Auch Neonazis hatten sich an dem Marsch beteiligt.

Am vergangenen Wahlsonntag durften genau diese drei Führungsmitglieder triumphieren: Kalbitz war mit seiner Brandenburger AfD mit 19,9 Prozent stärkste Kraft geworden und hatte bei den Kommunalwahlen mit 15,9 Prozent den dritten Platz errungen, Urban wiederum wurde mit 25,3 Prozent in seiner Heimat Sachsen der AfD- Platzhirsch vor der CDU und Höcke konnte seinen Thüringer Landesverband mit 23,8 Prozent knapp hinter der CDU auf Platz zwei bringen.

Die Ergebnisse der drei Landesverbände ragen aus dem eher durchschnittlichen Erfolg der AfD bei den Europawahlen (bundesweit 11 Prozent) deutlich heraus. Noch im Herbst hatten manche in der AfD-Bundesspitze auf ein bundesweites Ergebnis von 15 bis 20 Prozent gehofft. Stattdessen stießen nun die drei ostdeutschen Landesverbände in jene Sphären vor, von denen andere geträumt hatten.

Der Erfolg ist umso bemerkenswerter, weil erst im Februar der "Flügel" vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" im Bereich extremistischer Bestrebungen eingestuft worden war. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang hatte damals unter anderem erklärt, beim "Flügel" werde der "historische Nationalsozialismus immer wieder verharmlost".

Doch solche Erscheinungen störten die ostdeutschen Anhänger offensichtlich nicht, ebenso wenig, dass die drei Landeschefs der AfD durch ihre Tätigkeit im "Flügel" indirekt im Visier des Inlandsgeheimdienstes sind. Sie machten bei der Europawahl ihr Kreuz in großer Zahl bei der rechtspopulistischen Partei - in Sachsen waren es 520.568, in Thüringen 236.566 und in Brandenburg 238.441 Wählerinnen und Wähler.

Parteichefs Alexander Gauland, Jörg Meuthen

Parteichefs Alexander Gauland, Jörg Meuthen

Foto: Gregor Fischer / dpa

Für die anderen Parteien, allen voran die in Brandenburg regierende SPD und die in Sachsen um ihren ersten Platz kämpfende CDU, muss die Europawahl eine Warnung sein.

In beiden Bundesländern wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt, in Thüringen Ende Oktober. Angesichts der Europawahl-Ergebnisse für die AfD drohen tektonische Verschiebungen.

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen feiern die AfD-Landeschefs jetzt ihre Bestmarken:

  • Andreas Kalbitz, der in früheren Jahren Kontakte zur neonazistischen Szene pflegte, sieht seine Partei für die brandenburgische Landtagswahl gestärkt, sprach in Potsdam von einem "Neuanfang", den die Bürger "nach Jahrzehnten roten Stillstands und Unfähigkeit" wollten.
  • Jörg Urban, einst Landesgeschäftsführer der Grünen Liga, sagte in Dresden: "Wir sehen, dass die AfD in Sachsen schon lange keine Protestpartei mehr ist."
  • Björn Höcke wiederum strich die Erfolge seines Thüringer Verbandes am Montag heraus, in dem er zunächst auch auf die maue Lage der Bundespartei verwies: Auch wenn "das bundesweite Ergebnis" der AfD bei der Wahl zum EU-Parlament "enttäuscht", schrieb er, konnten "wir in Thüringen die starken 22 Prozent der letzten Bundestagswahl verteidigen". Das Wort vom "Flügel" taucht an keiner Stelle seiner Erklärung auf. Möglicherweise im Wissen darum, dass nicht alle AfD-Mitglieder sich dem Netzwerk zurechnen lassen wollen.

Wie stark der "Flügel" tatsächlich ist, das bleibt eine Frage von Schätzungen. AfD-Chef Jörg Meuthen hatte 2017 davon gesprochen, der "Flügel" stehe für rund 20 Prozent der Mitglieder. Andere, wie jüngst der NRW-AfD-Chef Helmut Seifen, warnen bereits vor einer "Partei in der Partei".

Höcke kann den Erfolg der Europawahl gebrauchen. Denn seine Stellung innerhalb der AfD ist alles andere als unumstritten.

Problem ist aus Sicht mancher in der AfD nicht nur seine Rechtsaußen-Position, sondern auch seine schlechten Sympathiewerte. In einer Insa-Umfrage, die die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" im März veröffentlichte, kam Höcke unter AfD-Anhängern bei der Frage, wen sie als Ministerpräsidenten wählen würden, nur auf 24 Prozent. Und nur fünf Prozent der befragten Thüringer wollten ihn als AfD-Ministerpräsidenten.

AfD-Chef Jörg Meuthen - der in der Vergangenheit mit Co-Chef Alexander Gauland auf "Flügel"-Treffen als Gastredner gesprochen hat - hofft auf Regierungsbeteiligungen im Osten, auch wenn er dafür bislang noch keine konkreten Anzeichen vorweisen kann. "Gut Ding will Weile haben", sagt er.

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