Mitte-Kurs der Kanzlerin Ex-Minister Friedrich gibt Merkel Mitschuld an Pegida

Pegida-Demonstration in Dresden (22. Dezember): Ex-Minister Friedrich fürchtet eine Schwächung des bürgerlichen Lagers
Foto: Jens Meyer/ AP/dpaHamburg/Berlin - Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) übt im SPIEGEL harte Kritik an Regierungschefin Angela Merkel. Er gibt der Kanzlerin und dem Mitte-Kurs der CDU-Chefin eine Mitschuld für das Erstarken der Protestbewegung Pegida und insbesondere der Konkurrenzpartei AfD, die bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg aus dem Stand in die Parlamente eingezogen war. (Lesen Sie das ganze Interview hier im aktuellen SPIEGEL).
"Wenn Sie mich vor ein paar Jahren gefragt hätten, hätte ich gesagt: Wir putzen die weg, indem wir ihnen die Themen wegnehmen. Frau Merkel hat sich aber entschieden, der SPD und den Grünen die Themen wegzunehmen, denken Sie nur an den planlosen Ausstieg aus der Kernenergie oder die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit", sagte Friedrich dem SPIEGEL. "Dies ist kurzfristig erfolgreich, wie die Meinungsumfragen zeigen, langfristig ist es ein verheerender Fehler, der zur Spaltung und Schwächung des bürgerlichen Lagers führen kann", betonte der ehemalige Bundesinnenminister.
Das zeige auch die Pegida-Bewegung, die die Union kalt erwischt hat. Zuletzt hatten sich in Dresden vor Weihnachten 17.500 Menschen auf einer Pegida-Kundgebung versammelt. Richtige Antworten auf das Phänomen hat die Parteispitze der Union bisher nicht. "Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind", sagte Friedrich. "Da müssen wir umdenken, auch in der CSU."
Ähnlich erging es der Union mit dem Aufkommen der AfD. Bisher flüchtet sich die Partei in bloßes Totschweigen, ein entsprechender Beschluss dazu wurde im Parteivorstand - mündlich - Ende August gefasst. Besser nicht über die AfD reden, lautet das Motto, dann erledigen sich die Rechtspopulisten von selbst, so die Hoffnung. Fraktionsvize Friedrich hält davon nichts.
Vor allem die CSU müsse ihrer angestammten Rolle im Parteienspektrum wieder gerecht werden, die rechte Flanke abzudecken. "Die CSU muss auch im Interesse der CDU für Konservative, Mittelstand und Handwerk bundesweit Flagge zeigen, sonst wird die AfD für uns zu einer tödlichen Gefahr." Und weiter sagte Friedrich: "Ich halte es für gefährlich, wenn sich Mittelständler und Handwerker, aber auch Konservative bei der Union nicht mehr zu Hause fühlen."
Vor allem kritisierte der Christsoziale die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. "Natürlich war die Zustimmung zur doppelten Staatsangehörigkeit ein Fehler. Gerade in einer Zeit, in der die Menschen wieder nach kultureller Identität, Heimat und Zusammenhalt fragen, ist der leichtfertige Umgang mit der Staatsbürgerschaft falsch."
Friedrich war von 2011 bis Mitte Dezember 2013 Bundesinnenminister. Danach war er im Kabinett von Kanzlerin Merkel ab Mitte Dezember vergangenen Jahres Bundesagrarminister - allerdings musste er nach nur zwei Monaten im Februar im Zuge der Edathy-Affäre zurücktreten.
Er hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Rande der Koalitionsverhandlungen von dem Kinderporno-Verdacht gegen den SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy unterrichtet. Friedrichs Popularität in der Unionsfraktion und insbesondere in der CSU tat dies keinen Abbruch, da viele in ihm das Bauernopfer in einem Skandal sahen, der mit ihm nur am Rande zu tun hatte. Sogar CSU-Chef Horst Seehofer stand zeitweilig in der Kritik, weil er dem Wunsch Merkels nach einem Rauswurf Friedrichs zu schnell nachgekommen sei. Friedrich kümmert sich jetzt als Fraktionsvize vor allem um die Europa- und Wirtschaftspolitik.
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