Antisemitismus-Vorwürfe AfD-Politiker Gedeon darf in der Partei bleiben

Der Streit um seine Person spaltete die Stuttgarter AfD-Fraktion und brachte Parteichef Meuthen an den Rand des Rücktritts. Nun steht fest: Wolfgang Gedeon, Autor teilweise antisemitischer Schriften, muss die AfD nicht verlassen.
Wolfgang Gedeon

Wolfgang Gedeon

Foto: DPA

Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember, erging das zwölfseitige Urteil des Landesschiedsgerichts der AfD Baden-Württemberg: Der Stuttgarter Abgeordnete Wolfgang Gedeon wird nicht aus der Partei geworfen. Der AfD-Landesvorstand hatte seinen Ausschluss beantragt, nachdem Schriften bekannt geworden waren, in denen der 70-jährige Arzt teils antisemitisches Gedankengut verbreitet.

Der Konflikt um Gedeon hatte sich im Sommer 2016 zu einer Art Stellvertreterkrieg zwischen den rivalisierenden AfD-Bundessprechern Jörg Meuthen und der mittlerweile abtrünnigen Frauke Petry ausgewachsen. Auf dem Höhepunkt des Konflikts spaltete sich die Stuttgarter AfD-Landtagsfraktion.

Das Urteil kommt für die AfD zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Soeben ist bekannt worden, dass auch der Thüringer Rechtsausleger Björn Höcke offenbar keinen Rauswurf aus der Partei fürchten muss.

Zwar stützt das AfD-Schiedsgericht mit Sitz in Reutlingen seine Entscheidung zugunsten von Gedeon vor allem auf formale Gründe: Die Landesspitze habe es versäumt, ihren ursprünglichen Schriftsatz innerhalb einer Frist bis Februar 2017 nachzubessern. Die Richter machen aber auch sehr deutlich, dass ihnen die Beweise gegen Gedeon inhaltlich nicht für einen Parteiausschluss reichten.

"Es sind bloße Behauptungen."

Der Vorstand habe "nur Zeitungsartikel und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate" von Gedeon aufgeführt, heißt es, und keine Begründung geliefert, "dass die Zitate extremistischen, fremdenfeindlichen und judenfeindlichen Charakter hätten" - "Es sind bloße Behauptungen."

Auch habe Gedeon seine Bücher teils lange vor Gründung der AfD geschrieben, hätte mit ihnen also gar nicht gegen die Parteigrundsätze verstoßen können. Dabei hält Gedeon bis heute ausdrücklich an seinen Positionen fest. Dies könne ihm aber "nicht vorgeworfen werden", findet das Schiedsgericht: Denn eine alte Position nicht zu räumen, sei kein "Tun", sondern ein "Nichtstun" - und nur ein schädliches Tun ermögliche den Parteiausschluss.

Überhaupt gelte für die Meinungen von Parteimitgliedern ein "weitergehender Toleranzrahmen" als für Mitglieder anderer Vereine. Dabei sind die antisemitischen Passagen in Gedeons Büchern wie "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten" mit Händen zu greifen. So bezeichnet er das Judentum als historischen "inneren Feind" des Abendlandes. Den Juden unterstellt er, an einer "Versklavung der Menschheit" zu arbeiten.

Wörtlich schreibt Gedeon: "Als sich im 20. Jahrhundert das politische Machtzentrum von Europa in die USA verlagerte, wurde der Judaismus in seiner säkular-zionistischen Form sogar zu einem entscheidenden Wirk- und Machtfaktor westlicher Politik." - hier taucht das typisch antisemitische Klischee der zionistischen Weltverschwörung auf. "Weltbedeutung hat das Judentum heute nicht direkt durch seine Religion", schreibt Gedeon weiter, "sondern im Wesentlichen indirekt, nämlich durch Judaisierung der christlichen Religion und Zionisierung der westlichen Politik."

Der Holocaust gerate zur "Staatsreligion"

In manchen Passagen klingt Gedeon wie sein Parteifreund Björn Höcke, dem offenbar ebenfalls kein Ausschluss mehr droht: Wie Höcke kritisiert Gedeon die Existenz des Berliner Holocaust-Mahnmals, das in seiner Art weltweit "einzigartig" sei. Kein anderes Land baue sich ein solches Denkmal für "gewisse Schandtaten" aus seiner Vergangenheit. Und "das Schlimmste daran ist", klagt Gedeon: "Die meisten Deutschen finden das inzwischen ganz normal.'" So gerate der Holocaust zur "Staatsreligion", behauptete Gedeon, für den Neonazis wie Horst Mahler oder Holocaust-Leugner Ernst Zündel denn auch "Dissidenten" sind. Brisant: Die Schiedsrichter hatten den Landesvorstand, damals noch unter Führung von Jörg Meuthen, offenbar mehrfach gewarnt, sie müssten juristische Argumente nachlegen.

Es sei nicht ihre Aufgabe, den Antrag gegen Gedeon "wasserdicht" zu machen, zitieren die Richter aus ihren eigenen Mails. Der Vorstand kündigte zwar an, dass der heutige Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier, Chef der Parteijugend "Junge Alternative" und zeitweise Mitarbeiter der heutigen Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel, die nötigen Beweise nachliefern werde. Dazu kam es aber offenbar nie.

Damit galt der Antrag für das Gericht als zurückgenommen.

Der Landesvorstand will das Verfahren gegen Gedeon auch nicht noch einmal aufnehmen, beschloss das Gremium am Montagabend: "Da uns aktuell keine neuen Erkenntnisse und keine neue Beweislage vorliegen, die es rechtfertigen würden, den Fall in die nächste Instanz zu tragen, wollen wir ihn nicht neu aufrollen", sagt der Landesvorsitzende Ralf Özkara. Das Landesschiedsgericht habe auch nur aufgrund eines Formfehlers geurteilt, betont er. "Hier werden Gedeons Aussagen gar nicht bewertet."

Das Urteil dürfte den derzeit fraktionslosen AfD-Abgeordneten Gedeon in seiner Partei endgültig rehabilitieren. Erste Schritte in diese Richtung gab es schon, so lässt die Fraktion neuerdings auch Gäste in ihren Arbeitskreisen zu - was als "Lex Gedeon" gilt.

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