Richtungsstreit beim Bundesparteitag AfD zerlegt sich selbst


Jörg Meuthen, AfD-Vorsitzender:
»Lassen wir ruhig die im Regen stehen, die nur allzu gerne rumkrakeelen und rumprollen."
»Aber ich frage mich: Ist es wirklich klug, von einer Corona-Diktatur zu sprechen?«
»Wir werden nicht mehr Erfolg erzielen, in dem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten. So geht das nicht.«
Es war eine Brandrede. So hat der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen seinen Auftritt vom Samstag zum Start des Parteitags selbst bezeichnet. Es war eine Abrechnung mit Teilen der eigenen Partei.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
»Meuthen hat so eine Art Rundumschlag gegen die Leute gemacht, die man vielleicht als die Völkischen bezeichnen würde, hat dann heute versucht, das wieder ein bisschen kleinzureden und so getan, als hätte er gestern nur die Leute gemeint so wie Dubravko Mandic, also die ganz rechtsaußen stehen. Tatsächlich hat er aber auch die Querdenkern-Bewegung kritisiert und all das ist glaube ich ein Indiz dafür, dass er sehr, sehr große Sorge hat vor dem Verfassungsschutz. Denn die Beobachtung steht an. Da gab es auch jetzt zum Wochenende nochmal den Bericht, dass das im Frühjahr kommen könnte und Meuthen, der ja auch Beamter hat sehr, sehr große Sorge davor, dass die Partei unter die Gesamtbeobachtung kommt.«
Für seine Rede erhielt Meuthen heftige Kritik. Sein Platz sei nicht mehr in der Partei, er sei aus der Familie ausgetreten. Solche Stimmen gab es in der Debatte. Ein Antrag, der seine Rede und sein Verhalten der vergangenen Monate zurückweisen sollte, wurde mit nur 53 zu 47 Prozent von der Tagesordnung genommen. Enge Abstimmungen - das zog sich durch den ganzen Parteitag.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
»Und ohnehin war es so, dass sozusagen alle Abstimmung an diesem Parteitag sehr, sehr knapp nur für die Gemäßigteren, wie die sich nennen in der Partei, eben ausgingen. Es war ein sehr knappes Ergebnis, das sich so eng auch noch nie erlebt hab.«
Der Streit in der Partei spitzt sich damit weiter zu. Und was die Parteibasis angeht, hat sich Meuthens Position am Wochenende verschlechtert.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
»Also Meuthen steht schon sehr im Kreuzfeuer jetzt nochmal mehr. Er hätte auch auf diesem Parteitag eigentlich versuchen können, sozusagen mal wieder eine Brücke zu schlagen nach den letzten Monaten, hat aber genau das nicht getan, eben aus der Sorge vorm Verfassungsschutz. Und das wird ihn jetzt die nächsten Monate definitiv begleiten und die gesamte AfD zur Bundestagswahl hin. Er hat es aber auch geschafft, eben mit sehr knappen Ergebnissen, aber dass im Bundesvorstand jetzt gehen nochmal zwei Leute reingewählt worden sind, die eher auf seiner Seite stehen. Also er hat sozusagen im Bundesvorstand jetzt eine komfortablere Mehrheit, aber in der Partei einen schwereren Stand.«
Gleichzeitig stehen die Meinungsverschiedenheiten zum Umgang mit den Querdenkern beispielhaft für den Richtungsstreit in der AfD.
Jörg Meuthen, AfD-Vorsitzender:
»Und ist es klug - ich weiß, dass ich damit, dass ich damit auch Widerspruch ernte - ist es denn klug, wenn sich allerlei AfD-Funktionäre ohne jede kritische Distanz mit der sogenannten Querdenker-Bewegung kritiklos gemein machen?«
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
»Also die Querdenker-Demonstrationen, die haben tatsächlich eine ziemlich große Rolle auf diesem Parteitag gespielt. Auch größer, als ich jetzt gedacht hätte, weil es auch da wieder diesen Zwist gibt zwischen: Sollen wir uns an deren Seite stellen und quasi diese Bewegung auf der Straße nutzen, weil es eben sehr viel in der AfD gibt, die sagen, wir bringen die Straße in die Parlamente? Und dann wiederum den, ich sag jetzt mal Professoren eher, wie Herr Meuthen, die sagen: Ja, wir müssen aber ganz seriös und bürgerlich und brav auftreten. Und da sind Leute bei, die wir nicht wollen. Und ich sehe das nicht, dass es da eine Einigkeit am Ende gab. Meuthen hat dann da auch wieder versucht, das etwas zurückzunehmen, hat gesagt, er will sich ja nur vor den ganz Rechten oder den ganz wirren Verschwörungsideologen in dieser Bewegung distanzieren. Aber im Endeffekt gibt's da noch sehr sehr viele, die danach applaudiert haben. Wenn dann heute gesagt hat: Nein, wir stehen an deren Seite.«
Zwar hat die AfD sieben Jahre nach ihrer Gründung auch ein Rentenkonzept verabschiedet, vor allem aber hat sich die Partei wieder mit sich selbst beschäftigt. Dabei kann sie das gerade jetzt eigentlich so gar nicht gebrauchen.
Ann-Katrin Müller, DER SPIEGEL:
»Das große Problem von Jörg Meuthen ist wirklich und damit auch vom Rest der Partei, dass eben jetzt dieser Streit so hochkocht, kurz bevor die Bundestagswahl oder das Wahljahr startet. Also jetzt in diesem Streit, der überhaupt nicht geklärt ist nach diesem Parteitag, weil er eben so knapp ausgegangen ist, in ein Wahljahr zu gehen, wird die Partei weiterhin vor Probleme stellen. Und man ist halt sehr nervös. Das merkt man auch. Die Umfragen sind schlecht, werden immer schlechter momentan und da sozusagen jetzt reinzugehen, da merkt man, dass da eben viele Aggression da sind. Es wurde viel geschrien, also all diese Dinge, das lässt sich nicht so leicht lösen.«