Affäre Volmer Drinnen schimpfen, draußen schweigen
Berlin - Ludger Volmer war am Dienstag viel unterwegs in den Gängen des Berliner Politbetriebs. Zuerst wurde der grüne Abgeordnete und Ex-Staatsminister am Morgen von den Mitgliedern der grünen Arbeitsgruppe Außenpolitik zu seinem Schlingerkurs in Sachen "Volmer-Erlass" und seiner Nebentätigkeit als Berater für die Bundesdruckerei befragt.
Die beiden Morgentermine waren nur der Anfang. Anschließend warteten schon die Kollegen vom rechtspolitischen Arbeitskreis auf den Politiker. Die sonst anwesenden Mitarbeiter der Fraktion wurden vorsichtshalber der Säle verwiesen, Mobiltelefone später schnell ausgestellt. Auf keinen Fall sollte irgendetwas aus den Befragungen des affärengeschüttelten Grünen nach draußen dringen.
Die mehrstündige Tour durch die Arbeitskreise der Fraktion war Teil einer wohl orchestrierten Deeskalationsstrategie der Fraktionsführung. Hinter verschlossenen Türen sollte die Kritik aus den eigenen Reihen geäußert werden, damit am Nachmittag bei der Fraktionssitzung kein böses Wort mehr zu hören sein würde.
Der Plan ging an der Oberfläche auf: Demonstrativ Seite an Seite mit der grünen Parteichefin Claudia Roth erschien Volmer am Nachmittag vor dem Sitzungssaal der Fraktion. Auf die Frage, ob er auch weiterhin außenpolitischer Sprecher seiner Partei sein werde, antwortete Volmer gewohnt selbstsicher: "Daran gibt es gar keinen Zweifel."
"Die Position wird nicht diskutiert!"
Bestätigung für die von der Fraktionsführung festgelegte Linie gab es gleich auch von deren Chefin Katrin Göring-Eckardt. "Die Position Ludger Volmers als außenpolitischer Sprecher wird nicht diskutiert", postulierte sie. Nach der eindeutigen Positionierung behielten dann auch beide Recht. Nicht ein einziges Mal fiel der Name Volmers während der Debatte der 55 Abgeordneten zum Thema Nebentätigkeiten.
Selbst Winfried Hermann, der in den vergangenen Tagen die deutlichste Kritik an Volmer geübt hatte, sah offenbar keinen Klärungsbedarf mehr. Wohl eher der guten Form halber raffte er sich dann doch noch zu einem Statement darüber auf, dass Mandat und Beruf besser nicht miteinander vermischt werden sollten. Den einzigen Sünder der grünen Fraktion nannte er nicht beim Namen.
Ein wenig glich die Sitzung einer Versammlung der bekennenden Schizophrenen: Volmer selbst ließ sich am Ende noch während der Aussprache auf die Rednerliste setzen und sprach ganz allgemein über die vieldiskutierten Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten - ohne seinen eigenen Fall auch nur zu streifen.
Volmer regte sogar an, in einem Punkt noch über den Beschluss von Parteirat und Bundesvorstand der Grünen über die Offenlegung von Einkünften aus Beruf und Nebentätigkeit hinauszugehen. Dass er selbst mit einer Beraterfirma für die Bundesdruckerei im Ausland Verträge akquiriert, erwähnte er nicht und wurde auch nicht angesprochen.
Gerüchte über Volmers Ablösung kursierten bereits
Über den Vormittag hatte in Berlin schon das Gerücht die Runde gemacht, die Fraktion werde Volmer als außenpolitischen Sprecher absetzen. Auch wenn niemand sich mehr traut, es offen zu sagen: Viele der grünen Abgeordneten nehmen dem ehemaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt seine Nebentätigkeit übel.
Ihnen stöß auf, dass Volmer selbst keinen Hehl daraus macht, dass er durchaus von seinen alten Kontakten als Staatsminister profitiert, wenn er im Ausland auf Werbetour für die Bundesdruckerei geht.
Bei den Grünen, die Transparenz und politische Moral stets besonders hochalten, haben in der Vergangenheit schon geringere Anlässe für Konsequenzen gereicht. So musste etwa 2002 der Abgeordnete Cem Özdemir wegen der Bonus-Meilen-Affäre und einem umstrittenen Darlehen des PR-Beraters Moritz Hunzinger auf seine Wiederwahl in den Bundestag verzichten.
Trotzdem hat sich die grüne Führung im Fall Volmer schon kurz nach den ersten Vorwürfen entschieden, an ihm als außenpolitischen Sprecher festzuhalten. Die offizielle Begründung lautet dabei, dass Volmer sich "formal" nichts vorzuwerfen hat, weil er die Nebentätigkeit korrekt angab. "Wir können ihn nicht fallen lassen, wenn er keine geschriebenen Regeln gebrochen hat", sagte ein Teilnehmer der heutigen Fraktionssitzung.
Drohungen per Interview
Auch wenn dies stimmt, müssen die Ober-Grünen Volmer zudem aus anderen Gründen schonen, glauben viele Beobachter. So verstanden viele - auch außerhalb der Grünen - Volmers Äußerungen vom Wochenende als offene Drohung. In einem Gespräch mit dem SPIEGEL hatte er die Verantwortung für den weitgehenden Visa-Erlass von sich auf den Außenminister Joschka Fischer erweitert. Auch seine ersten Andeutungen über eine scheinbar unabgestimmte Amtsführung im Ministerium, in dem er in führender Position kaum etwas mitbekommen haben will, verstanden viele als Auftakt für ein Abwälzen der Verantwortung auf Fischer im laufenden Untersuchungsausschuss.
Für den Moment haben die Grünen Volmer nun aus der Schusslinie genommen und ihm durch ihre öffentliche Einstimmigkeit den Rücken gestärkt. Doch schon bald werden CDU und CSU den Grünen im Untersuchungsausschuss hart angehen. Dabei werden sie genau wissen wollen, wie der Ex-Staatsminister plötzlich Berater der Bundesdruckerei wurde, die naturgemäß häufig millionenschwere Aufträge vom Auswärtigen Amt für Visa und andere Formulare bekommt.
Ein weiterer Schaden ist schon jetzt eingetreten. Durch Volmers Äußerungen ist aus dem so genannten "Volmer-Erlass", der eine leichtere Einreise von Ausländern nach Deutschland regelte, für die Union längst der "Fischer-Erlass" geworden. Das, so der eigentliche Plan, sollte verhindert werden.