Afghanistan-Evakuierungen Bundeswehr will Luftbrücke aus Kabul am Donnerstag beenden

Soldaten auf dem Flughafen von Kabul
Foto: Florian Gaertner / photothek / imago imagesDie Evakuierungsmission der Bundeswehr in Kabul soll nach SPIEGEL-Informationen schon am Donnerstag zu Ende zu gehen. Grund ist die immer schlechter werdende Sicherheitslage am Flughafen der afghanischen Hauptstadt, die es fast unmöglich macht, noch weitere Schutzbedürftige an den Airport zu bringen und auszufliegen.
Schon am Mittwoch gab es immer wieder konkrete Anschlagswarnungen für die Gebiete vor allen Toren des militärischen Teils des Airports. Befürchtet wurden Terrorattacken des »Islamischen Staats« (IS), dem es leicht möglich wäre, in den Menschenmassen von Ausreisewilligen eine Bombe zu zünden.
Deswegen konnten schon an diesem Mittwoch deutlich weniger Menschen in den Flughafen geholt werden, weil die internationalen Soldaten, darunter auch die in Kabul eingesetzten Deutschen, von den Gates abgezogen werden mussten. Auch Transporte von Ausreisewilligen mit Bussen aus der Stadt sind kaum mehr möglich, weil die Sammelpunkte inzwischen bekannt sind und dort wütende Mobs demonstrieren.
»Sehr häufig gefährliche Situationen«
Die deutsche Botschaft in Kabul warnte wegen der Terrorgefahr alle Ausreisewilligen vor der Fahrt zum Flughafen. »Es kommt sehr häufig zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen an den Gates. Dazu kommen aktuelle Terrorwarnungen«, heißt es in einem Schreiben an deutsche Staatsbürger vom Mittwoch. Der Zugang zum Flughafen sei kaum noch möglich, so die Warnung.
Deutschland orientiert sich bei der Entscheidung auch an anderen Staaten, die ihre Flüge ebenfalls bald beenden wollen. Als Letztes sollen die Fallschirmjäger und Mitglieder des Kommandos Spezialkräfte (KSK) am Donnerstag Afghanistan verlassen. Das KSK hatte in den letzten Tagen immer wieder erfolgreiche Operationen durchgeführt, bei denen kleinere Gruppen von besonders gefährdeten deutschen Staatsbürgern aus der Stadt in den Flughafen gelotst wurden.
Nach intensiven Kontakten mit den USA war eine Gruppe von rund einem Dutzend deutscher Staatsbürger in der Nacht zum Dienstag mit einem amerikanischen Helikopter von einem Sammelpunkt an den Flughafen gelangt. Auch diese Transporte werden aber wegen der angespannten Sicherheitslage immer schwieriger.
Hinzu kommt, dass die USA am 31. August alle ihrer rund 6000 Soldaten abziehen wollen, die derzeit den militärischen Teil des Flughafens absichern. Sowohl der Bundeswehr als auch den anderen Nationen, die derzeit Evakuierungsmissionen durchführen, wurde signalisiert, dass sie den Flughafen mindestens 48 Stunden vor dem kompletten Rückzug der USA vom Hindukusch verlassen müssen. Viele Optionen also blieben der Bundeswehr nicht mehr für eine Weiterführung der Rettungsflüge.
Die Luftwaffe hatte mit ihren A400M-Maschinen bis Mittwochabend mit 34 Flügen bisher 5193 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Darunter waren mehr als 3600 Afghanen, die meisten davon allerdings sind Afghanen mit einem deutschen Pass und nur wenige sogenannte Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder deutsche Entwicklungshilfeprojekte tätig waren.
Insgesamt wurden Menschen aus 45 Nationen von der Bundeswehr ausgeflogen. »Wir werden versuchen, bis wirklich zur letzten Sekunde und mit dem letzten Flieger auch zu evakuierende Personen mitzunehmen«, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).
Der Bundestag stimmte am Mittwoch nachträglich dem seit mehr als einer Woche laufenden Evakuierungseinsatz der Bundeswehr mit bis zu 600 Soldaten mit einer großen Mehrheit von 538 Stimmen zu. Es gab neun Gegenstimmen und 89 Enthaltungen. Union, SPD, FDP und Grüne stellten sich geschlossen hinter den Einsatz. Bei Linken und AfD gab es dagegen sowohl Ja- als auch Neinstimmen und Enthaltungen.
Die Taliban haben derweil in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zugesagt, dass Afghanen auch nach dem für den 31. August geplanten US-Truppenabzug das Land verlassen dürfen. Das twitterte der deutsche Verhandlungsführer Markus Potzel am Mittwoch nach Gesprächen mit dem Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar, Sher Mohammad Abbas Stanekzai.
Der Taliban-Vertreter versicherte laut Potzel, dass Afghanen mit gültigen Ausweisdokumenten nach dem 31. August weiterhin die Möglichkeit haben werden, mit kommerziellen Flügen auszureisen. Die Taliban bestätigten das in einer Mitteilung. Wie diese Personen jedoch ausreisen sollen, ist derzeit offen, da der zivile Flughafen nach einem Sturm von Tausenden Ausreisewilligen fast komplett zerstört und selbst die essenzielle Radaranlage nicht mehr zu retten sei.