Afghanistan-Debatte Bundeswehrverband kritisiert EKD-Ratsvorsitzende Käßmann

Erst empörten sich Politiker von Union und FDP, jetzt kritisiert auch der Bundeswehrverband die Afghanistan-Äußerungen von Margot Käßmann. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche habe mit ihrer Neujahrspredigt "neue Frustrationen für deutsche Soldaten" geschaffen.
Bischöfin Margot Käßmann: "Ich bin schockiert, was aus meiner Predigt gemacht wird"

Bischöfin Margot Käßmann: "Ich bin schockiert, was aus meiner Predigt gemacht wird"

Foto: Daniel Maurer/ AP

Hannover/Frankfurt am Main - Der Bundeswehrverband hat scharfe Kritik an Margot Käßmann geübt. "Es wäre besser gewesen, wenn Käßmann vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte", sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" über die Neujahrspredigt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Käßmanns Nein zum Afghanistan-Einsatz schaffe nur neue Frustrationen für deutsche Soldaten. Käßmann sei von der Position ihres Vorgängers Wolfgang Huber abgerückt. Dieser habe sich immer zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bekannt.

Auch die Bundesregierung ging auf Distanz zur Bischöfin. "Es gibt hier eine Meinungsverschiedenheit", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans am Montag in Berlin. "So wie andere Meinungen unseren Respekt haben, sollten auch diejenigen Respekt erfahren, die es sich ja mit einer Entscheidung für den Afghanistan-Einsatz nicht leicht gemacht haben oder nicht leicht machen."

"Eine perfide Unterstellung"

Käßmann hatte in ihrer Neujahrspredigt mit Blick auf den Einsatz kritisiert, alle Strategien hätten lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten Waffen einsetzen und Zivilisten getötet werden. Nötig seien "ganz andere Formen" der Konfliktbewältigung.

Käßmann trat am Montag der Kritik der vergangenen Tage entgegen: Sie habe nie den sofortigen Abzug der Bundeswehr gefordert, sagte sie der "Bild"-Zeitung. "Aber für unsere Kirche ist klar: Wir brauchen einen erkennbaren Plan für den Abzug". Führende Politiker von Union wie SPD hatten Käßmann Amtsmissbrauch und Populismus vorgeworfen.

"Immer mehr Militär zu schicken, ist doch offensichtlich keine Lösung und bringt keinen dauerhaften Frieden", sagte Käßmann weiter. Den Vorwurf, sie lasse die deutschen Soldaten im Stich, wenn sie als oberste Protestantin so predige, wies sie vehement zurück. "Das ist eine perfide Unterstellung. Ich bin schockiert, was so aus meiner Predigt gemacht wird", sagte sie.

Käßmann will sich nicht von Parteien vereinnahmen lassen

"Katholische wie evangelische Geistliche begleiten unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan beim Einsatz und auch danach. Wir sprechen mit Traumatisierten, und wir begraben die Toten, wenn sie nach Deutschland zurückkehren, und stehen ihren Angehörigen bei", betonte Käßmann.

Außerdem stellte sie klar, dass eine Predigt keine politische Erklärung sei. "Als Bischöfin stehe ich keiner Partei als Kronzeugin zur Verfügung", betonte sie.

In ihrer Neujahrspredigt hatte Käßmann laut Manuskript wörtlich gesagt: "Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut, von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen."

Westerwelle begrüßt Käßmanns Klarstellung

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte am Montag die Klarstellung. Käßmann wolle lediglich die zivile Komponente des Engagements in Afghanistan in den Vordergrund stellen. "Das entspricht genau auch meinem politischen Ansatz", sagte der FDP-Chef in Berlin.

Auch Westerwelle wandte sich gegen eine zu starke Fokussierung auf den militärischen Teil des Afghanistan-Einsatzes. "Die Debatte über die Afghanistan-Politik zu reduzieren auf Truppenstärken und militärische Strategien, das ist ein entscheidender Fehler, den wir nicht machen werden", sagte er. Der FDP-Chef bekräftigte, dass die Bundesregierung "in den nächsten Jahren" eine Abzugsperspektive für die deutschen Soldaten schaffen wolle. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, "mit der partiellen Übergabe der Verantwortung" an die afghanischen Behörden und Sicherheitskräfte schon in diesem Jahr zu beginnen.

hen/kgp/dpa/APD/ddp
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