Afghanistan-Mission Regierung informiert Bundestag nur lückenhaft
Als Wächter über die Armee müssten die Bundestagsabgeordneten besonders gut über die Afghanistan-Mission informiert sein. Die WikiLeaks-Enthüllungen belegen erstmals, wie unzureichend die deutsche Regierung die Parlamentarier über die Operation am Hindukusch unterrichtet.
Berlin - Es wurde gerade hell über dem nordafghanischen Kunduz am 26. April, als Mullah Mohammed Noor und seine Bodyguards aufbrachen. Nach dem Morgengebet war der gerade erst ernannte Taliban-Schattenkommandeur von Kunduz in einem Jeep in Richtung Nordwesten unterwegs. Aus Angst vor Checkpoints nahm er einen Feldweg. Die Vorsicht nutzte nichts. Ohne Vorwarnung traf 18 Kilometer von der Stadtgrenze eine lasergesteuerte Rakete den Geländewagen. Ein Feuerball stieg auf. Alle drei Männer waren sofort tot.
Der Vorfall in Nordafghanistan, eine der umstrittenen gezielten Tötungen durch die US-Armee, war aus Sicht der Jäger ein Erfolg. Nur Stunden später teilte die gemeinsame Kommandostelle mit: "Ein wichtiger Kommandeur der Aufständischen für die Provinz Kunduz wurde am Morgen gemeinsam mit zwei seiner Vertrauten durch einen Präzisionsschlag aus der Luft getötet". Als Begründung wird angegeben, Noor sei "in alle Aspekte" der Taliban-Operationen verwickelt gewesen.
Wenige Monate später ging es Tausende Kilometer entfernt im Berliner Verteidigungsministerium um Aktionen wie jene im April. Streng geheim, selbst Notizen anzufertigen war verboten, informierte Generalinspekteur Volker Wieker in einem fensterlosen und abhörsicheren Konferenzraum die Obleute des Verteidigungs- und Außenausschusses über "Operationen von US-Spezialeinheiten". 20 Mal, erläuterte Wieker, hätten diese von April bis Juni Missionen im Raum Kunduz durchgeführt. Elf dieser klandestinen Operationen sollen laut den Bundeswehrstatistiken im April stattgefunden haben.
Die Eliminierung von Mohammed Noor jedoch fehlte in dem Schaubild, das die Operationen der Amerikaner mit dunklen Rauten auf einer Zeitleiste markierte. Stattdessen führte Wieker aus, die US-Spezialeinheiten, maßgeblich die berüchtigte Task Force 373, die mittlerweile unter dem Signet 3-10 agiert, hätten durch ihre zahlreichen Festnahmen eine "Schwächung der Führungsriege der Taliban" erreichen können. Nur kurz erwähnte Wieker, dass auch einige wenige Kämpfer ums Leben gekommen seien, quasi am Rande der Zugriffe.
Dieser Vorgang ist aus Sicht kritischer Parlamentarier exemplarisch für die skandalöse Informationspolitik der Bundesregierung. Seit Jahren bemängeln Fachpolitiker aus den einschlägigen Ausschüssen, aber auch ganz normale Bundestagsmitglieder, dass sie über die Afghanistan-Mission der Bundeswehr, über die Lage der Gesamt-Mission von nunmehr fast 120.000 internationalen Soldaten am Hindukusch und die allgemeine Situation in Afghanistan nur unzureichend informiert sind.
Denn im Gegensatz zu anderen Armeen innerhalb der Schutztruppe Isaf ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee, die jedes Jahr vom Bundestag einen neuen Marschbefehl, das Mandat für die Afghanistan-Mission, bekommen muss. Auch wenn die schwarz-gelbe Regierung, allen voran Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), viel getan hat in Sachen Transparenz des Einsatzes und einer klareren Sicht auf die Realität, ist die Information der Entscheider über die Mission weiter lückenhaft.
- 1. Teil: Regierung informiert Bundestag nur lückenhaft
- 2. Teil: Angriffe auf afghanische Polizei und Armee werden weggelassen