Röttgen kritisiert Afghanistan-Politik »Einfach nichts gemacht«

Norbert Röttgen
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Wie konnte es zum Chaos in Afghanistan nach dem Sieg der Taliban kommen? Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisiert die Bundesregierung: Diese hätte rechtzeitig mit den europäischen Partnern überlegen müssen, was die Optionen seien, um die fatalen Folgen der amerikanischen Fehlentscheidung für den Abzug abzumildern, sagte Röttgen der »Zeit«.
Statt den USA hinterherzutrotten, hätten die Europäer der afghanischen Regierung »wenigstens mit Rat, Logistik und Material zur Seite stehen können«. Die Briten hätten die anderen Europäer gedrängt, mehr zu tun, aber »so haben wir einfach nichts gemacht«, wird Röttgen zitiert.
Angesichts des Chaos bei der Rettung Deutscher sowie einheimischer Ortskräfte aus Afghanistan verlangte Grünenchef Robert Habeck eine lückenlose Aufklärung gemachter Fehler. »Die Aussagen der Bundesregierung, niemand habe vor der Situation gewarnt, wecken ernsthafte Zweifel«, sagte Habeck der »Rheinischen Post«. Die Verantwortung trügen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung.
Vor Beginn einer Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses sagte Röttgen: »Es ist ein menschliches Drama und eine Katastrophe, es ist eine politische Katastrophe, es ist ein moralisches Scheitern des Westens.« Die geostrategischen Auswirkungen seien noch gar nicht überschaubar. »Es ist eine Zäsur, die wir erleben, die alles ergreift und betrifft – vom individuell Menschlichen bis zur Weltlage«, sagte Röttgen, der Vorsitzender des Gremiums ist.
Auf die Machtübernahme der Taliban »hätte man sich vorbereiten können und müssen«, selbst wenn die Geschwindigkeit möglicherweise nicht absehbar gewesen sei, kritisierte Habeck. Er verwies darauf, dass die Grünen bereits im Juni im Bundestag auf eine einfachere Aufnahme afghanischer Ortskräfte gedrängt hatten, was damals von Union und SPD zurückgewiesen wurde. Außenminister Heiko Maas (SPD) habe zudem nicht einmal Warnungen des eigenen Botschaftspersonals in Kabul ernst genommen.
In einer früheren Version hieß es, der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir habe Außenminister Heiko Maas im Deutschlandfunk vorgeworfen, dieser habe »das größte außenpolitische Desaster seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland« zu verantworten. Dieses von der Nachrichtenagentur AFP verbreitete Zitat stammt jedoch vom FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der es zur »Rheinischen Post« sagte.