AKW Neckarwestheim Gabriel weist Unions-Forderung nach längerer Laufzeit zurück
Berlin - "Wir müssen eine vergleichende Sicherheitsanalyse machen", sagte Sigmar Gabriel heute. Diese Analyse stehe zunächst an.
Der Minister warnte ebenso wie Grünen-Chef Reinhard Bütikofer davor, den Atomausstieg in Frage zu stellen. Der Energiekonzern EnBW hatte gestern bei Gabriel beantragt, das ältere Atomkraftwerk Neckarwestheim I länger am Netz zu lassen als im Atomkonsens vereinbart. Dafür solle die Laufzeit des jüngeren Meilers Neckarwestheim II verkürzt werden.
Gabriel sagte, die Probleme von Atommeilern wie Forsmark in Schweden kämen dadurch zu Stande, dass nach einigen Jahren Veränderungen vorgenommen würden, die mitunter nicht zur früheren Konzeption passten. "Dann entstehen Störfälle." In Schweden waren im Juli bei dem vom Vattenfall-Konzern betriebenen Reaktor Forsmark nach einem Notstopp zwei Notstromaggregate nicht wie vorgesehen angesprungen. Die Behörden legten nach Bekanntwerden des Unfalls den Reaktor und drei Reaktoren gleicher Bauart für zum Teil mehr als drei Monate lang still.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer (CDU), forderte den Umweltminister dazu auf, dem EnBW-Antrag zuzustimmen. "Vor dem Hintergrund der Klimaentwicklung und der Kohlendioxid-Minderungsauflage ist eine Abschaltung von sicheren Kraftwerken unverantwortlich", sagte er der "Welt". Der Antrag liege damit im Interesse "der Arbeitnehmer wie der Verbraucher". Zuvor hatten mehrere andere Unionspolitiker sich für eine längere Laufzeit ausgesprochen.
Gabriel hatte EnBW ein einseitiges Aufkündigen des Atomausstiegs vorgeworfen. Zuvor hatte bereits der Energiekonzern RWE einen Antrag auf Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Biblis A in Hessen gestellt. Die Übertragung von Restlaufzeiten neuerer Kraftwerke auf ältere ist laut Atomkonsens theoretisch möglich. Dazu ist aber eine besondere Genehmigung mit Sicherheitsprüfung der betreffenden Atomkraftwerke nötig. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zählt zu den Befürwortern längerer Laufzeiten. Die Entscheidung über die Übertragung von neueren auf ältere Kraftwerke muss Gabriel im Einvernehmen mit Glos und dem Kanzleramt treffen.
Bütikofer warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, die Atomindustrie zu längeren Laufzeiten zu ermutigen. "Der Kanzlerin vertraue ich nicht", sagte Bütikofer. "Sie hat dem Unsinn, den die Energie-Oligopole veranstalten, das Wort geredet." Die CDU-Chefin hält den vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie für verfrüht. Als Kanzlerin betont sie aber immer wieder, dass der Koalitionsvertrag von Union und SPD gelte, der den unter der rot-grünen Bundesregierung mit der Wirtschaft vereinbarten Atomausstieg bis 2020 erneut festgeschrieben hat. Die SPD lehnt ein Rütteln daran strikt ab.
Der EnBW-Antrag sei ein Versuch, den Atomausstieg zu unterlaufen, so Bütikofer. "In Wirklichkeit spekuliert EnBW darauf, eine Erpressungssituation herbeizuführen", sagte der Grünen-Chef heute in Berlin.
Er verwies darauf, dass der EnBW-Vorschlag darauf hinauslaufe, dass 2017 zwei Atommeiler abgeschaltet werden müssten. Es werde aber vermutlich nicht möglich sein, zwei Akws vom Netz zu nehmen, ohne die Stromversorgung zu gefährden. Bütikofer warf EnBW-Vorstandschef Utz Claassen Trickserei und Wortbruch vor.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim I bei Heilbronn müsste nach dem bisherigen Fahrplan für den Atomausstieg Ende 2008 vom Netz genommen werden. EnBW will es rund acht Jahre länger laufen lassen. Dafür soll Neckarwestheim II nicht 2021 abgeschaltet werden, sondern den Betrieb gleichzeitig mit Neckarwestheim I einstellen.
hen/dpa/Reuters