AfD-Hetze Herr Gauland und die Entsorgung

Alexander Gauland (Archiv)
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Thomas Fischer, geboren 1953 in Werdohl (NRW), war Vorsitzender Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, ist Autor des Standard-Kommentars zum Strafgesetzbuch und Verfasser zahlreicher Kolumnen, in denen er sich mit Fragen des Strafrechts beschäftigt.
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat das Strafverfahren gegen Herrn Dr. Alexander Gauland aus Potsdam wegen Volksverhetzung am 14.5.2018 eingestellt, weil Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Anklage nicht bestehe (§ 170 Abs. 2 StPO). Das ist für den Beschuldigten ein schönes Ergebnis, für die Anzeigeerstatter - zu denen ich selbst gehöre - nicht. [KS1] Das ist an sich nicht dramatisch, und mit Enttäuschungen aus dem Munde der Justiz muss der Bürger leben wie mit Freuden. Die Sache ist hier aber einer etwas näheren Würdigung wert, weil die Begründung der Einstellungsverfügung auf ein allgemeines Problem bei der Anwendung strafrechtlicher Vorschriften auf politisch motivierte öffentliche Äußerungen verweist. [KS2]
Im Eichsfeld
Am 26.8.2017 erwähnte Gauland bei einer öffentlichen Wahlkampfveranstaltung der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) eine Äußerung der Bundestagsabgeordneten und damaligen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoguz. Diese hatte im Rahmen eines längeren Interviews mit der Zeitung "Tagesspiegel" den Satz gesagt:
"Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar."
Gauland sagte dazu:
"Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie nie wieder her. Und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können."
Beifall und Jubelrufe der Zuschauer (einschließlich Mitglieder des Vorstands der AfD). Kurz danach Gauland zur Immigration:
"Früher hätte man das Invasion genannt, wie eine schleichende Landnahme. Und dieser schleichenden Landnahme müssen wir alle geschlossen widerstehen."
Wiederum Jubel; Sprechchöre.
Nachdem über seine eichsfeldsche Entsorgungsfantasie berichtet wurde, erklärte Gauland am 28.8.2017 gegenüber der Zeitung "Junge Freiheit":
"Ich hätte das Wort 'Entsorgen' nicht verwenden sollen. Inhaltlich stehe ich aber zu meiner Aussage. Frau Özoguz hat weder etwas in der Bundesregierung verloren noch in Deutschland."
Die Volksverhetzung
§ 130 Abs. 1 StGB lautet:
Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert
oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Manche denken, dass jede Strafdrohung gegen Meinungsäußerungen verfehlt sei, weil die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) vorgehe. Wenn jemand aber an ihre Fassade schreibt: "Hier wohnt ein Nazi/ Jude/ Grüner/ Türke/ Moslem/ Schwuler/ Christ - Tötet ihn!", ändern sie ihre Ansicht - jedenfalls, soweit sie selbst betroffen sind.
§ 130 StGB schützt den "Öffentlichen Frieden". Das sei "ein Zustand der Sicherheit und das Gefühl der Bevölkerung davon", sagt die "herrschende Meinung". Natürlich werden weder der "Zustand" noch das "Gefühl" je gemessen, festgestellt oder "bewiesen". Es geht daher um eine "normative", also wertende Sache: Um ein Minimum an kommunikativer Freiheit, das uns, unter der Geltung des Grundgesetzes, als substanziell und existenziell erscheinen soll.
Wer die Gleichheit der Menschen und/oder die Freiheit von Meinungsäußerung und/oder Religionsausübung zu den existenziellen Bedingungen der sozialen Gemeinschaft zählt, kann nicht zulassen, dass öffentlich dazu aufgerufen wird, "Christen" zu töten, "Ostdeutsche" zu benachteiligen, Staatsbürger mit ethnisch unliebsamen "Wurzeln" auszubürgern oder als Feinde zu behandeln. Das ist der Boden, auf dem - mühsam genug - gewachsen ist, was wir als menschenwürdige Zivilisation definieren. Herr Gauland weiß das.
Kurze Subsumtion
Teil der Bevölkerung: "Das sagt eine Deutschtürkin", sagte Gauland, und "Wir" im Eichsfeld jubelten. Sie wussten also, was gemeint und was "eine Deutschtürkin" von "Deutschdeutschen" oder und "Türkischtürken" unterscheidet, so dass man sie aus der Bevölkerung Deutschlands herausfiltern kann. Frau Özoguz wurde also in ihrer Eigenschaft als Mitglied einer "ethnisch bestimmten Gruppe der Bevölkerung" im Sinne von § 130 StGB angesprochen.
Nr. 1: Aufforderung zu Gewalt oder Willkür?
"Sagt ihr, was deutsche Kultur ist. Dann kommt sie nie wieder her", ist ziemlich nah dran an Gewalt. Denn warum sollte sie "nie wieder herkommen"? Eine andere Möglichkeit als Gewalt oder Angst vor Gewalt ist kaum denkbar.
Wie auch immer: "Werden wir sie bald ... in Anatolien entsorgen können." Anatolien ist ein Teil der Türkei. Özoguz ist deutsche Staatsangehörige. Deutsche Staatsangehörige darf der deutsche Staat weder in Anatolien noch sonstwo im Ausland "entsorgen"; das verbietet Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden." Eine deutsche Staatsangehörige aus Deutschland zu entfernen, geht daher ausschließlich mit rechtsstaatswidrigen Willkürmaßnahmen: Entziehung der Staatsbürgerschaft; "Ausbürgerung" (siehe DDR). Zu verlangen, dass "wir" - die an die Macht fantasierte AfD - die deutsche Staatsangehörige Özoguz wegen des ethnischen Hintergrunds ihrer Familie "Gott sei Dank" aus Deutschland "entsorgen", ist eine unmissverständliche Aufforderung zu Willkürmaßnahmen gegen die Person als Repräsentantin einer Bevölkerungsgruppe. Damit wird die Gruppe der "Deutschtürken" unter den Vorbehalt minderen Staatsbürgerlichen Rechts wegen eines Merkmals gestellt, dessen Heranziehung Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich verbietet.
Nr. 2: Menschenwürde-Verletzung?
Die Maßnahme, die Gauland "Gott sei Dank" bald treffen zu können hofft, besteht darin, die deutsche Staatsangehörige nach "Anatolien" zu bringen und aus Deutschland zu entfernen. Das erklärte sich ausschließlich mit der ethnischen Herkunft der Betroffenen, ist also grundgesetzwidrig. Özoguz hatte sich weder zur Türkei noch zu "Deutschtürken" noch zu "Anatolien" geäußert. Sie hatte in einem längeren Zusammenhang eine - nicht unplausible - Meinung zum Begriff der "deutschen Kultur" geäußert. Man darf diese Meinung ohne Zweifel haben und äußern, sie griff weder den Abgeordneten Dr. Gauland noch sonst irgendwen an, so dass es auf irgendein "Recht zum Gegenschlag" nicht ankam.
Anatolien ist jener Teil der Türkei, der nicht zu Europa, sondern zu Asien gehört. Herr Dr. Gauland weiß das. Eine Vielzahl von Menschen in Deutschland assoziiert "Anatolien" überdies mit der Vorstellung von einem "rückständigem Gebiet". Jemanden "in Anatolien entsorgen" zu wollen verweist daher nicht neutral auf eine geografische Bezeichnung, sondern ist eine ausdrückliche symbolische Ausgrenzung, Herabsetzung und Verächtlichmachung. Die deutsche Staatsbürgerin Özoguz wegen einer angeblich "falschen" Meinung "in Anatolien entsorgen" zu wollen, weil sie "Deutschtürkin" sei, beschreibt den Vorgang, eine störende, "überflüssige" Person minderen Rechts dorthin zu verbringen, wo sie "hingehört" - an einen rückständigen Ort außerhalb Europas. Diese Zielformulierung Gaulands ging über die ethnische Anknüpfung "Deutsch-Türkin" damit noch hinaus und wies die Betroffene einem Entsorgungsziel zu, das ausdrücklich nicht (nur) "türkisch" ist, sondern die Betroffene aus dem europäischen Lebens- und Kulturkreis entfernen sollte.
Diese abwertende, rassistische Konnotation wurde von Gauland kombiniert und verstärkt mit dem Begriff des "Entsorgens". Umgekehrt enthielt hierdurch auch dieser Begriff eine spezifische Bedeutung. All das stellte einen Angriff auf die Menschenwürde der Betroffen Özoguz dar und erfüllte daher die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Meinungsfreiheit
Art. 5 Abs. 1 und 2 Grundgesetz lauten (auszugsweise.):
"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (...) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (...)."
Das ist, bei Licht und Verstand betrachtet, ziemlich großartig. Es bedeutet, dass Frau Ö. eine Meinung äußern darf, und Herr G. auch, dass sie sich aber in einem gemeinsamen Rahmen treffen müssen, der beides möglich macht und ein friedliches Zusammenleben ohne Gewalt, Bedrohung und Angst garantiert. Das "allgemeine Gesetz", von dem Art. 5 GG spricht, ist hier § 130 StGB: Man darf nicht die "Meinung" öffentlich äußern, dass alle AfD-Wähler oder alle Deutschtürken umgebracht, deportiert, ausgewiesen oder sonst als Personen minderen Rechts behandelt werden sollten, weil sie so sind, wie sie sind. § 130 StGB erweitert dies auf solche Fälle, in denen einzelne Personen "als Repräsentanten" solcher Gruppen angegriffen werden.
Die StA Mühlhausen hat zutreffend ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich geboten, Gaulands Äußerungen im Lichte der Meinungsfreiheit zu deuten.
Die konkrete Ausführung dieser Aufgabe liest sich in der Einstellungsverfügung so:
"Bei der (Ermittlung der für den Beschuldigten günstigsten Deutungsmöglichkeit) ist der politische Kontext der Äußerung zugrunde zu legen. Mit seiner Aussage im Rahmen einer politischen Wahlkampfveranstaltung reagiert der Beschuldigte konkret auf die oben angegebene generalisierende Bewertung der Integrationsbeauftragten zum Thema des Vorhandenseins spezifisch deutscher Kultur und wandte sich gegen die dort vorgenommene und objektiv in der öffentlichen Diskussion diskursfähige Feststellung deren Fehlens. Damit muss zugunsten des Beschuldigten davon ausgegangen werden, dass sich seine Ausführungen nicht gegen die Person der Integrationsbeauftragten, sondern gegen die von dieser vertretene soziokulturelle These richten."
Dieses Beispiel der Auslegungskunst ist bemerkenswert, weil es jede "Auslegung", also Auswertung und Interpretation des Wortlauts im kommunikativen Kontext, schon von vornherein verweigert. Die Staatsanwaltschaft zitiert ein paar Formelsätze aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aus denen sich ergibt, dass Äußerungen im Rahmen politischer Auseinandersetzung unter einem besonderen Schutz des Art. 5 GG stehen, wenn und weil sie (politische) Meinungen betreffen und nicht (allein) auf persönliche Schmähkritik abzielen. Bei mehrdeutigen Äußerungen muss - zugunsten des Beschuldigten - eine Deutung zugrunde gelegt werden, die günstig ist; es darf eine zur Strafbarkeit führende Deutung nur vorgenommen werden, wenn sich realistische andere Deutungen ausschließen lassen.
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass willkürlich irgendwelche Fantasie-"Deutungen" vorgenommen werden müssten oder dürften, die weder im Wortlaut noch im Kontext eine Grundlage finden und den Inhalt einer Äußerung so verdrehen, dass "zugunsten" des Beschuldigten nichts mehr vom Gemeinten übrig bleibt. Zur Meinungsfreiheit zählt auch das Recht, mit dem Inhalt von Äußerungen ernst genommen zu werden. Und "In dubio pro reo" bedeutet auch verfassungsrechtlich nicht, dass man Zweifel konstruieren soll, sondern ist eine Regel darüber, wie man zu entscheiden hat, wenn vernünftige Zweifel vorliegen. Wer sagt "Juden gehören ausgewiesen", dem muss (und darf) man nicht unterstellen, er habe damit nur ausländische Juden ohne Aufenthaltstitel gemeint. Und wer sagt, dass "Deutschtürken in Anatolien entsorgt" werden sollen, dem darf man nicht unterschieben, er habe damit eine soziokulturelle These gemeint.
Aus den allgemeinen Grundsätzen des BVerfG ergibt sich im Übrigen nicht schon die Lösung des jeweils konkreten Falles; vielmehr muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen der genannten Konstellation vorlagen: Welche Deutungsmöglichkeiten gab es? War die Äußerung Gaulands überhaupt "mehrdeutig", und wenn ja, wie? Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen sagt dazu nichts. Sie bricht die Auslegung ab, bevor sie überhaupt begonnen hat, und behauptet apodiktisch, "damit" (?) müsse (!) angenommen werden, Gauland habe sich "nicht gegen die Person" geäußert.
Das ist keine Auslegung, sondern deren schlichte Verweigerung. Tatsächlich hat Gauland sich mit der "These" Özoguz' ja gar nicht beschäftigt; ihre Äußerung war für ihn nicht Gegenstand von Äußerungen zur Sache, sondern allein Anlass und Motiv, sich - ausschließlich - zur Person zu äußern. Ihre "These" stand in keinerlei inhaltlicher Verbindung mit der ethnischen Herkunft, mit der Türkei, Anatolien oder dem Entsorgen deutscher Staatsbürger im Ausland. Inhalt von Gaulands Äußerung waren nicht etwa (scharfe, polemische, sachliche) Argumente gegen die "These", sondern allein eine radikale, rassistisch begründete Ausgrenzung der Betroffenen Özoguz, der ein Äußerungs- und Bleiberecht in Deutschland entzogen werden solle.
Die Konstruktion der Staatsanwaltschaft Mühlhausen stellt "These" und Aufforderung zum "Entsorgen in Anatolien" nebeneinander, als handle es sich um wechselbezügliche Argumente einer politischen Auseinandersetzung. Das ist hanebüchen, denn die "These" betraf Gauland gar nicht, während seine "Antwort" allein darin bestand, zu behaupten, "Deutschtürken" mit solcher Ansicht solle die Staatsbürgerschaft entzogen und sollten die Bürgerrechte aberkannt werden.
Umgang mit Hetze
Der argumentative Trick, mit welchem die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die Einstellung begründet, besteht somit darin, die rassistische, allein auf die Person als Repräsentantin einer ethnisch definierten Gruppe gerichtete Aufforderung zu Willkürmaßnahmen umzudeuten in einen "allgemeinen" Diskussionsbeitrag zu einem interessanten ("diskursfähigen") politischen Thema. Das verfehlt den Kern der Sache und nimmt das Ergebnis vorweg, bevor eine ernsthafte Prüfung überhaupt stattfindet.
Es ist dies nicht einmalig und auch kein Spezifikum des konkreten Falls. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, aber auch der ordentlichen Gerichte, zu Äußerungsdelikten ist unüberschaubar. Sie befasst sich in den allermeisten Fällen allerdings nicht mit Volksverhetzung, sondern mit Verfahren wegen Beleidigungsdelikten (§§ 185 ff. StGB), die ihrer Natur nach gegen Personen gerichtet und nur zu einem kleinen Teil "politisch" motiviert sind. Der Tatbestand der Volksverhetzung wird dagegen fast nie ohne Bezug zu politischen Themen verwirklicht. Daher kann die Rechtsprechung zur Beleidigung und zum "Gegenschlag" nicht unbesehen auf § 130 StGB übertragen werden, denn wenn jede politisch konnotierte volksverhetzende Äußerung ohne weitere Prüfung mit dem strafbefreienden Segen des "politischen Diskurses" versehen würde, hätte der Tatbestand praktisch keinen Anwendungsbereich mehr.
Die ausufernde Einzelfalls-Rechtsprechung des BVerfG zu Äußerungsdelikten der Beleidigungstatbestände hat eine Vielzahl von - gelegentlich schablonenhaft wirkenden - Formeln hervorgebracht, die allesamt abstrakt richtig und bedeutend sind, jedoch kaum noch ernsthafte Orientierung im Konkreten erlauben. Sie können von Staatsanwaltschaften, Gerichten und Verteidigern daher äußerst frei "angewendet" werden, um ein jeweils "passend" oder opportun erscheinendes Ergebnis zu begründen. Jedes beliebige Ergebnis lässt sich unschwer mit ein paar Zitaten aus verfassungsgerichtlichen Entscheidungen aufhübschen.
Demokratie ist in besonderem Maß auf freie Kommunikation und den Austausch von Meinungen angewiesen. Daher müssen die Bedingungen einer freien Kommunikation vom Staat dagegen gesichert werden, durch Gewalt, Einschüchterung oder Drohung zerstört zu werden. In Deutschland ist, zuletzt vor allem unter dem Einfluss des rechtsgerichteten Populismus, eine starke Radikalisierung der Kommunikation eingetreten; sie wird vielfach verstärkt durch die Bedingungen des Internet. Eine solche Radikalisierung des öffentlichen Sprechens ist hochgefährlich, wenn sie die Bedingungen freier Meinungsäußerung und friedlichen Zusammenlebens selbst aushöhlt und Bevölkerungsgruppen von Menschen- oder Bürgerrechten ausschließen will. Vor allem auch Sprecher der Partei AfD unternehmen dies gezielt und provokativ, indem sie "Stimmungen" erzeugen, sprachliche und gedankliche Gewöhnungen herstellen und ein radikalisiertes Publikum mit Aussichten auf "Maßnahmen" anheizen, die von einer Macht namens "Wir" angeblich bald durchgeführt werden sollen und können.
Strafrechtliche Verfolgung von Meinungsäußerungen ist gewiss nicht das erste oder gar wichtigste Mittel, um dem entgegenzutreten. Sie aber praktisch einzustellen oder auf ein paar wenige Modellfälle (insbesonders antisemitische Hetze) zu beschränken, ist nicht sinnvoll und wird der Sache inhaltlich nicht gerecht. Der demokratische Rechtsstaat darf sich nicht lächerlich machen. Gauland und andere Protagonisten einer entfesselten Hetze formulieren nicht zufällig, unbedacht oder in Verwirrtheit. Sie kennen die Grenzen und überschreiten sie gezielt. Man sollte sie ernst nehmen.