Politische Wochenschau Brexit - und sonst so?

Das Briten-Referendum ist wichtig, sehr wichtig. Darüber hinaus gibt es aber viele interessante Themen, Gesetze und Debatten. Was Sie gerade nicht verpassen sollten - der Überblick.
Angela Merkel, Horst Seehofer

Angela Merkel, Horst Seehofer

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Die deutsche Politik befindet sich diese Woche in einer luxuriösen Situation: Kaum jemand beachtet sie. Ausnahmsweise liegt das nicht nur an einem größeren Fußballevent, sondern am Zitterreferendum in Großbritannien. Alle warten auf die Entscheidung der Briten über ihren Platz in der EU (hier lesen Sie alles - aber wirklich alles - zum möglichen Brexit).

Dabei läuft im Bundestag gerade die spannendste Zeit des Jahres. Kurz vor der Sommerpause gibt es heftige Debatten, außerdem stehen mehrere Projekte der Großen Koalition vor ihrem Abschluss.

Das Parlament erlebt eine Art "Freaky Friday", weil gleich drei Riesengesetze an einem Tag verabschiedet werden. Außerdem gerät Innenminister Thomas de Maizière (CDU) unter Druck - selbst der Koalitionspartner SPD kritisiert ihn inzwischen für seine Falschaussagen in der Flüchtlingskrise. Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen sich hingegen bei Temperaturen über 30 Grad versöhnen.

Was diese Woche wichtig war, ist und wird - der Überblick.


Thomas de Maizière erklärt 70 Prozent

Thomas de Maizière

Thomas de Maizière

Foto: Soeren Stache/ dpa

Wenn die Opposition einen Minister unter Druck setzen will, tut sie das in der Aktuellen Stunde. In 65 Minuten wird das Skandälchen der Woche seziert, dieses Mal: Warum verbreitet Thomas de Maizière (CDU) falsche Zahlen in der Flüchtlingskrise? Der Innenminister hatte behauptet, 70 Prozent der männlichen Asylbewerber unter 40 Jahren würden vor einer Abschiebung krankgeschrieben - ohne statistische Grundlage.

Grünen und Linke rufen nun nach Rücktritt. "Sie sind als Innenminister nicht mehr tragbar", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag. "Sie setzen Dinge in die Welt, Sie können sie nicht belegen, das ist dreist." De Maizière räumte Fehler ein: "Ich hätte einen Prozentsatz so nicht nennen sollen", sagte der Innenminister. Tatsache sei: "Es gibt Probleme mit Krankschreibungen von Ausreisepflichtigen." Diese würden durch Leugnen oder Kleinreden nicht weniger.

Zurücktreten wird de Maizière wohl nicht. Aber er gerät auch von Seiten des Koalitionspartners unter Druck, die SPD kritisierte ihn in der Debatte heftig.

Das nächste Anti-Terror-Paket kommt

Der Bundestag verschärft am Freitag mehrere Sicherheitsgesetze. Die Anschläge in Brüssel und Paris hatten offenbart, wie schlecht die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa funktioniert. Das will Deutschland nun ändern - trotz offener Fragen. So gibt es etwa Bedenken, ob Nachrichtendienste und Polizei personenbezogene Daten austauschen sollten. Aktivisten mahnen, genau dafür lege das Gesetz den Grundstein. Die Datenschutzbeauftragte des Bundes kritisiert, das Paket werde eilig durchs Parlament gedrückt.

Das neue Gesetz soll außerdem dem Verfassungsschutz erlauben, schon 14-Jährige zu beobachten. Bislang durfte die Behörde Daten von 14- und 15-Jährigen nur in Ausnahmefällen sichern. Auch sollen Handybesitzer künftig beim Kauf von Prepaidkarten ihren Personalausweis vorlegen müssen. Damit will man anonymes Telefonieren von Terroristen unterbinden.

Deutschland will "Fracking light"

Nach einem Jahr Streit beschließt der Bundestag am Freitag ein Fracking-Gesetz. Mit der Methode gewinnt man Erdöl und Erdgas, dabei wird Gestein mit hohem Druck aufgebrochen, dann wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Eine Handvoll Tests ist künftig in Deutschland erlaubt. Der Rest wird verschärft oder verboten. Ob Konzerne ins lukrative Fracking-Geschäft einsteigen dürfen, entscheidet der Bundestag 2021.

Firmenerben werden anders besteuert

SPIEGEL ONLINE

Ebenfalls am Freitag geht die Reform zur Erbschaftsteuer durch den Bundestag. Bisher mussten Unternehmenserben unter bestimmten Umständen kaum Steuern zahlen. Das Bundesverfassungsgericht verlangte schärfere Vorgaben - das wird nun zum Teil umgesetzt. Warum das Gesetz ein Lobbyerfolg für Familienunternehmer ist, erklärt SPIEGEL-ONLINE-Redakteur David Böcking im Video.

Türkei-Spannungen könnten Konsequenzen haben

Deutschlands Beziehungen zur Türkei sind weiter sehr angespannt. Aktuell beharrt Ankara auf einem Besuchsverbot für deutsche Politiker. Eine Delegation aus Berlin darf nicht zu deutschen Soldaten an der türkischen Grenze reisen. Erste Abgeordnete fordern Konsequenzen: So gibt es etwa den Vorschlag, Unterstützung für die Türkei durch die Bundeswehr einzuschränken.

Der Bundestag hatte die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich kürzlich zu einem Völkermord erklärt. Mehrere türkischstämmige Bundestagsabgeordnete werden seitdem bedroht, der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigte sie persönlich.

Zumindest der Verband der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) scheint an Entspannung kaum interessiert - er warnt vor einem dauerhaften Schaden für die Integration. Außerdem brachte Erdogan ein Referendum über eine Fortsetzung von EU-Beitrittsgespräche ins Spiel.

Versöhnungstreffen bei 35 Grad

Horst Seehofer, Angela Merkel

Horst Seehofer, Angela Merkel

Foto: Peter Kneffel/ dpa

Frieden zwischen Angela und Horst! Oder so ähnlich. Freitag und Samstag treffen sich die Spitzen von CDU und CSU inmitten der Potsdamer Fluss- und Seenlandschaft, um an Themen wie "Europas Rolle in der Welt" und "Zusammenhalt der Gesellschaft" zu arbeiten. CSU-Chef Horst Seehofer, zuletzt schärfster Kritiker von Kanzlerin Angela Merkel, reist mit guten Vorsätzen an. Rein wettertechnisch sollen die Temperaturen schwitzig werden. Vielleicht hält die Harmonie ja trotzdem. Zumindest ein paar Tage.

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