Wulff beim Glaeseker-Prozess Bekenntnisse eines jungen Altbundespräsidenten

Ex-Bundespräsident Wulff: Wenn es um konkrete Erinnerungen ging, verließ ihn zuverlässig sein Gedächtnis
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaMehr als vier Stunden saß der Ex-Bundespräsident schon im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hannover, da wurde der Widerspruch noch einmal offensichtlich. Richterin Renata Bürger wollte von dem prominenten Zeugen genau wissen, was Wulff von der Sponsorensuche seines Sprechers für die Promiparty "Nord-Süd-Dialog" des Managers Manfred Schmidt gewusst hat. Die Feier sei im Interesse des Landes gewesen, versicherte der, deshalb sei das völlig in Ordnung gewesen.
"Das verstehe ich nicht ganz", zeigte sich die Richterin erstaunt. In seiner früheren Vernehmung durch Polizei und Staatsanwaltschaft habe er doch ausgesagt, er sei gegen eine aktive Sponsorensuche aus der Staatskanzlei gewesen. Wie das denn zusammenpasse?
Er habe damals nur gemeint, dass er selbst keine "Bettelbriefe" an Unternehmen schreiben wolle, erläuterte Wulff. Das heiße aber ja nicht, dass Glaeseker nicht in seinem, Wulffs, Namen Geld habe sammeln dürfen. Er selbst habe ja auch Unternehmen um Unterstützung gebeten. Solche Widersprüche waren gleich mehrere zu hören in Wulffs mit Spannung erwarteter Aussage.
Vor gut zwei Wochen war Glaeseker an gleicher Stelle als Zeuge im Korruptionsverfahren gegen Wulff aufgetreten - und hatte seinen früheren Chef vor allem mit vielen Erinnerungslücken entlastet. Nun versuchte Wulff erkennbar, seinem ehemals engsten Mitarbeiter den gleichen Dienst zu erweisen.
Für Wulff war die Mission freilich deutlich heikler als für Glaeseker. Wulff nämlich steckt in einer juristischen Klemme. Er hatte nämlich in einer fast dreistündigen Vernehmung im Juni 2012 seinen früheren Sprecher noch schwer belastet, womöglich um nicht in das Verfahren gegen Glaeseker hineingezogen zu werden. Die Sponsorensuche sei nicht in seinem Sinne gewesen, so Wulff damals, von Urlauben, die Glaeseker auf Einladung von Schmidt in Südfrankreich und Spanien gemacht habe, wisse er nichts. Und davon, dass Glaeseker nicht bezahlt habe, schon gar nichts.
Verletzter Stolz
Nachdem mehrere Zeugen in dem Verfahren nun aber bestätigt hatten, dass dies so nicht der Wahrheit entsprechen könne, war klar, dass Wulff seine Aussage nicht aufrechterhalten konnte, wollte er nicht ein Verfahren wegen Falschaussage riskieren. Wenn er sich andererseits von seiner früheren Vernehmung distanziert, droht ihm ein Verfahren wegen falscher Anschuldigungen. Wulff hätte sich deshalb wohl auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, um sich nicht selbst zu belasten. Selbst Richterin Bürger hielt es bis zuletzt für wahrscheinlich, dass Wulff schweigen würde.
Doch der ehemalige Bundespräsident wollte reden - und aus seinem verletzten Stolz keinen Hehl machen. Nach seinen Personalien befragt, stellte er sich als "recht junger Altbundespräsident" vor, "unfreiwillig". Immer wieder schweifte er in seinen Aussagen ab, nannte Niedersachsen "sein Land" und sprach von sich selbst in der dritten Person: Man hätte das so machen können, man hätte jenes überprüfen sollen. Glaeseker jedenfalls habe überragende Fähigkeiten gehabt, "außerordentlich bescheiden, extrem vernetzt".
Wie auswendig gelernt
Nur wenn es um konkrete Erinnerungen ging, verließ ihn zuverlässig sein Gedächtnis. "Ich habe 200.000 SMS geschrieben", sagte Wulff dann, oder "an manchen Tagen habe ich acht Vorträge gehalten". Ganz offensichtlich hatte er sich mit seinen Anwälten intensiv auf seinen Auftritt vorbereitet. Vieles wirkte wie auswendig gelernt. Und dann war da ja noch der Politiker Wulff: Statt auf konkrete Fragen zu antworten, wich er aus und redete so lange, bis der Fragensteller entweder seine eigene Frage vergessen hat oder die Lust verlor, sie noch einmal zu wiederholen.
Staatsanwaltschaft und Gericht werden in Ruhe prüfen, ob Wulff nun doch noch ein Verfahren wegen falscher Verdächtigungen droht. Glaeseker kann sich jedenfalls in seinem Prozess auf den Segen seines Chefs berufen, auch wenn nicht ganz klar wurde, worin der nun konkret bestand.
Auch Wulff selbst winkt in seinem eigenen Korruptionsverfahren noch in diesem Monat ein Freispruch, wie der überforderte Richter schon während der noch laufenden Beweisaufnahme ankündigte. Dort darf Wulff auch ungestraft die Unwahrheit sagen, er ist schließlich Beschuldigter.
Das ehemalige Staatsoberhaupt macht davon auch reichlich Gebrauch. Erst in der vergangenen Woche kam heraus, dass Wulff über eine bislang unbekannte E-Mail-Adresse verfügte. Das hatte er nicht nur verschwiegen. Der Politiker, der angeblich um seine Ehre kämpft, hatte gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht sogar ausdrücklich das Gegenteil behauptet.