Jakob Augstein

S.P.O.N. - Im Zweifel links Politik für Männer ab 50

Wir haben eine neue Partei: Mit der "Alternative für Deutschland" ist der Rechtspopulismus in der deutschen Politik angekommen. Bisher geht es nur gegen den Euro. Wetten, dass das erst der Anfang ist?
Partei-Mitbegründer Lucke (in Oberursel): Auf einiges gefasst machen

Partei-Mitbegründer Lucke (in Oberursel): Auf einiges gefasst machen

Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERS

Neulich in Oberursel: Die "Alternative für Deutschland" sammelt sich. Rund 1200 Bürgersleute sind zusammengekommen, vor allem Männer, die meisten über 50 und gutsituiert, um den Kampf gegen den Euro aufzunehmen.

Das war schon fast ein Gründungskongress, wenn auch die offizielle Gründung erst im April ansteht. Aber die Medien reagierten seltsam verhalten. Als wollten sie die Euro-Gegner durch zu viel Aufmerksamkeit nicht aufwerten. Dabei sagt eine Umfrage, dass 26 Prozent der Deutschen sich vorstellen könnten, eine euroskeptische Partei zu wählen. Wer weiß, wo die Werte landen, wenn das Programm noch erweitert wird. Denn man kann ja getrost davon ausgehen, dass der Euro erst der Anfang ist. Als nächstes geht es gegen den Islam, die Klimaforschung, den Feminismus und die Schwulen - das ganze Programm der modernen Rechtspopulisten.

Weg mit dem Euro, stattdessen ein Europa der souveränen Staaten, Abbau der Brüsseler Bürokratie, ein "mütterfreundlicheres" Deutschland und eine Neuordnung des Einwanderungsrechts: Das sind Kernforderungen der "Alternativen". In der ersten Reihe finden sich ein früherer "FAZ"-Redakteur und ein ehemaliger Staatssekretär. Auf der Liste der Unterstützer: ein ehemaliger Ressortleiter der "Zeit" und ein ehemaliger BDI-Chef. Überhaupt viele Ehemalige und Emeritierte. Denn anders als vor 33 Jahren bei der Gründung der Grünen sind die "Alternativen" von heute schon etwas älter. Und vor allem arriviert: Lauter Professores und Doctores finden sich auf der Liste, so viele, dass man damit zwei mittlere Universitätsstädte bestücken könnte. Das hier ist Deutschlands wertkonservatives Bürgertum. Die CDU hat allen Grund, sich zu fürchten.

"Deutschland war immer zu groß für Europa"

Schrille Töne gab es nicht in Oberursel. Aber ein drohender deutscher Unterton der Unzufriedenheit war nicht zu überhören. Alexander Gauland, einst Staatssekretär des hessischen Altkonservativen Walter Wallmann, gab einen interessanten Einblick in zeitgenössisches bürgerliches Geschichtsdenken, als er seinen Zuhörern die Euro-Welt erklären wollte: "Deutschland war immer zu groß für Europa, aber zu klein für die Welt, und obwohl wir zwei Weltkriege hinter uns gebracht haben, hat sich das Problem erstaunlicherweise nicht wirklich reduziert." So kann man das auch nennen, wir haben zwei Weltkriege "hinter uns gebracht".

Anstatt den Kontinent zusammenzuführen, trenne die gemeinsame Währung ihn. Konrad Adenauer habe sich im europäischen Ausland keine Nazi-Karikaturen gefallen lassen müssen, Angela Merkel schon. Daraus zogen die Oberurseler Euro-Gegner den Schluss, dass die Idee der gemeinsamen Währung nichts tauge. Sie kamen gar nicht auf die Idee, dass die deutsche Politik eine Ursache der Krise sein könnte.

Dass der Euro nicht funktioniert, liegt ja nicht daran, dass Europa für eine gemeinsame Währung noch nicht bereit ist. Sondern unter anderem auch daran, dass Deutschland nicht verstanden hat, was Integration bedeutet. Bisher haben wir uns so verhalten, als sei es schon Integration, wenn wir den anderen sagen, was sie machen sollen. Da fühlt sich mancher Miteuropäer an das deutsche Integrationsverständnis der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Integration würde bedeuten, dass auch die Deutschen ihre Politik aus Niedriglöhnen und Exportschwemme dem europäischen Ganzen anpassen.

"Nichts ist rechts oder extremistisch an der Idee, den Euro aufzugeben und eine neue, kleinere Währungsunion in den europäischen Nordländern zu gründen", schrieb Frank Drieschner in der "Zeit" vor der Veranstaltung in Oberursel. Und dennoch sei die Verbindung zum rechten Extremismus "unvermeidlich". Das ist richtig. Wie Drieschner schreibt, liegt das nicht an den unmittelbar beteiligten Personen, sondern daran, dass bestimmte Ideen in einem bestimmten Umfeld besonders gut gedeihen.

"Da stehen dann schnell die Braunen bei Ihnen im Saal"

Das Gespenst des Rechtspopulismus geht schon seit langem in Europa um. Deutschland war bislang verschont geblieben. Es gab auch hier populäre Rechtsabweichler. Einen kleinen Vorgeschmack, was da im deutschen Bürgertum so schlummert, hatten wir schon vor zehn Jahren bekommen, als der Zeithistoriker Arnulf Baring zum Widerstand gegen Rot-Grün aufrief: "Bürger, auf die Barrikaden! Wir dürfen nicht zulassen, dass alles weiter bergab geht, hilflose Politiker das Land verrotten lassen." Und wie viele Deutsche mögen dann später vom populistischen Dream-Team Sarrazin/Guttenberg geträumt haben? Aber die Volkstribune waren immer zurückgeschreckt.

Guttenberg hatte in einem Gesprächsband, den er mit "Zeit"-Chef Giovanni di Lorenzo gemacht hatte, nur gute Tipps zur Gründung einer populistischen Partei geben wollen: Man müsse die "Programmatik so deutlich entwerfen, dass gewisse Randgruppen, aber auch notorische Querulanten überhaupt nicht auf die Idee kommen, mit der neuen Gruppierung zu kokettieren. Ein klares Bekenntnis zu Israel beispielsweise würde den rechten Rand wohl abschrecken".

Das war entweder der Versuch der Manipulation oder eine schlichte Fehleinschätzung. Die populistische Rechte hat mit Israel schon längst kein Problem mehr. In ihrer Ideologie mischt sich auf krude Weise die Furcht vor der Überfremdung durch den Islam mit der Ablehnung der Ergebnisse der Klimaforschung, dem Wunsch nach Rückkehr zur Atomkraft und dem brutalen Spott über alle Bemühungen, eine gerechte, inklusive Gesellschaft zu errichten, die allesamt mit dem vergifteten Begriff des "Gutmenschentums" bedacht werden.

Der freundlich lächelnde Hamburger VWL-Professor Bernd Lucke, der zurzeit noch das Gesicht der "Alternative" ist, kann sich da noch auf Einiges gefasst machen. Hans-Olaf Henkel, der prominenteste Deutschland-Alternativler, hatte eine Parteigründung noch vor zwei Jahren als "Himmelfahrtskommando" bezeichnet. Eine Anti-Euro-Partei würde nicht nur Liberale locken: "Da stehen dann schnell die Braunen bei Ihnen im Saal." Offenbar sieht man darin nun kein Risiko mehr. Im dunklen Spektrum verschwimmen die Farben leicht.

Wenn die Bundestagswahl im Herbst ähnlich knapp ausgeht wie die Wahlen in Niedersachsen, dann könnten die Stimmen für die neuen Konservativen Angela Merkel das Amt kosten. Eigenartige Ironie: Dann wäre die Kanzlerin am Ende doch über den Euro gestürzt.

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