Althaus-Rücktritt Merkel verliert ihren wichtigsten Mann im Osten
Berlin - Angela Merkel ging auf Distanz zum Verlierer. Bei der obligatorischen Blumenübergabe vor der Präsidiumssitzung, später auf der Pressekonferenz im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses - immer wenn Kameras zugegen waren, durfte am Montag nach den Landtagswahlen Stanislaw Tillich neben der Kanzlerin stehen und fröhlich grinsen. Der sächsische Ministerpräsident hatte schließlich die Ehre der CDU bei den Landtagswahlen gerettet, von Dresden geht das erhoffte schwarz-gelbe Signal aus.
Dieter Althaus, 51, dagegen stand stets am Rand, blass, müde, irgendwie gebrechlich wirkte er. Als Journalisten wissen wollten, ob er am Abend zuvor auch nur eine Sekunde an Rücktritt gedacht habe, klang Althaus wenig überzeugt: "Ziel bleibt eine stabile Regierung unter meiner Führung." Und Merkel erklärte, die Frage nach dem Rücktritt stehe nicht zur Debatte.
Am Mittwoch dann wollte manch einer erkannt haben, dass die Kanzlerin dem Angeschlagenen den Rücken stärkte, indem sie SPD-Forderungen nach einem Rückzug mit den Worten zurückwies: "Dass Parteien sich nicht in das Personal anderer Parteien einmischen, das hat immer gegolten, und das wird auch weiter gelten."
Es gab schon deutlichere Vertrauensbekundungen.
Die Absetzbewegungen der Parteichefin waren bereits deutlich spürbar, es war nicht mehr auszuschließen, dass Merkel Althaus fallenlassen würde. Am Donnerstagmittag ist noch nicht nachzuvollziehen, ob die CDU-Bundesspitze ihn direkt zum Rücktritt drängte oder Althaus am Ende die Zeichen erkannte und dem Druck nachgab. Der Absturz in Thüringen um fast zwölf Prozentpunkte nährte jedenfalls auch in den eigenen Reihen die Zweifel am Landesvater. Zuvor hatte man schon seine Rückkehr nach dem fatalen Skiunfall, bei dem am Neujahrstag eine 41-jährige Mutter starb, durchaus mit gemischten Gefühlen begleitet.
Merkel sieht nun Chance für "ernsthafte Gespräche"
Althaus' Abschied kommt Merkel nicht gelegen, so viel ist klar. Aber es hätte auch schlimmer für sie kommen können. Denn in Thüringen zeichnete sich eine komplexe Regierungsbildung ab. Die Sozialdemokraten signalisierten unmissverständlich, dass ihnen der Einstieg in eine Große Koalition ohne einen Ministerpräsidenten Althaus leichter fallen würde. Eine wochenlange Hängepartie hätte einen Schatten auf Merkels Bundestagswahlkampf geworfen. Und da darüber hinaus die rechnerische Option auf Rot-Rot-Grün in Erfurt nun mal besteht, musste die CDU-Chefin ihren wichtigsten Mann im Osten opfern, um Thüringen nicht zu verlieren.
Dazu passt Merkels erste Reaktion an diesem Donnerstagmittag. Sie zollte Althaus Respekt am Rande eines Wahlkampfauftritts in Freiburg, hielt sich aber nicht lange mit Danksagungen für seine politische Leistung und Freundschaft auf. "Jetzt ist der Weg frei für die Sozialdemokraten, in ernsthafte Gespräche mit der CDU zur Bildung einer Regierung einzutreten", erklärte sie stattdessen. Dies habe Althaus mit seinem Schritt ermöglicht. Nun gebe es für die Sozialdemokraten keine Ausreden mehr, sich solchen Verhandlungen zu verweigern.
Der Preis, den Merkel zahlt, ist hoch: Sie verliert einen langjährigen Vertrauten und Verbündeten, den einzigen in der Ministerpräsidentenriege der Union. Wenn die anderen Regierungschefs mal wieder querschossen oder lieber schwiegen, konnte sie sich auf Althaus verlassen: Der Thüringer Parteifreund schlug sich immer auf ihre Seite. Seine Stimme war in der Bundespolitik nicht die gewichtigste, aber sie wurde bisweilen gehört.
Kaum Chancen auf einen Posten im Bundeskabinett
Als Merkel im Jahr 2005 als Oppositionsführerin vor der Bundestagswahl ihr neunköpfiges Kompetenzteam zusammenstellte, holte sie Althaus als Beauftragten für den Aufbau Ost ins Kabinett. Minister im Kabinett Merkel hätte er damals aber auch im Falle einer schwarz-gelben Regierung nicht werden sollen. Althaus wollte in Erfurt bleiben.
Auch jetzt gab es Spekulationen, Merkel könnte Althaus als Minister nach Berlin holen, um ihn in Thüringen aus der Schusslinie zu nehmen. Doch alle Umstände sprechen dagegen. Selbst wenn schon mancher Wahlverlierer aus den Ländern in einem Bundeskabinett untergekommen ist - mit den dramatischen Verlusten vom vergangenen Sonntag hat sich Althaus nicht für höhere Weihen empfohlen. Auch die Zweifel an seiner körperlichen Belastbarkeit nach der schweren Schädelverletzung infolge des Skiunfalls bestehen weiter.
Und dann ist da noch Althaus' DDR-Vergangenheit, der Wirbel um die "Medaille für hervorragende Leistungen bei der kommunistischen Erziehung in der Pionierorganisation Ernst Thälmann", die er als stellvertretender Direktor einer Oberschule angetragen bekam. Oder sein erstaunliches Bekenntnis zur "politisch-ideologischen Arbeit" in DDR-Schulen, das er noch kurz vor der Wende in einem Redemanuskript ablegte. Althaus wäre als Mitglied der Bundesregierung erst recht angreifbar.