Analyse des Koalitionsvertrags So will Schwarz-Gelb die Republik umbauen

Entwurf des Koalitionsvertrags: Schwarz-gelber Plan für die kommenden Jahre
Foto: ddpBerlin - Eine "hervorragende Grundlage für unser Land" findet es FDP-Chef Guido Westerwelle. "Auch die CSU freut sich", sagt Horst Seehofer. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel freut sich, "dass wir mutig in die Zukunft gehen wollen".
Anlass für das Eigenlob ist ein 124-seitiges Dokument mit dem Titel "Wachstum. Bildung. Zusammenhalt": der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag.
Das Werk polarisiert - die Opposition ist empört.
Einen "grandiosen Fehlstart" findet es SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Linksfraktionschef Gregor Gysi sieht "eine Koalition der sozialen Spaltung, Tricksereien und neoliberalen Entstaatlichung" am Werk. "Unsozial, unbezahlbar, unverbesserlich" schimpft Grünen-Chefin Claudia Roth den Vertrag, und ihre Parteigeschäftsführerin Steffi Lemke spricht gar vom "Lügenvertrag", der sich an den "kommenden Generationen versündigt".
Was stimmt? SPIEGEL ONLINE analysiert, was wirklich im Koalitionsvertrag steht - und wie CDU, CSU und FDP in den kommenden vier Jahren die Bundesrepublik umbauen wollen. Klicken Sie in der linken Spalte Themen an, die Sie interessieren, oder navigieren Sie unten durch die einzelnen Punkte:
Steuern, Finanzen und Haushalt
Bis zuletzt wurde hart über die Finanzfragen gerungen. Nun soll der Kinderfreibetrag in einem ersten Schritt zum Januar 2010 auf 7008 Euro erhöht werden. FDP und Union hatten in ihren Programmen 8004 Euro vorgeschlagen. Damit auch die Geringverdiener nicht leer ausgehen - für sie bringt die Erhöhung des Freibetrags nichts -, wird das Kindergeld im Januar um je 20 Euro pro Kind erhöht (derzeit 164 Euro). Die Entlastungen aus der Steuerreform, die die Große Koalition beschlossen hatte, sind im Koalitionsvertrag auch noch einmal erwähnt: 14 Milliarden ab Januar 2010.
"Darüber hinaus", so ist es formuliert, wollen Union und FDP eine Steuerentlastung der kleinen und mittleren Einkommen sowie für Familien und Kinder mit einem Gesamtvolumen von 24 Milliarden Euro im Laufe der Legislaturperiode umsetzen, ab 2011.
Die paritätisch finanzierten Lohnzusatzkosten - Rente, Krankenkassen, Pflege- und Arbeitslosenbeiträge - sollen unter 40 Prozent gehalten werden, aber sicher ist das nicht. Die Wortwahl ist: "Wir streben an."
Die FDP forderte in den Verhandlungen ultimativ einen Stufentarif bei der Einkommensteuer - hier hat sich die Koalition mit einer Formulierung ausgeholfen, die vieles offen hält. "Vorrangig" sollen die unteren und mittleren Einkommensbezieher entlastet werden, "indem wir den Einkommensteuertarif zu einem Stufentarif umbauen". Zahl und Verlauf der Stufen werde unter Berücksichtigung dieses Zieles "entwickelt".
Mit der Unternehmensteuerreform soll zum 1. Januar 2010 begonnen werden. Ein wichtiges Ziel der Mittelständler war, die bislang befristete Zinsschranke zu entfristen. Die höhere Freigrenze von 3 Millionen Euro soll nun dauerhaft eingeführt werden.
Bei der Erbschaftsteuer hatte die FDP Druck gemacht. Im Sofortprogramm soll die Steuerbelastung für Geschwister und Geschwisterkinder durch einen neuen Steuertarif von 15 bis 43 Prozent gesenkt werden. Auch wird angestrebt, die Zeiträume zu verkürzen, innerhalb dessen die Unternehmen weitergeführt werden müssen. Bislang gilt: Wer sein Unternehmen sieben Jahre hält, dem wird 85 Prozent der Erbschaftsteuer erlassen. Voraussetzung allerdings ist, dass die Lohnsumme konstant bleibt und nach Ablauf der Haltefrist über die sieben Jahre gerechnet nicht weniger als 650 Prozent des ursprünglichen Niveaus beträgt. Diese Regelung will die künftige Koalition ändern: "Die erforderlichen Lohnsummen wollen wir absenken."
Keine Einigung gab es bei den Mehrwertsteuersätzen und der von der FDP verlangten Abschaffung der (kommunalen) Gewerbesteuer. Hier rettet man sich mit Expertenwissen: Zur Gemeindefinanzierung (und damit Gewerbesteuer) werde man eine Kommission einsetzen; zur Umsatzsteuer "wollen" die Koalitionäre eine einsetzen - also eine durchaus weichere Formulierung.
Strittig war zuletzt die steuerliche Freistellung von kommunalen Versorgungsbetrieben von der Umsatzsteuer. Die FDP wollte diese im Grundsatz aufheben, was Proteste der Kommunen auslöste, die mit Gebührenerhöhungen drohten. Nun wird eine Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter angestrebt. Zugleich findet sich aber auch der einschränkende Satz: "Aufgaben der Daseinsvorsorge sollen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich belastet werden."
Ein Hauptproblem war der ursprünglich von der FDP favorisierte Ansatz, die steigenden Kosten der Sozialversicherung - Arbeitslosenversicherung und gesetzliche Krankenkassen - noch haushaltstechnisch in einem Schattenhaushalt der alten Regierung anzulasten. Doch das Bundesinnenministerium meldete plötzlich verfassungsrechtliche Bedenken an. Nun wird der Schattenhaushalt 2010 durch Steuermittel finanziert. Oder in den Worten der Koalition: "Damit spannen wir einen Schirm zum Schutz der Arbeitnehmer in der Krise auf." Das Darlehen an die Bundesagentur wird in einen Zuschuss verwandelt, die Auszahlung "muss selbstverständlich an strenge Kriterien gebunden sein".
Unter den "fünf goldenen Regeln" der Haushaltsführung ragt eine heraus: Das Wachstum der Ausgaben müsse "real" unter dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegen - eine Forderung vor allem der FDP.
Arbeit, Soziales und Renten
Die Arbeitsgruppe Wirtschaft hatte viele Ideen zum Arbeitsmarkt aufgeschrieben. Viel geblieben ist davon nicht. So bekennen sich Union und FDP ausdrücklich zur Tarifautonomie, also zu den Verhandlungen und Abschlüssen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Diese habe "Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung". Wie erwartet lehnen die Koalitionäre einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab.
Unter der Großen Koalition waren durch die SPD jedoch Teilbereiche in den Mindestlohn aufgenommen worden - etwa bei der Post. Eine von den Wirtschaftsexperten der Koalition geforderte Verschärfung der Kriterien in dieser Branche wird abgemildert. Nun heißt es, die anhängigen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit dem Postmindestlohn würden abgewartet.
Die bestehenden Regelungen zu den gesetzlichen Mindestlöhnen sollen grundsätzlich bis Oktober 2011 überprüft werden. Dabei komme es darauf an, ob sie Arbeitsplätze gefährdeten oder "neuen Beschäftigungsverhältnissen entgegenstehen". Die Rechtssprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne soll gesetzlich festgeschrieben werden. Bei den befristeten Arbeitsverträgen will die Koalition Lockerungen einführen - bislang gilt eine maximale Grenze von zwei Jahren, in denen befristete Arbeitsverträge möglich sind. Danach ist eine befristete Einstellung bei demselben Arbeitgeber nicht mehr erlaubt. Künftig soll die erneute Befristung beim selben Arbeitgeber möglich sein.
Das Schonvermögen zur Altersvorsorge, das Hartz-IV-Bezieher nicht antasten müssen, wird von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht. Die Hinzuverdienstregelungen werden "deutlich" verbessert, heißt es ohne konkrete Festlegung. Bisher bleiben die ersten 100 Euro des Zuverdienstes beim Hartz-IV-Bezieher. Höhere Beträge werden zu 80 Prozent vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Geprüft werden soll eine Pauschalierung eines Teils der Wohnungskosten - bisher werden sie in voller Höhe erstattet.
Die rund 350 Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagenturen zur Betreuung der rund 6,7 Millionen Hartz-IV-Bezieher werden wohl aufgelöst. Die Koalition will zur "getrennten Aufgabenwahrnehmung" zurückkehren. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll den Kommunen "attraktive Angebote zur freiwilligen Zusammenarbeit" machen. Die Kommunen wären demnach für soziale Betreuung und Wohnungskosten zuständig, die Arbeitsagenturen für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II und die Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Die 69 Optionskommunen, die Langzeitarbeitslose in Alleinregie betreuen, sollen unbefristet bestehen bleiben.
In der Arbeitslosenversicherung soll der Beitragssatz stabil gehalten werden. Gesetzlich verankert ist bis Ende 2010 ein Beitragssatz von 2,8 Prozent, der ab 2011 auf 3,0 Prozent des Lohns steigt.
Bei den Minijobs gibt es - entgegen ursprünglichen FDP-Plänen - keine Festlegung. Hierzu heißt es nun, geprüft werde die Erhöhung und Dynamisierung der 400-Euro-Grenze. Die FDP wollte hier eine Anhebung auf 600 Euro.
Die Rente gilt als heikles Feld. Eine Rücknahme der Regelung der Rente mit 67 - unter der Großen Koalition auf Druck des SPD-Parteichefs Franz Müntefering durchgesetzt - ist offenbar nicht vorgesehen. Hierzu findet sich keine Bemerkung. Unter der Überschrift "Kampf gegen Altersarmut" wird zugesichert, dass "diejenigen, die ein Leben lang Vollzeit gearbeitet und vorgesorgt haben, ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung erhalten, das bedarfsabhängig und steuerfinanziert ist". Eine Regierungskommission solle dazu einen "Vorschlag für eine faire Anpassungsregel entwickeln". Außerdem soll "im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten" geprüft werden, ob und wie Erziehungsleistungen "noch besser" berücksichtigt werden können. Darüber hinaus soll in dieser Legislaturperiode "ein einheitliches Rentensystem in Ost und West" eingeführt werden.
Die Koalition legt ein Bekenntnis zur Riester-Rente ab. Geprüft werden soll, ob unter anderem Selbständigen der Zugang zu dieser staatlich geförderten Altersvorsorge ermöglicht wird.
Wirtschaft, Energie und Aufbau Ost
Neben einem Abbau von Bürokratie, mit dem vor allem mittelständische Firmen entlastet werden sollen, betreffen die wichtigsten Änderungen in der Wirtschaftspolitik die Energiepolitik. Schwarz-Gelb will die Laufzeiten für Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen verlängern. Längere Laufzeiten werden an die "Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards" geknüpft, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Neubauverbot bleibt bestehen.
Union und FDP haben außerdem festgelegt, dass das niedersächsische Gorleben weiter als Endlager-Standort geprüft wird. Damit wird das bestehende Moratorium für die Erkundung aufgehoben. Die Endlager Asse II und Morsleben sollen geschlossen werden.
Viele Fragen in der Energiepolitik bleiben unbeantwortet: Welche Atomkraftwerke sollen vom Netz gehen, welche dürfen länger laufen? Nach der bestehenden Sicherheitsphilosophie der Kraftwerksbetreiber sind alle deutschen Meiler sicher; sie entsprechen auch internationalen Standards. Es ist kaum vorstellbar, dass sich RWE und Co. darauf einlassen werden, gleich mehrere Meiler abzuschalten. Sollte die Regierung den Versuch unternehmen, dies zu tun, dürfte sie unter massiven Druck der mächtigen Konzerne geraten. Sie verdienen bestens an den abgeschriebenen Kraftwerken. Andererseits droht Schwarz-Gelb nun massive Kritik der Atomkraftgegner. Auch mit neuen Protestwellen ist zu rechnen.
Die Koalition versucht dem entgegenzuwirken, in dem sie ein Bekenntnis zu Klimaschutz und zum Ausbau Erneuerbarer Energien ablegt. In diesen Bereichen soll der Kurs der schwarz-roten Regierung im wesentlichen fortgesetzt werden. Das heißt: Erneuerbare Energien werden weiter gefördert, zum Beispiel sollen die Windparks auf dem Meer ausgebaut werden. Zudem soll die Nutzung von Biomasse und von Biokraftstoffen zur Energiegewinnung stärker gestützt werden.
Inneres, Justiz und Internet
"Das Thema Bürgerrechte war uns Liberalen besonders wichtig", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle in der Bundespressekonferenz. Das hat sich auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen. So hat die FDP das Internet-Sperrgesetz der bisherigen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestoppt - und damit eine Forderung von Internet-Aktivisten umgesetzt. Löschen statt sperren, so sieht es jetzt der Koalitionsvertrag vor: Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie sei für die Koalition von "herausragender Bedeutung", heißt es in dem Papier und weiter: "Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren."
Auch bei Bundeswehreinsätzen im Inland setzte sich die FDP gegen die Union durch. Der von der Union geforderte Einsatz der Truppe in Deutschland ist vom Tisch und taucht im Koalitionsvertrag nicht auf.
Das im BKA-Gesetz vorgesehene Ausspähen von privaten Computern durch Sicherheitsbehörden bleibt vorerst weiter erlaubt. Allerdings soll der "Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung" verbessert werden. Zudem weisen die Koalitionäre ausdrücklich auf die anstehende Überprüfung des BKA-Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht hin, nach der gegebenenfalls das Gesetz geändert werden muss
Der Zugriff auf die von den Telekommunikationsunternehmen gespeicherten Verbindungsdaten durch die Sicherheitsbehörden wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt. Ausnahmen gelten bei Gefahren für Leib und Leben.
Arbeitnehmer will die neue Regierung vor Bespitzelung am Arbeitsplatz besser schützen. Deswegen sollen Arbeitgeber nur Daten verwenden dürfen, die für das Arbeitsverhältnis erforderlich sind. Die Regelungen sollen in das Bundesdatenschutz-Gesetz einfließen. Damit zeichnet sich ab, dass unter Schwarz-Gelb die Bürgerrechte wieder gestärkt werden.
Verteidigungs-, Außen- und Entwicklungspolitik
In der Europa- und Außenpolitik setzt die neue Koalition auf Kontinuität. Die europäische Einigung bleibt übergeordnetes Ziel. Im wirtschaftlichen Bereich verpflichtet sich die Koalition dem Wettbewerb im EU-Binnenmarkt und lehnt protektionistische Tendenzen ab.
Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wird bekräftigt und als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise wird eine einheitliche, EU-weite Bankenaufsicht angestrebt.
EU-Beitrittsverhandlungen mit anderen Staaten sollen ergebnisoffen geführt werden. Dies soll auch für die Türkei gelten. Scheitert ein Beitritt der Türkei zur EU, soll ihr ein privilegiertes Verhältnis angeboten werden.
Der zweite Pfeiler deutscher Außenpolitik bleibt die Beziehung zu den USA. Die Uno will Schwarz-Gelb stärken - und bekräftigt die Bereitschaft Deutschlands, einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat zu übernehmen.
Die Koalition bekennt sich zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Die Aufrechterhaltung der Sicherheit soll verstärkt an afghanische Kräfte übergehen, um die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr zu schaffen. Ein Datum für den Rückzug deutscher Soldaten wird nicht genannt.
Der künftige Außenminister Guido Westerwelle kündigte an, dass er Gespräche mit den Verbündeten aufnehmen wolle, damit "Deutschland ein atomwaffenfreies Land wird". Die künftige Regierung wolle, "dass die letzten Atomwaffen abgezogen werden". Gemeint sind damit Waffen der Amerikaner, die auf Stützpunkten in Deutschland lagern.
Den Wehrdienst wollen Union und FDP grundsätzlich erhalten. Allerdings soll er bis zum Januar 2011 um drei Monate auf dann sechs Monate verkürzt werden. In der Regel wird auch der Zivildienst entsprechend angepasst. Der Umbau des Wehrdienstes zählt wie der schwierige Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu den großen Herausforderungen für den neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
In der Entwicklungshilfepolitik - von der FDP mit Dirk Niebel besetzt - will Westerwelle keine "Nebenaußenpolitik". Ursprünglich verfolgte die FDP das Ziel, das Ministerium ins Außenministerium zu integrieren. Nun will Westerwelle die Außen- und Entwicklungshilfepolitik "synchronisieren".
Im Koalitionsvertrag heißt es, die deutsche Außenpolitik sei werte- und interessensgeleitet - das solle auch für die Entwicklungspolitik gelten. Die "Schlagkraft" solle erhöht werden, insbesondere durch Auflösung von "Doppelstrukturen in Regierung und Durchführung". Vorrangig gelte das für die technische Zusammenarbeit - ein Hinweis auf den Versuch der neuen Koalition, die maßgeblichen Entwicklungshilfeorganisationen Inwent, DED und GTZ unter ein Dach zu führen. Die Reform solle mit der "Zusammenführung der Organisationen der Technischen Zusammenarbeit" beginnen.
Das Ziel, eine schrittweise Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen, will die Koalition einhalten. Man werde sich diesem Ziel "verantwortlich im Rahmen des Bundeshaushaltes annähern".
Gesundheit und Pflege
In der Gesundheitspolitik bleibt vorerst alles beim Alten. Der Gesundheitsfonds, auf den sich SPD und Union geeinigt haben und der seit Jahresbeginn in Kraft ist, soll 2010 weitergeführt werden. Mit dem Umbau des Fonds soll sich eine Regierungskommission beschäftigen.
Sie soll laut Koalitionsvertrag folgende Ziele berücksichtigen: Der Arbeitgeberanteil soll "fest" eingefroren werden - die Lasten für Arbeitnehmer dürften also steigen.
Die Krankenkassen sollen wieder mehr Beitragsautonomie erhalten - sprich ihre Beitragssätze selbst festlegen dürfen. Das war eine der Mindestforderungen der FDP, um den Wettbewerb der Krankenkassen flottzumachen. Der wird aus ihrer Sicht durch den starren Beitragssatz von 14,9 Prozent im Gesundheitsfonds verhindert.
Regionale Differenzierungsmöglichkeiten soll es geben, das hat die CSU erkämpft - hofft die Partei doch, im wirtschaftlich starken Freistaat könnten die Kassen geringere Beiträge als im Bundesdurchschnitt erheben.
Außerdem soll es "einkommensunabhängige" Beiträge der Arbeitnehmer geben, die "sozial ausgeglichen werden". Dies ist der eigentliche Knackpunkt, erinnert es doch an 2003, als Angela Merkel auf dem Leipziger CDU-Bundesparteitag die sogenannte Kopfprämie in ihrer Partei durchsetzte. In der Bundespressekonferenz am Sonntag dagegen betonte sie mehrmals, es brauche einen solidarischen Ausgleich - zur Genugtuung des CSU-Chefs Horst Seehofer, der die Kopfprämie bekämpfte.
Über die Zusammensetzung der Kommission muss noch entschieden werden. Kein Zeitpunkt wird im Vertrag für den Umbau des Fonds genannt, doch die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen nannte das Jahr 2011.
Bei der Pflegeversicherung hatte sich die Große Koalition eigentlich eine Teilreform vorgenommen. Doch wurde die ausgespart - auch weil, die Kassenlage sich durch den Wirtschaftsaufschwung gebessert hatte. Doch eine Reform des Umlageverfahrens ist wegen der steigenden Zahl der Bedürftigen notwendig, also will die schwarz-gelbe Koalition einen Einstieg in die Kapitaldeckung - sprich: Die Bürger sollen sich "verpflichtend, individualisiert und generationengerecht" privat zusatzversichern müssen. Eine Arbeitsgruppe soll dazu "zeitnah" einen Vorschlag unterbreiten.
Viele Familien von Pflegebedürftigen können sich nur durch (schwarz) angestellte Pflegekräfte, vor allem aus Polen und anderen osteuropäischen Staaten, aushelfen. Hier gibt es Reformbedarf: Ausländische Hilfskräfte sollen "ebenso wie pflegende Angehörige oder deutsche Hilfskräfte auch notwendige pflegerische Alltagshilfen erbringen können", heißt es im Vertrag.
Familie, Integration und Kultur
Die CSU konnte im Koalitionsvertrag einen Teilerfolg erkämpfen: Das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause aufziehen, soll ab 2013 kommen. Ein Vorschlag, der von der FDP abgelehnt wird und in der CDU umstritten ist. Das Betreuungsgeld soll 150 Euro betragen für Kinder unter drei Jahre und "gegebenenfalls" auch als Gutschein (etwa für Bildungsangebote) ausgezahlt werden. Dies dürfte rechtlich noch Probleme aufwerfen - welche Eltern erhalten Bildungsgutscheine, weil man glaubt, sie würden das Geld sonst anderweitig verbrauchen?
Ein Streitpunkt der vergangenen Jahre in vielen Kommunen waren Klagen von Anwohnern gegen Kinderlärm. Dies dürfe kein Anlass für Gerichtsverfahren sein, heißt es. Die Koalition will die Gesetzeslage "entsprechend ändern".
Das unter der Großen Koalition auf Druck der SPD eingeführte Elterngeld, das die CDU-Ministerin Ursula von der Leyen erfolgreich umsetzte, soll weiterentwickelt werden. Es solle Flexibilität und Entbürokratisierung vor allem bei der Einkommensermittlung geben. Bei den Partnermonaten soll ein "Teilelterngeld" bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Hier wird ein alter Vorschlag von der Leyens aufgegriffen: Eltern, die auf 60 Prozent Teilzeit gehen, sollten künftig nur einen halben statt einen ganzen Monat Elternzeit verbrauchen können. Offen bleibt, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen. Auch findet sich kein Satz, ob das Elterngeld im Bundeshaushalt weitere Mittel erhält. Zuletzt musste mehr Geld zugeschossen werden, weil vor allem die Zahl der Väter stark zugenommen hatte, die das Elterngeld beantragten.
Die von der Familienministerin unterstützten "Mehrgenerationenhäuser" - bundesweit 500 - sollen weiter getragen werden.
Beim Thema Jugendgewalt einigten sich Union und FDP, im Jugendstrafrecht die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre zu erhöhen.
Unter der Großen Koalition hatte der Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann, für eine Erhöhung des Kulturetats gesorgt. Der CDU-Politiker, der im Amt bleiben wird, kann an dieser Linie festhalten. Kulturförderung sei "keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft", heißt es im Vertrag. Der Filmstandort Deutschland solle weiter gestärkt und der erst unter der Großen Koalition und von Filmfan Neumann aufgelegte Filmfonds fortgeführt werden.
Auf dem Feld der Integrationspolitik sorgte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unter der Großen Koalition mit der Islamkonferenz für einen neuen Ansatz in der Integrationspolitik. Sein Amtsnachfolger Thomas de Maizière - ebenfalls CDU - wird diese Tradition fortführen. Die Islamkonferenz soll als "wichtiges Forum" fortgesetzt werden.
Über die weitere Arbeit der Birthler-Behörde soll eine Expertenkommission beraten. Sie soll über die der Stasi-Unterlagenbehörde zugewiesenen Aufgaben analysieren und Vorschläge machen, "ob und in welcher Form diese mittel- und langfristig zu erfüllen sind".
Im Jahr 2000 hatte der Bundestag einstimmig festgestellt, dass den Homosexuellen im Nationalsozialismus und im Nachkriegsdeutschland schweres Unrecht widerfahren ist. Diesen Beschluss will die Koalition nun umsetzen und "im Sinne eines kollektiven Ausgleichs für homosexuelle NS-Opfer eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung errichten".
Ein Bekenntnis findet sich auch zur Einrichtung der Dokumentationsstätte "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Sie werde eingerichtet, heißt es. Außerdem werde man die Einrichtung eines sudetendeutschen Museums in München unterstützen.
Nicht gerüttelt wird am Bundestagsbeschluss, das 1950 gesprengte Stadtschloss in Berlin wieder zu errichten. Der Bau soll "realisiert" werden - und zwar "in der äußeren Gestalt des Berliner Stadtschlosses". Allerdings finden sich keine Angaben darüber, wann mit dem ursprünglich für 2010 geplanten Start begonnen wird. Zuletzt war aus der Koalition zu erfahren, dies sei auch nicht nötig, weil schon Mittel in den Haushalt eingestellt seien.
Umwelt, Verbraucher und Landwirtschaft
Die schwarz-gelbe Koalition will für die krisengeplagten Bauern ein Sofortprogramm in dreistelliger Millionenhöhe auflegen. Dafür sollen innerhalb von zwei Jahren 750 Millionen Euro zusätzlich bereitstehen. Allein für die Milchbauern sind zusätzliche Prämien von 500 Millionen Euro vorgesehen. Hinzu kommen weitere Zuschüsse zur Unfallversicherung von 200 Millionen sowie Liquiditätshilfen von 50 Millionen Euro jeweils für zwei Jahre. Das Programm wurde im Vergleich zu früheren Plänen deutlich abgespeckt, ist aber immer noch ein Erfolg für die CSU. Sie hatte sich vor allem für Hilfen für die Bauern eingesetzt.
Die Koalition macht sich zudem für den Anbau von Gen-Kartoffeln stark. "Der Anbau der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel Amflora für eine kommerzielle, industrielle Verwertung wird unterstützt", heißt es im Koalitionsvertrag. Dafür haben sich vor allem FDP und CDU eingesetzt. Der Chemiekonzern BASF hält die Kartoffel zur Stärkegewinnung für Klebstoffe oder Papier für sicher.
Das Anbauverbot für Genmais bleibt bis auf weiteres bestehen. "Beim erlassenen Anbauverbot für die gentechnisch veränderte Maissorte MON 810 wird der Ausgang des Gerichtsverfahrens abgewartet." Die FDP hatte gefordert, das Anbauverbot zu kippen. Dagegen verlangte die CSU, dass die Bundesländer selbständig über einen Anbaustopp für Gen-Pflanzen entscheiden dürfen. Geplant ist eine Sonderklausel, nach der die Länder die Sicherheitsabstände zu Feldern mit Gen-Pflanzen innerhalb eines bundesweit einheitlichen Rahmens eigenständig festlegen können. Bei Umweltverbänden stoßen die Pläne auf ein geteiltes Echo. Im Agrarbereich wolle Schwarz-Gelb den Anbau von Gen-Mais und anderen genmanipulierten Pflanzen voran treiben, so Greenpeace. "Die Mehrheit der Bürger lehnt seit Jahren Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Trotzdem will Schwarz-Gelb sie mit der Brechstange durchsetzen", sagte Greenpeace-Vertreter Stefan Krug. Außerdem sollen Pestizide schneller als bisher zugelassen werden, was die Giftbelastung von Böden, Gewässern und Nahrungsmitteln weiter erhöhe. "Das alles nutzt wenigen Agrarkonzernen, sonst niemandem."
Öko-Aktivisten kritisieren auch die Formulierungen in der Umweltpolitik, die insgesamt eher unkreativ ausgefallen sind. Der Koalitionsvertrag bevorzuge die Auto- und Flugindustrie. Krug kritisiert, dass "konkrete Maßnahmen zur Senkung des Spritverbrauchs nicht beschlossen wurden".
Überwiegend positiv seien die Beschlüsse zum internationalen Naturschutz, etwa die Finanzierung von Waldschutz oder ein Verbot von zerstörerischen Fischereipraktiken. "Hier muss sich die neue Regierung aber noch viel stärker engagieren, vor allem durch Bereitstellung von Milliardenbeträgen für den Klima- und Urwaldschutz in Entwicklungsländern", forderte Krug. Fatale Folgen für das Klima habe die Steuerbegünstigung von Biodiesel, da an Tankstellen vermehrt billigeres Soja- und Palmöl zum Einsatz kommen werde, für dessen Herstellung Urwälder in Indonesien und Argentinien abgeholzt würden.
Bauen, Wohnen und Verkehr
Bei den Themen Bauen, Wohnen und Verkehr beschränken sich Union und FDP im Koalitionsvertrag auf zahlreiche allgemeine Aussagen. "Uns geht es darum, Mobilität zu ermöglichen und nicht zu behindern", heißt es in den Passagen zur Verkehrspolitik. Der Bundesverkehrswegeplan müsse "an die aktuellen Bedürfnisse und Entwicklungen angepasst werden". Umweltverbände wie der Naturschutzbund sind dennoch alarmiert: Die neue Bundesregierung setze "auf neue Betonorgien beim Straßenbau, während der Schienenverkehr durch die Steuerfreiheit von Flugzeugbenzin weiter benachteiligt werde".
Das Schienennetz der Bahn bleibt nach dem Willen der neuen Regierung in der Hand des Staates. Netz, Bahnhöfe und Energieversorgung sollen bei der schrittweisen Privatisierung des Konzerns nicht an Investoren verkauft werden. Sie würden "im Zusammenhang mit der staatlichen Infrastrukturverantwortung stehen". Die Große Koalition hatte den Teilverkauf der Bahn im vergangenen Jahr wegen der Finanzmarktkrise abgesagt.
Schwarz-Gelb will darüber hinaus die Wohneigentumsquote erhöhen. "Dazu werden wir die Eigenheimrente vereinfachen", heißt es im Koalitionsvertrag.
Bildung und Forschung
In der Bildungspolitik hat sich die schwarz-gelbe Regierung in ihrem Koalitionsvertrag große Ziele gesetzt: Deutschland soll zur "Bildungsrepublik" werden, "mit den besten Kindertagesstätten, den besten Schulen und Berufsschulen sowie den besten Hochschulen und Forschungseinrichtungen". Bis 2013 will die Regierung die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung um insgesamt 12 Milliarden Euro erhöhen. Es gehe um "mehr Chancengerechtigkeit am Start, Durchlässigkeit und faire Aufstiegschancen für alle".
Ein Schwerpunkt soll auch die frühkindliche Bildung sein. Jeder fünfte Jugendliche in Deutschland habe "so geringe Kompetenzen in Lesen und Mathematik, dass er Gefahr läuft, auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt keine Chance zu haben. Deshalb müssen wir präventiv und möglichst früh in der Bildungsbiografie ansetzen", schreiben die Regierungspartner in ihrem Koalitionsvertrag.
Union und FDP wollen mehr junge Menschen an die Universitäten und Hochschulen bringen: "Wir setzen uns zum Ziel, die Studienanfängerquote weiter zu steigern." Künftig sollen mehr Studienanfänger "über die berufliche Bildung an die Hochschulen kommen".
In der Forschung will die schwarz-gelbe Regierung unter anderem die Biotechnologie weiter fördern. Sie sei eine "große Chance für den Wirtschafts - und Wissenschaftsstandort Deutschland und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit".
Auch der Stammzellenforschung wird große Bedeutung zugeschrieben. Sie biete besonders im Bereich der Gesundheit große Chancen. "Wir wollen sicherstellen, dass in Deutschland diese Chancen wahrgenommen werden können." Die ethisch umstrittene Forschung erfolge "auf dem Boden des geltenden Rechts und im Dialog mit allen gesellschaftlichen Akteuren".