

Rückzug André Poggenburgs AfD plötzlich gemäßigt?


André Poggenburg, noch Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt
Foto: Ronny Hartmann/ dpaIst das die konservative Revolution nach Art der AfD? Könnte es sein, dass die rechte Partei zum ersten Mal konsequent gegen ihre radikalen Rechten durchgreifen will? Auf den ersten Blick sieht alles danach aus: Keinen Monat, nachdem André Poggenburg in einer Baustoff-Lagerhalle nahe Pirna eine Schmährede über Deutsch-Türken als "vaterlandsloses Gesindel", "Kümmelhändler" und "Kameltreiber" hielt, gibt er den Fraktions- und Landesvorsitz der AfD in Sachsen-Anhalt auf. Ist das ein Signal, dass die AfD nun doch konsequent gegen verbale Brandstifter durchgreifen will?
In der Tat dürfte Poggenburg kaum so "freiwillig" zurückgetreten sein, wie er behauptet. Alles sieht danach aus, als hätten die Fraktionskollegen ihm Beine gemacht. Doch das liegt nicht daran, dass sie entsetzt über seine rassistischen Ausfälle gewesen wären. In der AfD, vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden, tragen Funktionäre die Kritik der "Systemmedien" oder "Kartellparteien" wie Orden. Wenn deine Auftritte kein Aufsehen erregen, dann hast du etwas falsch gemacht.
Deshalb war auch die Aschermittwochsrede von "Pogge", wie seine verbliebenen AfD-Freunde ihn liebevoll nennen, nur der Anlass für seine Demission. Die wahren Gründe waren denkbar unpolitisch: Rangeleien und Eifersüchteleien in der Fraktion, Poggenburgs herrischer Führungsstil, seine chronische Unerreichbarkeit und zuletzt der augenscheinliche Nepotismus zugunsten seiner Lebensgefährtin führten letztlich zu seinem Abstieg.
Kein Problem mit rechter Hetze
Wer hofft, dass die AfD als Ganze sich nun ändern könnte, dass Poggenburgs Ende gar der Anfang einer neuen Mäßigung sein könnte, sollte die Worte des einen Mannes studieren, der in der AfD wirklich etwas zu melden hat: Alexander Gauland. Der betagte Parteichef, der nach Schilderung von Eingeweihten noch versucht haben soll, Poggenburg zu schützen, hatte nicht das geringste Problem mit dessen Aschermittwochsrede. "Das bewegt mich nicht", sagte er dem AfD-Hausblatt "Junge Freiheit". In der "Bild" fügte er immerhin noch hinzu, die Sprache sei drastisch gewesen - "aber es war ja Aschermittwoch". Und im "Stern" stellte Gauland klar: "Das ist kein Rassismus, wenn ich sage: 'Die Türken gehören nicht zu uns.'"
Diese Worte lassen die einstimmige Rüge des AfD-Bundesvorstands für Poggenburg wie Hohn erscheinen. Zwar waren seine Beleidigungen offenbar sogar den eigenen Leuten in Sachsen-Anhalt zu krass, die sich nun um das Image ihres Parteiverbands sorgen. Es soll Austritte gegeben haben, und Eintrittsanträge sollen zurückgenommen worden sein. Aber dass AfD-Leute künftig von Beleidigungen und Schmähungen gegen Minderheiten und politische Gegner absehen, darf man bezweifeln. Auch nach Poggenburgs Abgang bleibt das gemäßigte Lager in der AfD, die "Alternative Mitte", eine kleine, machtlose Gruppe. Sie geben nicht den Kurs der Partei vor.
Zu oft schon verächtlich und rassistisch
Zu oft haben Gauland und andere Spitzenfunktionäre wie Alice Weidel oder Beatrix von Storch in Reden, Tweets oder gar einem Bundestagsantrag deutlich gemacht, dass ihre Haltung zu Deutsch-Türken genauso verächtlich und rassistisch ist wie die von Poggenburg. Migranten werden geduldet, aber nur, so lange sie sich ruhig verhalten. Wer aus Sicht der AfD unangenehm auffällt, etwa indem er sich unbotmäßig über die deutsche Kultur auslässt (wie die SPD-Politikerin Aydan Özoguz), oder sich satirisch über das Aussterben der Deutschen mokiert (wie der Journalist Deniz Yücel), hat aus Sicht der Rechtspopulisten sein Deutschsein verwirkt. Oder, um eine Vokabel zu verwenden, die Poggenburg gerne nutzt: Dann hat die deutsche "Volksgemeinschaft" das Recht, sich dieser undankbaren Ausländer entledigen zu wollen. Dann fällt der AfD-Community wieder ein, dass es echte Deutsche und "Passdeutsche" gibt.
In diesem Chor der Wut dringen mäßigende Stimmen kaum durch. Und auch bei versöhnlichen Tönen ist Vorsicht geboten: Gerade erklärte Gaulands Co-Chef Jörg Meuthen auf Facebook, "selbstverständlich" seien alle Menschen mit deutschem Pass gleichberechtigte Deutsche. Doch es war genau dieser Meuthen, der einst in einer Parteitagsrede klagte, er sehe in seiner süddeutschen Heimatstadt leider "nur noch vereinzelt Deutsche". Man darf bezweifeln, dass Meuthen sich die Pässe dieser Menschen hat zeigen lassen.
Korrektur: In einer ersten Version dieses Kommentars hieß es im Vorspann, Poggenburg habe am Aschermittwoch gegen "Kümmeltürken" gehetzt. Das hat er nicht getan. Er hetzte stattdessen gegen Deutsch-Türken als "vaterlandsloses Gesindel", "Kümmelhändler" und "Kameltreiber".