Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»In seinem Auftaktstatement hat er gesagt, ja, er könne den Unmut verstehen, den manche wegen der gescheiterten Pkw-Maut empfinden.«
Verkehrsminister Andreas Scheuer musste zum zweiten Mal vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags sein Vorgehen bei der gescheiterten PKW-Maut verteidigen. In einem Interview hatte er sich zuletzt sogar für das Fiasko entschuldigt. Vor dem Ausschuss wartete man darauf vergeblich.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»Als dann heute aber mal nachgefragt wurde, wofür er sich entschuldigen wolle, da fiel ihm eigentlich nicht so richtig was ein. Und naja, im Gegenteil, er sagte heute sogar, er würde eigentlich alles wieder so machen, wie er damals entschieden hat.«
2018 hatte Scheuer Verträge geschlossen, noch bevor klar war, ob die geplante PKW-Maut^1 rechtens ist. Der Europäische Gerichtshof kippte das Vorhaben schließlich. Die Betreiberfirmen fordern seitdem 560 Millionen Euro Schadensersatz – für die vielleicht noch die Steuerzahler aufkommen werden müssen. Mehrfach betonte Scheuer vor dem Ausschuss, nach »bestem Wissen und Gewissen« gehandelt zu haben.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»Er hat heute ganz clever die Schuld eigentlich fast ausschließlich bei seinem Staatssekretär abgeladen. Denn er hat gesagt, er hat ihn wirklich immer wieder gefragt: Ist das europarechtlich konform? Müssen wir etwas fürchten von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes? Mittlerweile wissen wir ja, dass das Gericht gesagt hat, die Maut ist europarechtswidrig. Und es wurde ihm immer gesagt: Das ist alles okay. Und er hat seinen Mitarbeitern vertraut.«
Der Untersuchungsausschuss hingegen hat viele starke Indizien zusammengetragen, etwa dafür, dass Haushaltsrecht gebrochen worden sein könnte. Es bestehen Zweifel an Scheuers Willen zur Transparenz und an seiner Glaubwürdigkeit.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»Es steht auch der Vorwurf im Raum, dass Scheuer die Abgeordneten angelogen hat. Er hat sie nicht korrekt über eines dieser Geheimgespräche und ein Angebot, was dort gemacht wurde, unterrichtet. Jetzt ist es so, dass er sich an die Worte, die da gewechselt wurden, in diesem Gespräch nicht erinnern konnte. Und auch sein Staatssekretär konnte sich nicht erinnern, sodass jetzt Aussage gegen Aussage steht.«
Für die Opposition steht nach gut einem Jahr im Untersuchungsausschuss fest, dass bei der Maut nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Sie fordert den Rücktritt des Ministers.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»Das alles sind Dinge. Naja, mit denen er jetzt praktisch leben muss und aber auch ganz gut leben kann. Denn es wird vonseiten der Großen Koalition sicherlich nicht ein Rücktritt gefordert, so wie die Opposition ihn fordert. Das hat damit etwas zu tun, dass sich natürlich das Interesse der Öffentlichkeit jetzt in der Coronakrise stark von dieser Mautaffäre weg entwickelt hat.«
Ist Scheuer trotz des Vertrauensverlustes in der Öffentlichkeit noch tragbar? Er könnte die Rücktrittsforderungen der Opposition einfach aussitzen. Denn der Koalitionspartner SPD sieht die Verantwortung bei Scheuers Partei, der CSU.
Gerald Traufetter, DER SPIEGEL:
»Es gibt doch noch die SPD als Koalitionspartner, die eigentlich diejenige sein könnte, die sagt, Scheuer ist untragbar in seinem Amt. Die macht das aber nicht. Und das kann auch etwas damit zu tun haben, dass die SPD einen Minister hat, der auch in einem Untersuchungsausschuss gerade unter Druck steht. Das ist nämlich der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Und es geht um den Wirecard Skandal.«