Abgeordnete appellieren an Merkel "Nicht Erdogan nach dem Mund reden"

Am Donnerstag reist Kanzlerin Merkel zum ersten Mal seit dem Putschversuch in die Türkei. Die Menschenrechtsbeauftragte und türkischstämmige Abgeordnete fordern klare Worte an Präsident Erdogan.
Angela Merkel

Angela Merkel

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, bei ihrer Türkeireise die Menschenrechtslage offen anzusprechen. Zwar sei der Umgang mit den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan diplomatisch schwierig, sagte Bärbel Kofler der "Frankfurter Rundschau". In Fragen der Rechtsstaatlichkeit könne es jedoch keine Kompromisse zulasten von Menschenrechten geben.

Aus Gesprächen mit türkischen Parlamentariern habe sie "die klare Bitte mitgenommen, dass mehr Klartext gesprochen werden sollte", sagte die SPD-Politikerin. Zwar dürfe der Gesprächsfaden nicht abreißen, aber es müsse auch "klar und deutlich gemacht werden, welche Menschenrechtsverletzungen stattfinden". Kofler nannte insbesondere "Verhaftungen ohne Anklage" und Verletzungen der "Presse- und Meinungsfreiheit" sowie Überlegungen Ankaras, die Todesstrafe wieder einzuführen.

Auch türkischstämmige Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen appellierten an Merkel, gegenüber Präsident Recep Tayyip Erdogan klar Position zu beziehen. "Die Bundeskanzlerin muss mit Worten und Taten verhindern, dass ihr Besuch als Unterstützung für das bevorstehende Verfassungsreferendum zur Einführung des Präsidialsystems verstanden wird", sagte der Grünen-Politiker Özcan Mutlu dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe sagte, Merkel müsse "Position beziehen in der Frage, wie sie das Referendum über die Verfassungsänderung und die Bedrohung der parlamentarischen Demokratie bewertet". Die Kanzlerin dürfe "Erdogan nicht nach dem Mund reden". Ähnlich äußerte sich Cemile Giousouf, einzige türkeistämmige Abgeordnete der Unionsfraktion. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen sagte im Gespräch mit dem RND, dass Merkel "zur völlig falschen Zeit" in die Türkei reise. Ihr Besuch könne leicht als Wahlkampfhilfe für Erdogan vor dem Verfassungsreferendum ausgelegt werden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief Merkel zudem auf, auch die Spitzel-Vorwürfe gegen Imame der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) anzusprechen. "Sie muss klarstellen, dass wir nicht dulden können, dass über den muslimischen Dachverband Ditib innertürkische Konflikte nach Deutschland getragen werden", sagte Mützenich dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Ditib hatte in der vergangenen Woche bestätigt, dass Imame des Verbands Informationen über Anhänger des in der Türkei als Staatsfeind gesuchten Predigers Fethullah Gülen nach Ankara geschickt hatten. Der Verband sprach von einem Versehen.

Merkel wird am Donnerstag in Ankara erwartet. Es ist das erste Mal seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli, dass die Kanzlerin die Türkei besucht. Kritiker halten den Zeitpunkt des Besuchs für falsch gewählt: In der Türkei steht Ende März oder Anfang April das Referendum über die höchst umstrittene Verfassungsreform an, die Erdogan eine immense Machtfülle verschaffen würde.

max/AFP/dpa
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