Deutsch-türkisches Verhältnis Merkel fehlt bei Staatsbankett für Erdogan
Angela Merkel wird nach SPIEGEL-Informationen nicht an dem großen Staatsbankett für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Schloss Bellevue teilnehmen. In Regierungskreisen wurde am Montag bestätigt, dass die Kanzlerin nicht zu dem großen Defilee, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für den Staatsgast ausrichtet, kommt. Bei der glamourösen Abendveranstaltung werden etwa hundert handverlesene Gäste erwartet.
Ob die Nichtteilnahme von Merkel ein politisches Zeichen darstellt, ist schwer zu sagen. Natürlich wird die Kanzlerin zu jedem Staatsbankett eingeladen. In der Vergangenheit aber war sie nur bei sehr wichtigen Abendterminen im Schloss Bellevue zu Gast, zuletzt beim Besuch der Queen 2015 und dem Besuch des Emirs von Katar fünf Jahre zuvor.
Der Bundespräsident veranstaltet für jeden formalen Staatsgast ein solches Dinner. Im Fall von Erdogan ist das formelle Festessen seit Wochen ein Streitthema. Zwar hat er Deutschland in den vergangenen 15 Jahren mehr als ein Dutzend Mal als Ministerpräsident oder Präsident besucht.
Nun aber steht vom 27. bis 29. September der erste formelle Staatsbesuch inklusive Empfang mit militärischen Ehren und eben dem Staatsbankett auf dem Terminplan. Nicht nur in der Opposition finden viele, dass dies ein bisschen zu viel der Ehre für den schwierigen Partner ist.
Folglich machten in den letzten Tagen prominente Absagen zum Festessen Schlagzeilen. FDP-Chef Christian Lindner schlug seine Einladung aus, weil er "nicht Teil von Erdogan-Propaganda" sein will, auch der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, sagte ab.
Özdemir will kommen
Die Grünenchefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie die Grünenfraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter lehnten die Offerte ebenfalls ab. Abgesagt haben auch die AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland und Alice Weidel, ebenso AfD-Co-Parteichef Jörg Meuthen und AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann. Auch die Linken-Fraktionsvize Sevim Dagdelen schlug eine Einladung aus.
Kommen will allerdings der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir. Zwar stehe außer Frage, dass Erdogan ein solches Staatsbankett nicht verdient habe, sagte Özdemir dem "Tagesspiegel". Mit seiner Teilnahme erhoffe er sich aber, ein Signal sowohl in die Türkei als auch in die deutsch-türkische Gemeinschaft zu senden, das klarmache: "Die Opposition in Deutschland gehört zur Politik dieses Landes dazu, wir sind ein fester und notwendiger Bestandteil unserer Demokratie."
Grundsätzlich lädt der Bundespräsident die Spitzen der deutschen Politik zu dem Bankett ein. Wie prominent die Besetzung an den Festtischen am Ende ist, hängt vor allem von der Bedeutung der Staatsgäste ab. Eingeladen sind ebenfalls Kulturschaffende, Wirtschaftsvertreter und auch ein paar Vertreter der Medien. Auf die Gästeliste zu kommen, gilt als große Ehre. Im Fall von Erdogan aber tun sich viele schwer, zu tiefgreifend sind die Zweifel an dem autokratischen Staatschef.
Der Kanzlerin dürfte die Erklärung ihres Schwänzens einfacher fallen: Bei seiner zweitägigen Visite hat Merkel gleich zweimal ausführlich Gelegenheit, mit Erdogan zu sprechen. Am ersten Tag trifft sie den Gast aus der Türkei zu einem Arbeitsmittagessen, am Tag darauf kommt er erneut für ein längeres Gespräch ins Kanzleramt. Danach, so jedenfalls berichtet die türkische Presse, will er in Köln an der Eröffnung einer Moschee teilnehmen.
Präsidialamt rechnet mit rund 120 Gästen
Trotz beidseitiger Bemühungen um eine Entspannung des zeitweise völlig gestörten deutsch-türkischen Verhältnisses gibt es bis heute viele gravierende Streitpunkte. Aus deutscher Sicht steht die Frage von gut einem halben Dutzend deutscher Staatsbürger im Vordergrund, die in der Türkei wegen zum großen Teil fingiert wirkender Terrorvorwürfe in Haft sitzen. Auch Erdogans Vorgehen gegen die freie Presse in der Türkei sorgt in Berlin für Sorgen.
Außenminister Heiko Maas wird über diesen und andere Konflikte weder beim Staatsbankett noch bei einem Arbeitstreffen mit Erdogan reden können: Der SPD-Minister ist während des Staatsbesuchs auf Dienstreise in New York.
Aus Kreisen des Bundespräsidialamtes hieß es am Montag nach dem Erscheinen dieser Meldung, die Teilnahme der Kanzlerin an Staatsbanketten sei "keinesfalls üblich". Merkel nehme grundsätzlich allenfalls sporadisch an den Festessen teil. Zum Beispiel habe sie auch beim Dinner für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gefehlt.
Wer die Bundesregierung beim Staatsbankett vertrete, sei derzeit noch nicht absehbar. "Die Bundesregierung wird vertreten sein", hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Gerechnet wird im Schloss Bellevue mit rund 120 Gästen. Sowohl Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als auch Erdogan werden kurze Ansprachen halten.