Populismusdebatte im Bundestag In Trumps Schatten

Erstmals seit Klärung der K-Frage tritt Angela Merkel im Bundestag auf. Im Mittelpunkt aber steht nicht die Kanzlerin. Sondern Donald Trump.
Angela Merkel (bei der Generaldebatte im Bundestag)

Angela Merkel (bei der Generaldebatte im Bundestag)

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ AFP

Seinen Namen erwähnt Angela Merkel nicht ein einziges Mal. Und doch ist Donald Trump auch bei ihrem Auftritt stets präsent. Als sie ihre Sorge äußert über die Folgen manipulierter Meldungen und Hasskommentare im Internet. Als sie beklagt, dass das transpazifische Handelsabkommen TTP wahrscheinlich platzt. Als sie davor warnt, sich aus Angst vor der Globalisierung abzuschotten.

Es ist der erste Auftritt der Kanzlerin im Bundestag, seit sie verkündet hat, erneut antreten zu wollen. Einen möglichen Vorgeschmack auf den Wahlkampf erwarteten daher manche an diesem Mittwoch bei der Generalaussprache über Merkels Politik.

Den gibt es dann auch. Allerdings nicht, weil die SPD sich nun auf offener Bühne langsam aus der Koalitionsdisziplin verabschieden würde. Sigmar Gabriel, möglicher Herausforderer der CDU-Chefin, meldet sich in der Debatte ohnehin nicht zu Wort. Nein, es ist der künftige US-Präsident, der die Parlamentarier umtreibt. Und was sein Triumph für das deutsche Wahljahr 2017 bedeutet.

Trump, so die einhellige Sorge unter allen Demokraten im Bundestag, könnte den Populisten auch hierzulande weiter Auftrieb geben, er könnte ihnen ein Vorbild sein: seine Art, Wahlkampf zu machen, sein rüder, beleidigender Ton, sein Rassismus, sein Hang, klassische Medien zu diffamieren und seine Wähler stattdessen direkt über soziale Netzwerke anzusprechen. Die politische Auseinandersetzung droht in den kommenden Monaten weiter zu verrohen.

Im Grunde sind sich Union, SPD und Grüne einig - in der Diagnose und im Willen gegenzusteuern. Merkel versucht es mit einem Appell für Weltoffenheit und Respekt. Deutschland müsse seine freiheitlichen Werte in die Welt tragen, gemeinsam mit der EU und - das sagte sie ausdrücklich - gemeinsam mit den USA.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mahnt: "Wenn Unsicherheit und Angst in der Gesellschaft zunehmen, dann müssen wir für Solidarität, für Verlässlichkeit und für Sicherheit sorgen." Anton Hofreiter, sein Amtskollege von den Grünen, fordert ein Bündnis gegen Demagogen: "Wir müssen uns gemeinsam den Demagogen, den Nationalisten und den Autoritären entgegenstellen."

Im Video: Die wichtigsten Aussagen aus Merkels Rede

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Freiheit, Solidarität und Humanismus stünden auf dem Spiel, sagt Hofreiter. Keine soziale Not und "keine gefühlte Identitätsverunsicherung" rechtfertige rassistische, frauenfeindliche oder homophobe Handlungen. Da nickt die Kanzlerin auf der Regierungsbank zustimmend, ihr Fraktionschef Volker Kauder applaudiert.

Wie sich aber das gesellschaftliche Klima wirklich entgiften lässt, auf diese Frage gibt es keine endgültigen Antworten. Die Kanzlerin wirkt durchaus forsch an diesem Mittwoch, sie betont, man müsse den Menschen immer wieder erklären, welche Chancen ihnen die Globalisierung und Digitalisierung bringe.

Zugleich steht sie selbst auch einigermaßen ratlos vor den Risiken. "Heute können Fakeseiten, Bots, Trolle, Meinungsbildung verfälschen", schimpft Merkel über die Desinformationsflut im Internet. "Um Menschen zu erreichen, um Menschen zu begeistern, müssen wir mit diesen Phänomen umgehen und, wo notwendig, sie auch regeln." Sie will also prüfen lassen, ob es über die bisherigen Initiativen hinaus Gesetzgebungsbedarf gibt. Aber ob man damit etwas bewirkt, ob man überhaupt etwas regeln kann, daran gibt es auch in der Bundesregierung Zweifel.

Wagenknechts Tiraden

Zumal im Bundestag auch zu bestaunen ist, wie kompliziert die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Populismus schon in der ganz realen Welt ist. Noch vor der Kanzlerin tritt Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ans Pult und zeichnet das Bild einer Bundesrepublik, die dem Untergang geweiht zu sein scheint.

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Während Merkel später betont, den Deutschen gehe es bei aller Kritik und allen Nöten so gut wie noch nie, zitiert Wagenknecht aus Wählerzuschriften, in denen beklagt wird, das Land sei "konzerngesteuert", es gebe keine Demokratie mehr. Als das Plenum jenseits der Linken aufstöhnt, wirft sie der Koalition vor, dies zeige "die ganze Arroganz Ihrer Politik".

Wagenknecht ist in Fahrt, mit dem Sieg Trumps in den USA sei das "Weiter so" abgewählt worden, sagt sie mit Blick auf Merkels erneute Kandidatur. "Auch in Deutschland haben immer mehr Menschen gute Gründe, enttäuscht und wütend zu sein über eine großkoalitionäre Einheitspolitik, die sich für ihre Zukunftsängste überhaupt nicht mehr interessiert."

Zwischenzeitlich äußert die Linken-Galionsfigur so viel Verständnis für den weltweiten Zuspruch für Rechtspopulisten vom Schlage Trump oder auch Marine Le Pen in Frankreich, dass man sich nicht mehr sicher sein kann, auf welcher Seite sie steht. Wagenknechts Tirade gipfelt in dem Satz: "Offenbar hat ja selbst noch ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie."

Nicht erst an diesem Punkt muss man sich fragen, ob all die Gedankenspiele für ein rot-rot-grüne Machtoption nach der Bundestagswahl nicht schon jetzt obsolet sind. SPD-Fraktionschef Oppermann jedenfalls hält Wagenknecht vor, die AfD zu stärken: "Früher hieß es: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Heute heißt es: Populisten aller Länder vereinigt euch."

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