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Regierungserklärung im Bundestag Die Kanzlerin kämpft

Selten hat man Angela Merkel so kämpferisch gesehen: Die Kanzlerin wirbt im Bundestag für eine europäische Lösung im Asylstreit. Und bemüht sich dennoch um Versöhnung mit der CSU.

Es dauert 15 Minuten, bis Angela Merkel zum entscheidenden Teil ihrer Regierungserklärung kommt. Lange spricht die Kanzlerin im Bundestag zunächst über die Nato, die Währungsunion und die Handelspolitik. Doch dann geht es endlich um das Thema, das derzeit die politische Debatte bestimmt: Am Abend werde sie beim EU-Gipfel mit den anderen Staats- und Regierungschefs über die Migrationspolitik reden, sagt Merkel.

Es ist ein bemerkenswert kämpferischer Auftritt - für Merkels Verhältnisse. Die Kanzlerin, die in ihren Reden sonst so gern noch mal drei, vier Nebensätze mehr einbaut, bemüht sich um klare Sprache. Auch die Zwischenrufe der AfD überspielt sie nicht so ungerührt wie sonst. Als aus der Fraktion der Rechtspopulisten einmal besonders lautes Schimpfen kommt, schüttelt Merkel den Kopf und macht ihrem Unmut Luft: "Mein Gott, echt mal!"

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Inhaltlich hält sie in der Erklärung an ihrem Kurs fest: Es soll eine europäische Lösung im Asylstreit her. Was waren Merkels wichtigste Aussagen? Und was bedeuten sie?

  • "Europa hat viele Herausforderungen. Aber die mit der Migration könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden."

Mit diesen Worten beendete Merkel ihre 30-minütige Regierungserklärung. Die beiden Sätze machen klar, für wie entscheidend die Kanzlerin die Auseinandersetzung mit Innenminister Horst Seehofer hält. Der CSU-Chef fehlte während Merkels Ansprache übrigens im Plenum.

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Merkel sagte, entweder bewältige Europa die Herausforderung so, dass in Afrika und anderswo daran geglaubt werde, dass "uns Werte leiten". "Oder aber niemand wird mehr an unserer Wertesystem glauben, das uns so stark gemacht hat."

Die Kanzlerin warnt damit davor, dass ein nationaler Alleingang bei den Zurückweisungen weit größere Konsequenzen haben könnte als das Ende der Bundesregierung. Die Europäische Union als Ganzes steht für sie auf dem Spiel. Deshalb bleibt sie in der Sache bisher so unnachgiebig im Streit mit Seehofer.

  • "Deutschland geht es auf Dauer nur gut, wenn es auch Europa gut geht."

Diesen Satz hat Merkel schon oft gesagt. Auch im Bundestag. Er zeigt, wie stark die Kanzlerin auf Europa setzt.

Sie meint damit auch die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, aber nicht nur. Merkel ist fest davon überzeugt, dass die Bundesrepublik die zahlreichen außenpolitischen Konflikte nur zusammen mit den europäischen Partnern bestehen kann. Deshalb betont sie diesen Punkt so.

In diesem Zusammenhang bekräftigte Merkel, es werde langfristig eine europäische Lösung in der Migrationspolitik geben. Dies sei das gemeinsame Interesse aller EU-Partner.

  • "Die Migration muss besser geordnet und gesteuert werden." Wenn das nicht mit allen Mitgliedstaaten erreicht werden könne, brauche es "eine Koalition von willigen Ländern".

Ein Zugeständnis an die CSU. Merkel gab zu, dass die EU in der Migrationspolitik noch nicht da sei, "wo wir sein wollen". Eine vollständige Klärung des Themas wird sie auch bei dem Gipfel nicht erreichen, gab sie zu.

Es werde sicher keine perfekte Lösung geben, aber einen Anfang, sagte Merkel. Ihr Ziel ist es, bilaterale Abkommen mit einzelnen Ländern über Zurückweisungen an der Grenze zu schließen. Die Hoffnung ist, dass dies der CSU ausreicht und Seehofer darauf verzichtet, im Alleingang zu handeln. Eine Lösung dürfe "nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zulasten Dritter" erfolgen, so Merkel.

Wichtig seien ihr bei der geplanten Dublin-IV-Verordnung, die die Verteilung der Flüchtlinge neu regeln soll, zwei Punkte: Asylbewerber sollen sich das Land nicht aussuchen dürfen, in dem sie Asyl stellen. Zugleich dürfe Europa aber die Grenzstaaten wie Italien und Griechenland nicht alleinlassen - ein Grundproblem der geltenden Dublin-III-Verordnung.

  • "Wir wollen, dass sich die Ausnahmesituation von 2015 nicht wiederholt."

Merkel verteidigte ihr Handeln vom September 2015, Asylbewerber an der Grenze nicht zurückzuweisen. Dabei habe sie nicht allein gehandelt, sondern in Absprache mit den Regierungen von Ungarn und Österreich. Mittlerweile seien die Flüchtlingszahlen deutlich gesunken. Merkel will - im Gegensatz zu Seehofer - klarmachen: Wir haben die Lage im Griff.

Auffällig aber auch: Die Kanzlerin räumte Handlungsbedarf im Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern ein. Sie verwies auf die Ermordung der 14-jährigen Susanna aus Mainz sowie auf die Schwierigkeiten bei der Abschiebung eines mutmaßlichen Ex-Leibwächters von Qaida-Anführer Osama bin Laden.

Auch das, diese neue Härte Merkels, war offenkundig ein Zugeständnis an die wahlkämpfende CSU.

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