Merkels Kandidatur Kann auch schiefgehen

CDU-Chefin Angela Merkel (bei der Verkündung ihrer erneuten Kandidatur)
Foto: TOBIAS SCHWARZ/ AFPBei der AfD ist der Kampf schon eröffnet. Vom "Machtmonster" und einem "schwarzen Tag für Deutschland" etwa ist in den Kommentarspalten auf dem Facebook-Profil der Rechtspopulisten die Rede. Es sind freundlichere Beispiele für die dort zu lesenden Reaktionen auf Angela Merkels Ankündigung, für eine vierte Amtszeit anzutreten.
Die Kanzlerin wird sich die Lektüre solcher Seiten ersparen. Sie ahnt auch so, was ihr bevorsteht. Diese Wahl werde so schwierig wie keine zuvor, sagt die CDU-Chefin voraus. "Wir werden es mit Anfechtungen von allen Seiten zu tun haben." Von rechts sowieso, aber auch von links, auch international. Und - was Merkel nicht erwähnt - selbst aus den eigenen Reihen droht Gefahr.
Der Vorsprung in den Umfragen mag derzeit deutlich sein - aber ein Selbstläufer wird die erneute Kandidatur für die Kanzlerin ganz sicher nicht. Was kommt auf Merkel zu? Und was hat sie dem entgegenzusetzen?
Gefahr von innen

CSU-Chef Horst Seehofer
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpaAuf den kühlen Kommentar des CSU-Chefs zu ihrer erneuten Kandidatur reagierte Merkel mit Humor. Horst Seehofer habe "doch ganz konstruktiv gesprochen", frotzelte sie bei "Anne Will". Die CDU-Vorsitzende weiß: Am Ende wird auch die CSU sie unterstützen.
Die Frage ist nur, ob es reicht, wenn eine nur halbherzig überzeugte CSU Wahlkampf für Merkel macht. Oder können die Christsozialen ihren Wählern in Bayern klarmachen, dass es sie als Aufpasser in Berlin braucht und so ein starkes Ergebnis einfahren, das Merkel für einen Wahlsieg braucht?
Und die Merkel-Müdigkeit grassiert ja nicht nur in der CSU. Auch unter den Christdemokraten schreit nicht jeder Hurra, nur weil sich niemand anderes aufdrängt. Das ist gefährlich. Merkel selbst erkennt ja, dass die nächste Wahl nicht im Schlafwagen zu gewinnen ist. Also ist sie im Wahlkampf auf entschlossene, motivierte Unterstützer angewiesen. Die sollten dann aber zu hundert Prozent von ihrer Kandidatin überzeugt sein. Darauf kann sich die Parteichefin bei allem demonstrativen Zuspruch aus den eigenen Reihen bisher nicht verlassen.

Fotostrecke: 16 Jahre CDU-Chefin, elf Jahre Kanzlerin
Gefahr von links
Merkel prophezeit "Anfechtungen von links mit der Möglichkeit einer rot-rot-grünen Bundesregierung, wenn es dafür rechnerisch einigermaßen reichen würde". Nun dürfte die SPD-Führung aus der Großen Koalition heraus kaum auf einen linken Lagerwahlkampf setzen. Aber: Sigmar Gabrielwird sich die Option offenhalten, niemand in der SPD verspürt große Lust, sich zum dritten Mal einer Kanzlerin Merkel unterzuordnen.
Schon jetzt versuchen die Genossen, eine Wechselstimmung zu schüren, indem sie Merkel als verbraucht und ideenlos darstellen:
— Katarina Barley (@katarinabarley) November 20, 2016
Für Merkel ist die rot-rot-grüne Gefahr real: Schon heute hätten SPD, Grüne und Linke im Bundestag eine Mehrheit - wenn sie denn wollten. Den Wahlkampf mit dem linken Schreckgespenst wird die CDU-Chefin aber vor allem der CSU überlassen. Das Problem dabei: Wenn die Schwesterpartei die Grünen als politischen Feind definiert, wird es für Merkel schwierig, Schwarz-Grün als mögliche Alternative zur Großen Koalition im Spiel zu halten.
Gefahr von rechts

Rechtsradikale Demonstranten (im November in Berlin)
Foto: Carsten Koall/ Getty ImagesNicht nur im Internet wird die Kanzlerin aufs Übelste angefeindet, auch bei öffentlichen Auftritten schallen ihr Hass und Wut entgegen. Dass Politiker das aushalten, dass sie davor nicht einknicken, dass sie dem Geschrei freiheitliche, demokratische Werte entgegenhalten, ist aller Ehren wert. Aber wie lässt sich das gesellschaftliche Klima wieder entgiften?
Für die AfD und ihre Anhänger ist Merkels erneute Kandidatur eine Provokation. Eine willkommene Provokation. Die Rechtspopulisten werden die Kanzlerin noch mehr zur Hassfigur stilisieren, sie werden die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben, um bei der Bundestagswahl zu punkten.
Gerade für die Union ist es ein Balanceakt, eine klare Grenze nach rechts zu ziehen, zugleich aber enttäuschte Wähler wieder zurückzuholen. Wie schwer sich die CDU damit tut, zeigt schon die Debatte über den Leitantrag für den Parteitag, der Basis für das Wahlprogramm sein soll.
Der ursprüngliche Satz, man wolle auch um die "Modernisierungsverlierer" werben, die bei populistischen Parteien Zuflucht suchten, wurde aus dem Entwurf wieder gestrichen - aus Sorge, Menschen zu stigmatisieren. Stattdessen heißt es nun allgemein, man wolle "verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen". Nur wie?
Gefahr von außen

Matrjoschka-Puppen mit Merkel, Trump, Putin in einem Souvenirgeschäft in Moskau
Foto: SERGEI KARPUKHIN / REUTERSTrump, Putin, Erdogan, ein gespaltenes Europa, in dem Populisten vielerorts Oberwasser haben - und dazwischen Angela Merkel als Retterin der freien Welt? "Grotesk und geradezu absurd" nennt sie selbst die internationalen Erwartungen an ihre Person.
Sie tut gut daran, die ihr zugedachte Rolle als Heilsbringerin frühzeitig zurechtzustutzen. Ob es gelingt? Aus dem Ausland wird Merkel jedenfalls unter verschärfter Beobachtung stehen.
Unwägbarkeiten birgt die anhaltende Flüchtlingskrise. Merkel setzt selbst den Maßstab: "Die Ereignisse des vergangenen Jahres dürfen sich nicht wiederholen", heißt es im Leitantrag für den Parteitag. Doch was, wenn das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei nicht hält? Was, wenn die Flüchtlingszahlen wieder steigen?
Große Sorgen bereitet der Kanzlerin auch die terroristische Bedrohung. Die Anschläge von Würzburg und Ansbach hatten Merkel im Sommer erheblich unter Druck gesetzt. Niemand kann die Dynamik für den Wahlkampf voraussagen, sollten islamistische Gewalttäter in Deutschland zuschlagen.
Merkel im Video: "Ich habe unendlich viel darüber nachgedacht"