CDU-Streit in der Flüchtlingskrise Merkel lässt Klöckner abblitzen

Kanzlerin Merkel, Wahlkämpferin Klöckner: "Umfrage-Schock"
Foto: Fredrik Von Erichsen/ dpaEs ist eine alte Regel im Politikgeschäft. Wenn es nicht gut läuft in einem Landtagswahlkampf, dann liegt das gerne mal am sogenannten Bundestrend, dem man sich schwer entziehen könne. Dann hilft nur noch eins: Die Wahlkämpfer müssen sich gegen das eigene Spitzenpersonal stellen, und wenn es der Kanzler ist.
Genau so läuft es jetzt bei der CDU in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt: Seit Wochen sehen Julia Klöckner, Guido Wolf und Reiner Haseloff ihre Umfragewerte in Gefahr, am Montagmorgen nun diagnostizierte die "Bild"-Zeitung gar den dreifachen "Umfrage-Schock" für die Christdemokraten.
Geht es nach den Meinungsforschern von Insa, muss Wolfs CDU in Baden-Württemberg fürchten, von den Grünen als stärkste Partei abgelöst zu werden, Klöckner liegt in Rheinland-Pfalz nur noch zwei Prozentpunkte vor der SPD, und Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Haseloff könnte selbst die schwarz-rote Mehrheit wegbrechen, weil die AfD jetzt vor der SPD liegt.
Das alles, so glauben die Wahlkämpfer, kann nur mit der Flüchtlingspolitik Angela Merkels zu tun haben. Also muss der Befreiungsschlag her: absetzen von der Kanzlerin, um daheim beim Wahlvolk besser anzukommen.
Diese Strategie hat nur einen Haken: Bislang sind Landespolitiker in den meisten Fällen mit solchen Versuchen gescheitert.
Und diesmal?
Klöckner und Wolf haben in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem tagesaktuelle Flüchtlingskontingente gefordert - also das, was gerade Österreich beschlossen hat. Unter dem Protest der deutschen Regierung wohlgemerkt. Die Distanz zu Merkel ist damit in der Welt.
"Parteiinterne Überlegungen"
Die Kanzlerin ist Querschüsse aus der eigenen Partei und von der Schwester CSU in der Flüchtlingspolitik ja inzwischen gewohnt. Aber das hier hat schon eine andere Qualität: Zwei Wahlkämpfer, die sie gleichsam präventiv schon mal für ein möglicherweise schwaches Wahlergebnis verantwortlich machen. Dazu ist Klöckner ihre Stellvertreterin auf Bundesebene. Da reibt sich sogar der Koalitionspartner die Augen.
Merkel lässt das Duo am Montag erst einmal abblitzen. Ihr Regierungssprecher qualifiziert die Vorschläge am Montag als "parteiinterne Überlegungen" ab, "die in der Tat auch in der Partei zu diskutieren sind". Die Regierung bemühe sich, europäisch mit allen 28 Mitgliedsländern voranzukommen, und habe dafür beim EU-Gipfel "erhebliche Unterstützung" erfahren.
Unionsfraktionschef Volker Kauder nimmt sich Klöckner und Wolf in der ARD vor: Er "rate allen", den von Merkel vorgegebenen Kurs weiterzuführen, dieser sei erfolgreich. Es komme darauf an, Merkel für die Verhandlungen in der EU und mit der Türkei den Rücken zu stärken, und "dass wir denen, die sich nicht korrekt verhalten, wie den Österreichern, auch sagen, dass es so nicht geht".
In einer Telefonkonferenz des CDU-Vorstands am Montagmorgen geht Merkel nicht direkt auf den Klöckner-Wolf-Plan ein, macht aber klar, dass sie bei ihrem Kurs bleibt. Auch Klöckner und Wolf melden sich zu Wort, laut Teilnehmern nehmen sie ihrem Papier aber die Schärfe. Der Vorstoß sei als Ergänzung zu Merkels Politik gedacht; man benötige Antworten für den Fall, dass beim europäisch-türkischen Gipfel am 7. März - also eine Woche vor den Landtagswahlen - nichts herauskomme.
So redet man einen Konflikt klein, aber so vermindert man eben auch wieder jene Distanz zur Regierungschefin, die man der Öffentlichkeit doch wohl vorführen wollte.
Halbherziger Ausbruchsversuch
Ein CDU-Vorstand, der aufseiten Merkels steht, sagt, man sei wieder enger zusammengerückt. Im Klartext: Klöckner und Wolf sind eingefangen. Es bringe nichts, sagt der CDU-Politiker, immer wieder neue Vorschläge zu machen, statt die Wirkung der aktuellen Maßnahmen abzuwarten. Fraglich nur, ob diese Wirkung vor den Landtagswahlen spürbar wird. Die Nervosität der Wahlkämpfer ist groß.
Klöckner und Wolf dürften sich dennoch keinen Gefallen getan haben mit ihrem halbherzigen Ausbruchsversuch. Denn wer erst Merkel kritisiert, dann aber nicht liefern kann, der gilt als durchsetzungsschwach. Gleichzeitig wirkt die Partei zerstritten. Keine guten Voraussetzungen.
Merkel hat schon einmal erfolgreich die Taktik des Abblitzenlassens angewendet, es war auch bei einer Landtagswahl. Damals zog der Spitzenkandidat gegen Merkels Willen mit der Pendlerpauschale in den Wahlkampf, die Kanzlerin schaltete auf stur. Der Kandidat arbeitete sich an ihr ab, doch es half alles nichts.
Der Name des Mannes: Günther Beckstein. Seine Pleite bei der bayerischen Landtagswahl 2008 hatte nicht nur mit dem verlorenen Machtkampf mit Merkel zu tun. Aber eben auch.
Zusammengefasst: Kanzlerin Angela Merkel lehnt die von den CDU-Wahlkämpfern Julia Klöckner und Guido Wolf geforderten Kurskorrekturen in der Flüchtlingspolitik ab. Die Spitzenkandidaten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg scheuen vorerst die offene Konfrontation. Die bröckelnden Umfragewerte lassen die Nervosität drei Wochen vor den Landtagswahlen in der CDU jedoch steigen.