Letzte Regierungsbefragung der Kanzlerin Merkel kritisiert Ungarn

Zum letzten Mal stellte sich Kanzlerin Merkel im Bundestag Fragen zu ihrer Regierungsarbeit, im Fokus standen dabei die Folgen der Coronapandemie. Doch auch ihre Haltung im Uefa-Eklat war Thema.
Angela Merkel im Bundestag

Angela Merkel im Bundestag

Foto: CLEMENS BILAN / EPA

Angela Merkel hat das Gesetz der ungarischen Regierung unter Premier Viktor Orbán kritisiert. Das Land zensiert Materialien über Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen, weil dies "Werbung" sei. Bildungsprogramme zu Homosexualität oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homosexuellen solidarisch erklären, werden demnach verboten, ebenso wie Aufklärungsbücher zu dem Thema. Offizielles Ziel ist der Schutz von Minderjährigen.

»Ich halte das Gesetz für falsch und auch mit meiner Vorstellung nicht für vereinbar«, sagte die Kanzlerin bei ihrer letzten Befragung zur Regierungsarbeit: »Das ist für mich etwas, was ich politisch ablehne.« Sie wollte dies aber nicht als Grundsatzkritik an Ungarn verstanden wissen. »Meine Haltung Ungarn gegenüber ist sehr freundschaftlich verbunden, aber wenn es politische Differenzen gibt, werden sie benannt.«

Merkel wollte zwar keine Stellung dazu nehmen, dass der europäische Fußball-Verband Uefa eine Beleuchtung des Münchner Fußball-Stadions in Regenbogenfarben untersagt hat – dort wird um 21 Uhr das EM-Spiel zwischen Deutschland und Ungarn ausgetragen. Sie verwies aber darauf, dass die Uefa kein Problem mit der Armbinde in Regenbogenfarben habe, die Mannschaftskapitän Manuel Neuer trage. Die Uefa hatte ihre Ablehnung der Beleuchtung des Stadions damit begründet, dass der Verband neutral sein wolle.

Möglichkeiten zur Öffnung in der Pandemie

Bei der Regierungsbefragung durch die Abgeordneten des Bundestages zur Coronapandemie zeigte Merkel sich vorsichtig optimistisch. Die Lage sei ermutigend und das derzeitige Infektionsgeschehen lasse Öffnungen zu. Andererseits pochte sie auf unbedingte Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygienemaßnahmen. Auch wenn die dritte Welle eindrucksvoll gebrochen sei: »Vorbei ist die Pandemie noch nicht. Wir bewegen uns weiter auf dünnem Eis«.

»Warnung und Auftrag« zugleich

Unter Verweis auf die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus sagte Merkel, diese sollte »Warnung und Auftrag« zugleich sein. »Wir dürfen das, was wir gemeinsam erreicht haben, nicht leichtfertig riskieren.« Sie verwies auf den auch hierzulande steigenden Anteil der Delta-Variante an den Infektionen und die Einstufung der Gefahr durch das Robert Koch-Institut als »hoch«.

Zudem stimme es sie »nachdenklich«, dass nach wie vor nicht alle 27 Mitgliedstaaten der EU die gleichen Einreiseregeln zur Bekämpfung der Pandemie haben. Deutschland habe »strenge Bestimmungen, die sicherlich dazu beigetragen haben, dass sich die Delta-Variante nicht stark ausgebreitet hat«, so die Kanzlerin. Wer etwa aus Großbritannien einreise, müsse in Quarantäne – dies sei leider nicht überall so.

Für eine abschließende Bewertung der Pandemiebekämpfung sei es zu früh, sagte Merkel weiter. Aber es sei gelungen, in drei Wellen eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Der Schlüssel zur Überwindung der Pandemie bleibe die Impfung.

Impfangebote bis Ende des Sommers und Weiterbetrieb der Impfzentren

Merkel bekräftigte ihre Zusage, jedem impfwilligen Erwachsenen in Deutschland bis Ende des Sommers ein Impfangebot machen zu können. Dies sei angesichts der zu erwartenden Lieferungen der Impfstoffe von Biontech und Moderna »absolut realistisch«. Bei einer angenommenen Impfbereitschaft von 80 oder 85 Prozent könne mit der angenommenen Verfügbarkeit auch Jugendlichen noch im Sommer ein Angebot gemacht werden, so Merkel. Kinder sollten auch zum Schulbeginn nicht bevorzugt geimpft werden, sagte Merkel, sondern so behandelt werden »wie andere Bevölkerungsgruppen, die keine Prioritätsstufe haben«.

Zudem sprach sich die Kanzlerin dafür aus, die Impfzentren weiter geöffnet zu halten. Dort könnten auch mobile Impfteams gebildet werden und etwa in Brennpunkte des Virusgeschehens entsandt werden.

Für Merkel war es ein besonderer Auftritt. Sie stellte sich letztmalig in dieser Legislaturperiode den Fragen der Abgeordneten. Da sie im Herbst bei der Bundestagswahl nicht erneut antritt, dürfte es ihre letzte Regierungsbefragung überhaupt gewesen sein. Am Freitag endet die letzte reguläre Sitzungswoche des Parlaments vor der Bundestagswahl. Allerdings wird noch mit mindestens einer Sondersitzung Anfang September gerechnet.

Für Donnerstag ist Merkels letzte Regierungserklärung angekündigt. Sie wird zum EU-Gipfel in Brüssel Stellung nehmen, der von Donnerstag bis Freitag geplant ist. Bei dem Treffen soll es um die außenpolitische Souveränität der EU gehen. Themen sind der Umgang mit Russland und das Verhältnis zur Türkei – etwa die Fortschreibung des Flüchtlingsabkommens.

In der Aussprache zur Regierungserklärung soll erstmals seit 23 Jahren CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet im Bundestag eine Rede halten. Er soll für die Union als Bundesratsmitglied das Wort ergreifen. Laschet, von 1994 bis 1998 Bundestagsabgeordneter, hatte zuletzt am 23. April 1998 im Parlament gesprochen.de

ire/als/Reuters/dpa
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