Severin Weiland

Merkel und die BND-Affäre Keine Ausflüchte mehr!

In der BND-Affäre verspricht die Kanzlerin lückenlose Aufklärung. Das zu glauben, fällt schwer. Schon bei den Snowden-Enthüllungen zeigte die Regierung wenig Eifer. Nun windet sie sich schon wieder. Merkel muss jetzt endlich Ernst machen.
CDU-Politiker Merkel, de Maizière: Alles auf den Tisch?

CDU-Politiker Merkel, de Maizière: Alles auf den Tisch?

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Die Kanzlerin hat ein kühnes Versprechen abgelegt. Was die jüngste BND-Affäre angeht, kündigt sie eine "lückenlose Aufklärung" an. Das klingt gut, nach Tatkraft, nach Entschlossenheit.

Diese Entschlossenheit darf allerdings bezweifelt werden. Die Spähaktivitäten der NSA in Deutschland, die Zusammenarbeit mit dem BND - bei all dem sind das Kanzleramt und auch andere Regierungsmitglieder nicht gerade durch Aufklärungseifer aufgefallen. Die Priorität war und ist bis heute eine andere. Die transatlantische Partnerschaft, der Kampf gegen terroristische Gefahren, steht über kurzzeitigen Eintrübungen, die etwa durch die Informationen eines Mannes wie dem früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden ausgelöst wurden.

Erst die Beweisanträge aus dem parlamentarischen NSA-Untersuchungsausschuss haben das Kanzleramt dazu gebracht, BND-Informationen aus den Jahren 2008 und 2010 neu zu bewerten. In den Papieren war die Rede von einem möglichen Missbrauch eines Kooperationsabkommens durch die NSA. Im Raum steht der Verdacht, die NSA habe über den BND Informationen über die Rüstungsunternehmen EADS, Eurocopter und französische Behörden ausforschen wollen.

Jetzt wurde bekannt, dass das Innenministerium im Namen der gesamten Bundesregierung noch vor zwei Wochen auf eine Anfrage der Linken erklärte, es lägen "weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor".

Basierte die Antwort auf einem veralteten Sachstand? Oder ist es Schlamperei, weil im Kanzleramt zum selben Zeitpunkt möglicherweise schon andere Erkenntnisse vorgelegen haben und beide Häuser nicht miteinander kommunizierten? Oder werden Fragen nach einer möglicher US-Spionage in Deutschland von der Regierung nur noch routiniert in genervt-salopper Art mit Standardformulierungen beantwortet? Oder - und das wäre dann wirklich ein schwerwiegender Vorfall - wird bewusst verschleiert und das Parlament am Ende belogen? Viele, viele Fragen.

Die verworrene Lage erzwingt deshalb eine rückhaltlose Aufklärung. Am besten, indem das Kanzleramt selbst aktiv und nicht erst durch parlamentarische Anfragen und Medien genötigt wird, seiner Kontrolltätigkeit gegenüber den Diensten nachzugehen. Dabei kann es keine Ausflüchte geben. Solche werden aber hartnäckig vorgebracht: Regierungssprecher Seibert wiederholt gebetsmühlenartig die Lauterkeit der Regierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen - sieht sich aber nicht in der Lage, konkrete Vorwürfe zu kommentieren, denn die Inhalte seien geheim. Der frühere Kanzleramtschef und heutige Innenminister Thomas de Maizière bedauert öffentlich eine "Schieflage" in der Debatte - kann aber leider ebenfalls aus Gründen der Vertraulichkeit nicht sagen, was in seinen Augen so schiefliegt.

So bleibt der Widerspruch bestehen, dass die Bundesregierung nach eigenen Angaben dem Parlament "nach bestem Wissen und Gewissen" eine Auskunft gegeben hat, von der aber die Öffentlichkeit bis jetzt nicht weiß, ob sie der Wahrheit entspricht.

Zwar obliegt es dem Kanzleramtschef den Bundesnachrichtendienst fachlich zu kontrollieren und die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Diensten, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst, zu koordinieren. Doch Merkel ist Hausherrin. Auch wenn sie sich, wie man hört, nicht gerne mit den Geheimdiensten beschäftigt - am Ende geht es auch um ihre Reputation. Sie muss die Geheimniskrämerei beenden und die Aufklärung zur Chefsache machen. Was die NSA oder der BND so treiben, das ist schließlich - um den Spruch eines Altkanzlers zur Frauen- und Familienpolitik einmal abzuwandeln - kein "Gedöns".

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