Angriff auf Tanklaster Guttenberg kämpft mit Informationschaos
Wer wusste wann was? In der Affäre um das Bombardement zweier Tanklaster will der damalige Verteidigungsminister Jung nicht ausreichend unterrichtet worden sein - auch sein Nachfolger spricht von einer Informationspanne. Als er das Amt angetreten habe, seien ihm neun Berichte vorenthalten worden, erklärte Guttenberg.
Berlin - Verteidigungsminister Guttenberg will den Luftangriff in der Nähe von Kunduz neu bewerten, bittet sich aber Zeit dafür aus. Anfang November hatte er ihn noch als "militärisch angemessen" bezeichnet. Es gebe aber neun Papiere, die ihm bei der Amtsübergabe nicht vorgelegen hätten, teilte der CSU-Politiker nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses mit.
Guttenberg versicherte erneut, größtmögliche Transparenz bei der Aufklärung des Falles herstellen zu wollen. Nötigenfalls werde er die Geheimhaltung herabstufen, damit das Parlament die Berichte zur Kenntnis nehmen und den Vorgang bewerten könne. Die Entlassungen des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Staatssekretär Peter Wichert begründete Guttenberg ausschließlich mit ihrem Verhalten ihm gegenüber. Wegen der mangelnden Information sei die Vertrauensbasis nicht mehr gegeben.
Guttenberg beauftragte nach eigenen Angaben Staatssekretär Rüdiger Wolf mit einer internen Untersuchung der Vorgänge. "Ich will die Zeit umfassend bewertet sehen bezüglich der Kommunikations- und Informationsstränge", sagte er. Es gebe dort wohl grundsätzlichen Verbesserungsbedarf. Dennoch betonte er, er habe hohes Vertrauen in die militärische Spitze der Bundeswehr. Er baue auf wechselseitiges Vertrauen und Loyalität.
Bei dem Luftangriff am 4. September nahe Kunduz waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass die Bundeswehr selbst früh Angaben zu zivilen Opfern hatte, diese aber nicht öffentlich machte.
Zur Amtszeit seines Vorgängers Franz Josef Jung, wollte er nicht Stellung nehmen, dankte aber den Entlassenen nochmals für ihre langjährige Arbeit im Dienst des Ministeriums und der Bundeswehr. Sie würden am 3. Dezember mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet, kündigte er an.
Nachdem bereits zahlreiche Demissions-Forderungen aus der Opposition laut geworden waren, trat Jung am Freitag zurück.
Untersuchungsausschuss wahrscheinlich
Ein Untersuchungsausschuss zu den Informationspannen ist dennoch so gut wie beschlossen. Neben den Oppositionsparteien signalisierte auch die Union am Freitag Zustimmung. Nach den unzureichenden Erklärungen Jungs im Bundestagsplenum müssten jetzt die Fakten auf den Tisch, forderte SPD-Mann Arnold. "Wir wollen wissen, auf welchem Schreibtisch waren die Erkenntnisse."
Der Verteidigungsexperte der Grünen, Omid Nouripour, sagte: "Wenn wir ausreichend Antworten bekommen, dann sind wir zufrieden." Sonst müsse ein Untersuchungsausschuss für Aufklärung sorgen. Jung habe entweder gelogen, als er erklärte, nichts über zivile Opfer zu wissen. Oder er habe den Bericht der Isaf-Schutztruppe für Afghanistan nicht gelesen, oder er habe ihn nicht lesen wollen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU), machte klar, dass sich CDU und CSU einem Untersuchungsausschuss "nicht verschließen", sollte der Vorfall nicht umfassend aufgeklärt werden. Auch Beck kritisierte die Stellungnahme Jungs vom Donnerstag als "nicht ausreichend" und forderte, die Angaben zu ergänzen: "Da muss noch mehr kommen." Zugleich mahnte er, dass bei der Aufklärung "Sorgfalt vor Eile" gehen müsse.
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, forderte ebenfalls eine konsequente Aufklärung der Vorgänge um den umstrittenen Luftschlag in Kunduz. "Die Dinge müssen transparent werden", sagte Kirsch am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Mit Blick auf den am Donnerstag ins öffentliche Interesse gerückten Feldjägerbericht sagte Kirsch: "Der Bericht ist ja ganz offensichtlich ins Bundesverteidigungsministerium übersandt worden. Was dann damit passiert ist, kann ich natürlich nicht sagen."
Kirsch warf der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Luftanschlag insgesamt eine zögerliche Informationspolitik vor, die nun "als Bumerang zurück auf die Regierungsbank" komme. Er schließe aber auch nicht aus, "dass auf beiden Seiten Fehler gemacht wurden".
Zu Vorwürfen, wonach der zurückgetretene Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Rainer Glatz, gebeten haben soll, die internen Informationen nicht weiterzugeben, entgegnete Kirsch: "Dazu kann ich nichts sagen."
als/dpa/ddp