Angst vor französischen Verhältnissen Brennende Autos - auch in Berlin und Bremen
Berlin - Im Berliner Ortsteil Moabit brannten in der vergangenen Nacht fünf Autos. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus, wie ein Polizeisprecher sagte. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um Nachahmungstaten der Krawalle in Frankreich handelt, werde "in alle Richtungen" ermittelt.
Auch in Bremen kam es in der Nacht zu Brandstiftungen. Nach Angaben der Polizei wurden bei einem Autohändler drei Fahrzeuge angezündet. Es sei ein Schaden von mindestens mehreren zehntausend Euro entstanden. Danach habe es ein Feuer in einer ehemaligen Schule gegeben. Nach dem Brand in einem Gebäudeteil, der abgerissen werden soll, seien zehn Personen überprüft worden, sagte eine Polizeisprecherin. Es sei aber unklar, ob sie an der Tat beteiligt gewesen seien. Außerdem zündeten Unbekannte nach Polizeiangaben einen Müllcontainer und einen Laubhaufen an.
Die Sprecherin sagte, in dem betroffenen Stadtteil habe es in jüngster Vergangenheit generell Probleme mit Jugendlichen gegeben. Ein Zusammenhang mit den seit einer Woche anhaltenden Jugendkrawallen in Frankreich sei aber nicht zu erkennen. Die mutmaßlichen Täter hätten nicht wie in Frankreich die Konfrontation mit Polizei oder Feuerwehr gesucht.
Angesichts der anhaltenden Ausschreitungen Jugendlicher in Frankreich warnen Politiker vor Gewalt auch in deutschen Städten. Der designierte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte heute, zwar seien die Verhältnisse in Frankreich anders als hier, aber auch in Deutschland entwickelten sich "Viertel mit hohem Ausländeranteil, die sich immer mehr von der übrigen Gesellschaft abschotten", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Schäuble hält es für notwendig, dass Jugendliche ausländischer Herkunft "die deutsche Sprache beherrschen". Zudem brauche man auch "eine gute Schulbildung und mehr Chancen auf Lehrstellen und Arbeitsplätze". Er forderte eine bessere Integration ausländischer Jugendlicher in Deutschland.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, man müsse aufpassen, "dass wir nicht Ansammlungen von Jugendlichen haben, die keine Chance im Leben sehen. Die dann auch durch die Durchmischung unterschiedlicher Herkunft und durch diese Chancenlosigkeit in eine ähnliche Situation kommen könnten".
Vor Parallelgesellschaften von Deutschen und Ausländern warnte auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Die Politik habe "die Integration bei weitem nicht so gut geschafft wie erträumt". Deutschland sei vor Krawallen wie in Frankreich "nicht gefeit", sagte er im SWR. Der CSU-Politiker verwies auf die hohe Arbeitslosigkeit unter türkischen Jugendlichen und fehlende Schulabschlüsse von ausländischen Kindern.
Kritik an "Hobbysoziologen"
Die Bundesregierung warnte dagegen vor voreiligen Schlussfolgerungen. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Situationen in Frankreich und Deutschland seien "nicht vergleichbar". Steg mahnte daher zur Zurückhaltung und wandte sich gegen "Hobbysoziologen", die zum Ausdruck brächten, dass ähnliche Vorfälle wie in Frankreich auch hierzulande bevorstünden. Steg betonte, dass eine "gelungene Integration" ohne Beherrschen der deutschen Sprache "nicht wirklich erfolgreich sein" könne. Die Bilder aus Paris seien für alle Demokratien eine Mahnung, dass die Integrationsbemühungen nicht für beendet erklärt werden dürften, sondern mit neuem Elan fortgesetzt werden müssten.
Deutlich skeptischer urteilte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Seit Jahren werde eine Zunahme der Jugendgewalt, die Bildung von Jugendbanden und die Ausdehnung des Drogenhandels beobachtet, betonte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Von französischen Verhältnissen sei man in Deutschland zwar noch weit entfernt, aber "einige Ursachen für diese explosive Mischung sind auch bei uns vorhanden".
Auch die evangelische Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, beklagte eine Vernachlässigung der hier lebenden Ausländer, aus denen sich Parallelgesellschaften heraus überhaupt erst bilden könnten. Wenn die PISA-Bildungsstudie zeige, dass Kinder aus Zuwandererfamilien keine guten Chancen auf einen Bildungsabschluss hätten, müsste dies die deutsche Gesellschaft zum Nachdenken bewegen, sagte sie im NDR.