Corona, Steuern, Klima und Co. So lief das erste TV-Triell zwischen Baerbock, Laschet und Scholz

Laschet und Baerbock mussten punkten, Scholz durfte keine Fehler machen: Beim ersten Triell der Kanzlerkandidaten blieben dann aber alle drei weitestgehend brav. Kontrovers wurde es nur beim Thema Klima – und beim Gendern.
Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU) begrüßen sich neben Olaf Scholz (SPD) im Studio zum ersten Triell

Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU) begrüßen sich neben Olaf Scholz (SPD) im Studio zum ersten Triell

Foto: Michael Kappeler / dpa

Vier Wochen vor der Wahl haben sich Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) ein erstes großes TV-Triell ums Kanzleramt geliefert.

Die drei Konkurrierenden wurden beim ersten großen TV-Triell auf RTL und n-tv unter anderem zum Afghanistan-Abzug, ihrer Coronapolitik und zur Steuerpolitik befragt. Auch Themen wie soziale Gerechtigkeit und Gendern spielten eine Rolle. Wirklich Streit kam aber nur in der Bewertung der Klimakrise auf.

Das Triell war das erste große Aufeinandertreffen der beiden Kanzlerkandidaten und der Kanzlerkandidatin. Und eine Premiere: Bisher gab es in Deutschland nur TV-Duelle – zwischen Kanzler beziehungsweise Kanzlerin und einem Herausforderer.

Die wichtigsten Streitpunkte aus dem ersten TV-Triell:

Coronapolitik

Beim Thema Corona schlossen alle drei einen erneuten Lockdown weitestgehend aus. Auch eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen solle es nicht geben. Die Befragten setzten hingegen jeweils darauf, die Impfkampagne weiter zu beschleunigen.

Baerbock warf jedoch ihren Kontrahenten vor, beim Kinderschutz in der Pandemie versagt zu haben. »Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.« Sie forderte, der Bund müsse künftig zum Beispiel bei der Luftfilterausstattung von Schulen in die Finanzierung mit einsteigen. Unionskanzlerkandidat Laschet konterte, Baerbock täusche die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sage, dass der Bund die Schulen nicht abgesichert habe. »Das ist Ländersache, und in elf Ländern regieren die Grünen mit.«

Umgang mit Afghanistan

Mit Blick auf den desaströsen Abzug aus Afghanistan forderten Laschet, Scholz und Baerbock übereinstimmend eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands. Laschet forderte eine bessere Ausrüstung für die Bundeswehr und die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates, angebunden an das Kanzleramt. Das Instrument solle helfen, dass sich Ministerien besser koordinieren. Baerbock konterte, so ein Rat helfe im Streitfall auch nicht – und warf der Bundesregierung vor, sich in Afghanistan weggeduckt zu haben: »Sie haben innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt.«

»Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition.«

Olaf Scholz über Afghanistan

Scholz, dessen Parteifreund Heiko Maas an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht, forderte, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und auch künftig Bundeswehrsoldaten für Einsätze zum Schutz von Frieden und Sicherheit bereitzustellen. Er nahm für sich in Anspruch, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. »Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition«, sagte Scholz.

Klimapolitik

Einig waren sich die Diskutanten zwar, dass das Thema Klimaschutz wichtig ist. Doch bei der Frage, was daraus politisch konkret folgt, unterschieden sich die Antworten deutlich. Laschet und Scholz lehnten es ab, für besseren Klimaschutz Verbote zu erlassen. Baerbock kritisierte dies als ineffizient und unehrlich. »Für mich klingt das ehrlich gesagt erschreckend«, sagte Baerbock an ihre Gegner gerichtet. »Sie wollen nichts verbieten, weil das vielleicht im Wahlkampf nicht so gut ankommt.«

»Offensichtlich haben Sie keinen Plan!«

Baerbock zu den Klimaplänen der CDU

Baerbock nannte als einzige konkrete Verbotsmaßnahmen für den Klimaschutz – etwa das Ende des Verbrennermotors. »Das heißt: Ab 2030 dürfen nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden«, sagte sie. Zudem sprach sie sich für eine Solarpflicht für Dächer bei Neubauten aus und kündigte ein »Sofortprogramm Klimaschutz« für den Fall ihrer Kanzlerschaft an. Zwei Prozent der Landflächen sollten für Windkraft zur Verfügung gestellt werden.

Scholz nannte mehrere Ziele, die er im ersten Jahr einer Kanzlerschaft umsetzen wolle: eine Erhöhung der Ausbauziele für Wind- und Solarenergie, einen Ausbau des Stromnetzes und eine gesetzliche Festlegung des Strombedarfs, »den wir erreichen müssen, wenn wir 2045 CO2-neutral wirtschaften wollen«.

»Sie legen der Industrie fesseln um die Füße!«

Laschet zu den Klimaplänen der Grünen

Laschet warf insbesondere den Grünen vor, durch zu strenge Klimavorgaben die Wirtschaft zu belasten. »Sie legen der Industrie fesseln um die Füße und sagen: Dann lauf mal schneller«, sagte er an Baerbock gerichtet. »Offensichtlich haben Sie keinen Plan«, wirft hingegen die Grüne Laschet vor. Die CDU müsse endlich Vorschläge vorlegen und nicht nur Vorschläge anderer Parteien torpedieren.

Innere Sicherheit

Laschet sprach sich für eine verstärkte Videoüberwachung des öffentlichen Raums und mehr Gelder für die Polizei aus. Auch SPD-Kandidat Scholz sieht in der Videoüberwachung eine gute Schutzmaßnahme. Baerbock forderte eine bessere Ausstattung für die Polizei. Sie erwiderte mit Blick auf Übergriffe von Partnern und Ex-Partnern: »Am unsichersten sind leider Frauen in den eigenen vier Wänden.«

Finanzen und Steuern

In der Steuerpolitik haben sich die deutlichsten Unterschiede zwischen den Kandidierenden gezeigt. Scholz kündigte an, er wolle das Steuersystem »besser austarieren«. Menschen in seiner Einkommenskategorie sollten etwas mehr zahlen. Baerbock forderte ebenfalls, dass starke Schultern mehr tragen müssten. Sie machte sich zudem für eine Kindergrundsicherung stark. Laschet bezeichnete Steuerhöhungsideen als »geradezu töricht«.

Geschlechtergerechte Sprache

Im Streit ums Gendern betonte Baerbock, jeder könne sprechen, wie er gerne möchte. »Aber wer respektvoll miteinander umgeht, reflektiert seine Sprache«, so die Grünen-Kandidatin: »Wenn die Hälfte der Gesellschaft aus Frauen besteht, sollte man Frauen nicht nur mit meinen, sondern mit erwähnen.« Auch Scholz hielt es für richtig, in der Sprache auf Gerechtigkeit zu achten. Laschet hingegen warnte vor zu viel Sensibilität: »Wenn wir beginnen, eine Sprache zu erfinden, die ganz normale Leute nicht mehr verstehen, bei der sie unsicher sind, was sie noch sagen dürfen, führt das nicht dazu, dass Vertrauen im Staat wächst.«

Streitpunkt Koalitionen

Baerbock und Scholz kritisierten die Haltung der Linkspartei zu außenpolitischen Fragen – wie der Enthaltung zum jüngsten Afghanistan-Mandat – wollten eine Koalition aber explizit nicht ausschließen. Scholz sagte, diese Themen müsse am Ende jeder für sich selbst beantworten. Laschet grätschte in diesem Moment ein und sagte: »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, Herr Scholz, Sie können jetzt nicht spielen wie Angela Merkel und reden wie Saskia Esken.« Ein Bekenntnis zur Nato sei von der Linken nicht zu erwarten. Er verstehe nicht, warum ein klares Bekenntnis gegen eine Koalition mit der Linkspartei so schwer sei. »Ich kann das sagen, wir werden mit denen nicht koalieren, und ich will, dass die AfD aus den Parlamenten verschwindet«, sagte Laschet.

Was Baerbock, Scholz und Laschet in ihren Schluss-Statements sagten:

Zum Abschluss sollten alle drei auf Wunsch der Moderation zunächst »mal was Nettes« über die anderen sagen. Scholz nannte Baerbock »eine ganz engagierte Politikerin«, Baerbock lobte Laschets Standhaftigkeit und seine »rheinländische Frohnatur«. Laschet selbst fiel über Scholz zunächst nichts ein – dann sagte er, sein SPD-Konkurrent habe »viel Erfahrung«.

Zuletzt erhielten die drei Konkurrierenden Zeit für je ein Schlusswort:

  • Die Grünen-Kandidatin Baerbock mahnte, ein »Weiter so« nach Jahren der Koalition aus Union und SPD dürfe es nicht geben. Es sei Zeit für einen echten Aufbruch, so die Grüne: »Ich stehe hier, weil ich zutiefst davon überzeugt bin: Unser Land kann so viel mehr!«

  • SPD-Kandidat Scholz sagte, er wollte eine Modernisierung des Landes und eine Gesellschaft des Respekts: »Respekt vor jedem und jeder, Respekt vor jedem Beruf, Respekt vor jeder Lebensleistung.« Dafür möchte er als nächster Bundeskanzler dienen.

  • Unions-Kandidat Laschet warnte vor einer »Veränderung, die uns ins Gesicht bläst«. Daher brauche es jetzt Standhaftigkeit, Verlässlichkeit und einen inneren Kompass. Das »Team CDU« bringe das mit – »das hat uns geprägt von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis zu Angela Merkel«.

Zwei weitere TV-Trielle werden im September folgen, zunächst in zwei Wochen bei ARD und ZDF, eine weitere Woche später auf ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins.

mrc/ulz/dpa
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