Debatte über Wiedereinführung der Wehrpflicht Kramp-Karrenbauer kündigt neuen Freiwilligendienst an

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im August 2019 mit Bundeswehrsoldaten in Al Asrak, Jordanien
Foto: Michael Kappeler/ DPAVerteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr angekündigt. Ab 2021 solle unter dem Titel "Dein Jahr für Deutschland" ein neuer Dienst eingeführt werden, sagte die Politikerin im Rahmen einer virtuellen CDU-Veranstaltung. Jugendliche, die sich für den Dienst entscheiden, sollen in ihrer jeweiligen Heimat eine sechsmonatige militärische Grundausbildung erhalten und anschließend für sechs Monate "heimatnah" zu Reservediensten herangezogen werden.
Das endgültige Konzept soll Ende Juli vorgestellt werden, dann soll auch eine entsprechende Werbekampagne beginnen, sagte ein Sprecher. 2021 sollten die ersten Freiwilligen einrücken. Auf Äußerungen der neuen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) zur Zukunft der Bundeswehr ging Kramp-Karrenbauer dagegen nicht ein.
Högl hält Aussetzung der Wehrpflicht für "Riesenfehler"
Högl hatte zuvor die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert und damit eine parteiübergreifende Debatte angestoßen. "Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir müssen diese Entscheidung sehr kritisch analysieren."
Eine Berufsarmee sei anfälliger für Rechtsextremismus, sagte Högl. Wenn wieder große Teile der Gesellschaft ihren Dienst leisteten, würde sich das ändern.
Seit ihrer Abschaffung im Jahr 2011 wird immer wieder über eine Rückkehr der Wehrpflicht diskutiert. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer haben sich bisher gegen eine Wiedereinführung ausgesprochen. Kritik an den Vorschlägen kommt aber auch von anderen Bundestagsfraktionen.
Opposition kritisiert "vollkommen überflüssige" Debatte
Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann etwa hält nichts davon, über die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu diskutieren. Die Debatte sei "vollkommen überflüssig", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Die Bundeswehr brauche für ihre hochkomplexen Aufgaben Spezialisten.
"Schlichtweg falsch" sei es, die Wehrpflicht als Antwort gegen Rechtsextreme in der Truppe zu nennen. "Rechte Tendenzen in der Truppe bekämpft man nicht durch die Zwangsverpflichtung aller jungen Menschen", sagte Strack-Zimmermann. Um Rechtsextreme in der Truppe zielgerichtet zu bekämpfen, müsse deutlich früher dazwischen gegangen werden. "Dafür muss die Mauer des Schweigens in den Strukturen der Truppe gebrochen werden, sodass die Bundeswehr sich von innen heraus besser gegen Rechtsextreme immunisieren kann."
Auch der Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner erteilte dem Vorschlag eine Absage. "Die Wehrpflicht würde der Bundeswehr sicherheitspolitisch keinen Vorteil bringen, sondern lediglich massive personelle und finanzielle Ressourcen verschlingen", sagte Lindner. Es brauche eine "verantwortungsvolle Rekrutierungspraxis und zeitgemäße politische Bildung" der Soldaten.
"Nulltoleranz gegenüber geschichtsvergessenen Faschisten"
Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, lehnt die Rückkehr der Wehrpflicht ebenfalls ab. "Rechtsextremistisches Gedankengut und rechtsterroristische Gewaltfantasien in der Bundeswehr stehen nicht kausal mit dem Ende der Wehrpflicht in Zusammenhang, sondern mit einer Kultur in der Bundeswehr, die dies über Jahrzehnte zugelassen und toleriert hat", sagte Bartsch.
Eine Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht sei "ein gefährlicher Pappkamerad", der die offensichtlichen Probleme in der Truppe nicht lösen werde. "Statt jungen Leuten mit der Wehrpflicht selbstbestimmte Zeit zu nehmen, brauchen wir auf allen Ebenen der Bundeswehr eine Nulltoleranz gegenüber geschichtsvergessenen Faschisten, die glauben, in Uniform ihr krankes Gedankengut ausleben zu können", sagte Bartsch.