Annegret Kramp-Karrenbauer Wie tickt die neue CDU-Chefin?

Neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Kanzlerin Angela Merkel
Foto: Carsten Koall/ Getty ImagesIm Augenblick des Triumphs zeigte Annegret Kramp-Karrenbauer, dass sie nicht einfach eine saarländische Version von Angela Merkel ist. Als der Tagungspräsident das knappe Wahlergebnis bekannt gab, schossen der neuen CDU-Vorsitzenden die Tränen in die Augen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder so gefasst hatte, dass sie auf die Bühne treten konnte. Einen solch ausgiebigen Moment der Rührung hatte sich Merkel selbst bei ihrem Abschied vom Parteivorsitz nicht erlaubt.
Die Emotionalität ist nicht das Einzige, das die neue von der alten CDU-Chefin unterscheidet.
Nach 18 Jahren an der Spitze wird eine ostdeutsche Protestantin von einer westdeutschen Katholikin abgelöst. Kramp-Karrenbauer ist in vielen Dingen konservativer als Merkel es je war.
Fähigkeiten, die man für eine Führungsrolle braucht
Sie lehnt die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit einer Vehemenz ab, die Merkel fremd ist. Auch vor Populismus schreckt sie nicht zurück. Vor der Landtagswahl im Saarland im vergangenen Jahr machte sie klar, dass sie in ihrem Bundesland keine Wahlkampfauftritte türkischer Politiker für Präsident Recep Tayyip Erdogan dulden würde. Es gab allerdings keine türkischen Politiker, die das wollten. In der Debatte um die Migrationspolitik schlug Kramp-Karrenbauer auf den Regionalkonferenzen einen Ton an, den man eher von ihren Konkurrenten erwartet hätte. Eine Abschiebung von Straftätern nach Syrien hätte Merkel wohl nicht zur Debatte gestellt.
Trotz aller Unterschiede bürgt der Aufstieg der Generalsekretärin zur Parteivorsitzenden für Kontinuität. Das bezieht sich weniger auf inhaltliche Positionen, als auf die Frage der politischen Kultur. Die CDU hat vielleicht genug von Merkel und ihrer Politik. Den ruhigen, abwägenden Stil der Kanzlerin aber schätzt die Mehrheit noch immer. Daran wird sich unter Kramp-Karrenbauer nichts ändern. Das vielleicht Wichtigste: In der CDU folgt auf eine Frau eine Frau. Das zeigt mehr als alles andere, in welchem Ausmaß Merkel ihre Partei verändert hat.
Die überlegte Art, Politik zu gestalten und zu vermitteln, ist nicht das Einzige, das Kramp-Karrenbauer mit ihrer Vorsitzenden verbindet. Sie hat wie Merkel eiserne Nerven und ein Gespür für politisches Timing. Im Wahlkampf um den Parteivorsitz hat sie, anders als ihr Widersacher Merz, keine Fehler gemacht. Als es darauf ankam, hielt sie die Rede ihres Lebens. Das sind Fähigkeiten, die man für eine Führungsrolle braucht.
Kampf um die Einheit der CDU beginnt gerade erst
Ob sie Erfolg haben wird, ist dennoch völlig offen. Im Saarland wurde Kramp-Karrenbauers integrative Art auch vom politischen Gegner geschätzt. Doch im Vergleich zur Union ist das Saarland eher übersichtlich. Kramp-Karrenbauer muss jetzt die Parteifreunde einbinden, die sich einen Bruch mit der Ära Merkel gewünscht haben. Die werden sich nicht mit ein paar inhaltlichen Konzessionen zufriedengeben. Der Kampf um die Einheit der CDU beginnt für die neue Parteichefin gerade erst.
Gleichzeitig muss Kramp-Karrenbauer beweisen, dass sie sich von Merkel emanzipiert hat. Als Generalsekretärin gelang ihr das nur teilweise. Als Parteivorsitzende ist es für sie eine Überlebensfrage. Wenn sie die eigenen Leute nicht davon überzeugen kann, dass die CDU mit ihr Wahlen gewinnen kann, dann könnte ihre Zeit an der Spitze der Partei sehr kurz sein.
Als die alte der neuen Vorsitzenden zum Sieg gratulierte, lagen sich die beiden Frauen einen Moment in den Armen. Die Umarmung währte nur kurz, Merkel zog sich schnell zurück. Sie spürte, dass dieses Bild ihrer Nachfolgerin eher schaden als nutzen würde.
Kramp-Karrenbauer muss jetzt zeigen, dass in Hamburg für die CDU wirklich eine neue Zeit begonnen hat.
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