Anruf-Affäre Rückendeckung für Wulff schwindet

Bundespräsident Wulff im Schloss Bellevue: Düstere Zeiten
Foto: dapdBerlin - Christian Wulff hat der "Bild"-Zeitung wegen eines kritischen Artikels gedroht, von "Krieg" und von strafrechtlichen Konsequenzen soll die Rede gewesen sein. Für FDP-Vize Holger Zastrow ist das nicht das Amtsverständnis, das er von einem Staatsoberhaupt erwartet. Er nennt Wulff einen Bundespräsidenten ohne Größe. "Wenn es so sein sollte, dass er als Bundespräsident persönlich zum Hörer greift, einen Chefredakteur anruft, auf die Mailbox spricht, dann ist das nicht die Größe, die ich von einem Bundespräsidenten erwarte", so Zastrow am Dienstag auf MDR Info.
Zwar müsse mit einem Bundespräsidenten generell respektvoll umgegangen werden. Wulff sei jetzt aber "in der Pflicht, das aufzuklären". "Und da erwarte ich, dass er sich diese Woche erklärt." Der Liberale fügte hinzu, die Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt seien nicht geeignet, von einem Gericht entschieden zu werden. "Es ist ja nur menschlich komisch, dass er zu solchen Mitteln greift".
Der Bundespräsident steht seit Wochen wegen der Finanzierung seines Privathauses bei Hannover durch Kredite des befreundeten Unternehmerpaares Geerkens und der BW-Bank in der Kritik, über die auch der SPIEGEL berichtet hatte. Am Montag war Wulff erneut massiv unter Druck geraten: Es war bekannt geworden, dass er mit Anrufen bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann und Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner versucht hatte, einen für ihn unliebsamen kritischen Artikel über seine umstrittenen Haus-Darlehen zu verhindern.
In der Heimat distanzieren sich die Parteifreunde
Im eigenen Lager schwindet seitdem die Unterstützung für den Bundespräsidenten, in seiner niedersächsischen Heimat rücken Verbündete offenbar von Wulff ab. "Viele Parteifreunde haben bei mir angerufen. Alle äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Heinz Klare, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Die Leute wollten totale Aufklärung, sonst wird das Amt des Bundespräsidenten beschädigt."
Der frühere Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) ging der Zeitung zufolge in einer Laienpredigt in der hannoverschen Marktkirche auf den Fall Wulff ein. Er erklärte, auch ein Bundespräsident könne der Sündhaftigkeit nicht entfliehen. Für Christen sei deshalb die Vergebung wichtig, aber das Vergeben setze eine "ehrliche und ernsthafte Einsicht und Reue voraus". Ob Einsicht wirklich vorhanden sei oder nur geheuchelt werde, könne laut Gansäuer "nur Gott erkennen".
Zuvor hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende in Hannover, Björn Thümler, bereits die "lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gegen den heutigen Bundespräsidenten" gefordert. Sie könnten zu einer Belastung werden für die Partei, die ihn aufgestellt hatte.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der auch Mitglied des niedersächsischen Landesvorstands der Liberalen ist, sprach in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von einer "Summe von Ungeschicklichkeiten".
"Wir haben eine Vorbildfunktion"
Die Unterstützung für Wulff aus der Bundes-Union ist bisher eher mau - öffentlich will kaum einer Stellung nehmen. Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin, äußerte sich als eine der wenigen. Sie sprach ihre Kritik an Wulff in der "Rheinischen Post" indirekt aus. Zur Annahme von Privatkrediten und Urlauben in Unternehmer-Villen sagte sie: "Wir stehen schon mehr unter Beobachtung und haben eine Vorbildfunktion. Das muss jeder Politiker wissen."
Hasselfeldt pochte auf eine weitere Erklärung des Bundespräsidenten. Nur Wulff könne die gegen ihn erhobenen Vorwürfe überzeugend aufklären, sagte sie im Deutschlandfunk. "Dass kann nur er selbst", sagte Hasselfeldt. Sie sei überzeugt davon, dass Wulff "nach einigen Tagen der Überlegung auch zu diesem Schluss kommt". Sie wolle ihm zur Aufklärung des Sachverhalts keine Frist setzen. Dies müsse der Bundespräsident selbst wissen.
Kritik kam auch von den Grünen. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte: Der Bundespräsident "muss sich nicht wundern, dass er von immer neuen Fragen überrollt wird, solange er keinen reinen Tisch macht und Informationen nur scheibchenweise herausrückt".
Via Facebook schaltete sich SPD-Chef Sigmar Gabriel ebenfalls indirekt in die Wulff-Debatte ein. Dort postete er Auszüge aus Artikel 5 des Grundgesetzes: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
Anfangsverdacht gegen Wulffs Ex-Sprecher
Wulff schweigt bisher zu seinen Drohanrufen. "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident grundsätzlich keine Auskunft", teilte das Bundespräsidialamt lediglich mit. Die Presse- und Rundfunkfreiheit sei für den Bundespräsidenten ein hohes Gut. Er habe deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. Diese Erklärung wirkt für viele Beobachter angesichts der neuen Enthüllungen rund um die "Bild"-Zeitung umso seltsamer.
Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Hannover einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme gegen Wulffs ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker. Das berichtete die "Neue Presse". Die Zeitung berief sich auf einen Sprecher der Ermittlungsbehörde.
Glaeseker soll dem Blatt zufolge ab 2008 mit seiner Frau Vera dreimal in Auslandsquartieren des Event-Unternehmers Manfred Schmidt gratis Urlaub gemacht haben, darunter in Barcelona und in Südfrankreich. Glaeseker war damals Niedersachsens Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie Gratisurlaube möglicherweise nicht annehmen dürfen. Ministerpräsident war zu dieser Zeit Wulff.