Ansbach Attentäter erhielt kurz vor der Tat Abschiebeanordnung

Flüchtlinge müssen in dem Land Asyl beantragen, in dem sie in die EU einreisen. Der Attentäter von Ansbach sollte deshalb nach Bulgarien abgeschoben werden. Den Bescheid bekam er zwölf Tage vor der Tat.
Bayerns Innenminister Herrmann auf einer Pressekonferenz in Ansbach

Bayerns Innenminister Herrmann auf einer Pressekonferenz in Ansbach

Foto: Daniel Karmann/ dpa
Der schnelle Überblick

• Mohammad Daleel, 27, hat am Sonntagabend bei einem Musikfestival im fränkischen Ansbach eine Splitterbombe gezündet und sich damit selbst getötet.

• 15 Personen wurden verletzt, vier von ihnen schwer.

• Der Syrer Daleel hatte 2014 Asyl in Deutschland beantragt, der Antrag wurde abgelehnt. Er lebte mit einer Duldung in Ansbach.

• Ein Video auf Daleels Handy zeigt einen Vermummten, der Daleel sein soll. Er droht mit einem Anschlag "im Namen Allahs" und bekennt sich zum "Islamischen Staat".

• Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Terrorverdachts an sich gezogen.

Der Attentäter von Ansbach hat nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) kurz vor seiner Tat eine Abschiebeanordnung erhalten. Ob diese Anordnung die Attentatsabsicht beschleunigt habe, sei im Moment aber Spekulation, sagte Herrmann am Montag in der ARD.

Der 27-Jährige Syrer Mohammad Daleel , der sich am Sonntagabend mit einem Sprengsatz selbst getötet hatte und dabei 15 Menschen verletzte, sollte nach Bulgarien abgeschoben werden.

Der Flüchtling war offenbar in Bulgarien in die EU eingereist und dort als Asylbewerber registriert worden. Später reiste er nach Deutschland weiter, doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte seinen Asylantrag gemäß der Dublin-Verordnung ab und ordnete seine Rückkehr nach Bulgarien an. Ein Verwaltungsgericht habe die Entscheidung bestätigt, so Herrmann.

Das sogenannte Dublin-Abkommen der EU sieht vor, dass Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten.

Seehofer fordert härtere Abschiebepraxis

Das Bamf habe dann aber selbst die Abschiebeanordnung wieder aufgehoben, wohl wegen gesundheitlicher Probleme des jungen Mannes. Vor zwölf Tagen habe das Bamf dann neuerlich eine Abschiebung nach Bulgarien unter dem sogenannten Dublin-Verfahren angeordnet, sagte Herrmann. Die Anordnung wäre innerhalb von 30 Tagen zu vollziehen gewesen.

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Anschlag in Ansbach: Vom Asylsuchenden zum Attentäter

Foto: Lennart Preiss/ Getty Images

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte am Tag nach der Tat eine härtere Linie bei Abschiebungen. "Bislang bestand Konsens, dass man abgelehnte Asylsuchende nicht in ein Kriegsgebiet abschiebt", sagte Seehofer dem "Münchner Merkur". "Man muss ernsthaft überlegen, wie solche Personen künftig behandelt werden, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt kommen beziehungsweise wenn von ihnen eine Gefahr ausgeht."

Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat unterdessen die Ermittlungen zum Attentat an sich gezogen. Die Ermittlungsbehörde des Bunds geht damit davon aus, dass es sich um ein terroristisches Verbrechen handelt.

In der Unterkunft Daleels waren Materialien zum Bombenbau gefunden worden. Auf einem Handy fand sich eine Drohung, "im Namen Allahs" einen Racheakt gegen Deutsche durchzuführen. Sie würden Muslime töten, als Vergeltung werde er einen Anschlag verüben. In dem sichergestellten Video bezeugt eine vermummte Person seine Zugehörigkeit zu Abu Bakr al-Baghdadi, dem Anführer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

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Bayern: Ansbach am Morgen nach dem Anschlag

Foto: Daniel Karmann/ dpa

Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand sei davon auszugehen, "dass es sich hierbei um Mohammad D. handelt". Damit stehe Daleel im Verdacht, die Tat als Mitglied des IS begangen zu haben. Es müsse nun geklärt werden, ob es weitere bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner gab. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden vom Polizeipräsidium Mittelfranken fortgeführt.

Die Bundesanwaltschaft habe Ermittlungen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, versuchten Mordes und anderer Straftaten gegen nicht namentlich bekannte Beschuldigte aufgenommen und das Verfahren der Staatsanwaltschaft Ansbach übernommen.

Im Video: Attentäter kündigte "Racheakt" an

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sun/dpa
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