Opfer des Berliner Anschlags "Ich hörte, wie er gegen den ersten Stand fuhr"

Nach dem Anschlag von Berlin melden sich Opfer und Angehörige zu Wort. Sie berichten vom "schlimmsten Schmerz" und der Suche nach vermissten Angehörigen.
Foto: Michele Tantussi/ Getty Images

Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche mit zwölf Toten sind 49 Menschen verletzt in Krankenhäuser gebracht worden. Davon seien 25 Patienten weiter in stationärer Behandlung, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit am Dienstagnachmittag mit. 14 von ihnen seien sehr schwer verletzt. Die übrigen 24 seien am Dienstag aus den Kliniken entlassen worden. Einige Menschen werden noch vermisst.

Wer sind die Opfer? Wie geht es ihnen? Wie geht es den Angehörigen? Einige Betroffene haben sich geäußert.

Iñaki Ellakuria aus dem baskischen Bilbao besuchte gerade mit zwei Freundinnen den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche, als der Lastwagen am Montagabend auf den Breitscheidplatz fuhr. "Er hat mich überrollt und beide Beine überfahren", schrieb der 21-Jährige später auf Twitter.

Die Onlineausgabe der spanischen Zeitung "El País" berichtete am Dienstag über den Zustand des Studenten der Wirtschaftswissenschaften, der sich mit einem Erasmus-Stipendium in der deutschen Hauptstadt aufhielt.

Der junge Mann erlitt mehrere Brüche, unter anderem an der Hüfte. Am Dienstag wurde er im Wenckebach-Klinikum in Berlin operiert. "Alles ist gut verlaufen", sagte der Vater des Opfers, Juan José Ellakuria. Er war am Dienstagmorgen mit seiner Ehefrau nach Deutschland gekommen, um dem Sohn beizustehen. Dieser habe ihn bereits zwanzig Minuten nach dem Anschlag angerufen, erzählte der Vater der spanischen Nachrichtenagentur Efe.

In mehreren Tweets schilderte Iñaki Ellakuria den Verlauf der Nacht des Anschlags. Er sei mit zwei Freundinnen auf dem Platz neben der Kirche gewesen, als ein Lastwagen mit hoher Geschwindigkeit herangebraust sei. "Ich hörte, wie er gegen den ersten Stand fuhr, ich drehte mich um und hatte ihn vor meinem Scheiß-Gesicht", beschreibt er in drastischen Worten den Moment.

Iñaki Ellakuria berichtete vom "schlimmsten Schmerz, den ich je in meinem Leben ertragen musste". Als er auf dem Boden lag, sei ihm sehr kalt gewesen: "Jedes Mal, wenn ich zitterte, multiplizierte sich der nicht auszuhaltende Schmerz."

Iñaki Ellakuria dankte allen Menschen, die sich "vorbildlich" um die Verletzten auf dem Platz gekümmert hätten mit "Kissen, Wasser, Essen, Mänteln, Mützen und Schals". Aus dem Krankenhaus schrieb er: "Es geht mir gut, dank der großen Menge an Medikamenten, die sie mir in die Venen eingeflößt haben."

Handy am Tatort gefunden - italienische Familie sucht verzweifelt nach Fabrizia

Fabrizia Di Lorenzo lebte seit 2013 in der deutschen Hauptstadt. Die 31-Jährige aus Sulmona in den italienischen Abruzzen arbeitete in Berlin bei einem Logistikunternehmen.

Jetzt gilt sie als vermisst. Nur das Handy der jungen Frau wurde am Tatort nahe der Gedächtniskirche gefunden. Von Fabrizia selbst fehlt seit dem Anschlag jede Spur.

Verwandte und Kollegen hatten sich besorgt an die italienische Botschaft gewandt, nachdem Di Lorenzo nicht zur Arbeit erschienen war. Über die sozialen Netzwerke baten Familienangehörige der jungen Frau verzweifelt um Hilfe bei der Suche.

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Inzwischen hat die Staatanwaltschaft in Rom die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Mutter und Bruder der Vermissten sind nach Berlin gefahren, laut italienischen Medienberichten wollen sie dort einen DNA-Abgleich machen lassen. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Fabrizia unter den zwölf Toten ist, die das Lkw-Attentat gefordert hat. "Angesichts dessen, was mein Sohn mir gesagt hat, scheint es keine Zweifel zu geben", sagte Gaetano Di Lorenzo der Nachrichtenagentur Ansa. "Wir warten auf die Ergebnisse, aber ich mache mir keine Illusionen."

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Eine Hoffnung bleibt den Eltern noch: Die 31-Jährige könnte auch in einem der Krankenhäuser liegen, in die Dutzende Verletzte gebracht wurden. Bisher sind zwei Italiener bekannt, die von dem Anschlag betroffen sind. Dem Sender RAI zufolge erlitten sie aber nur leichte Verletzungen, einer von ihnen sei bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Fabrizia hatte bereits von 2006 bis 2007 in Berlin gelebt und im Rahmen des EU-Erasmus-Programms an der Universität studiert. Ihren Master in Sprachwissenschaften machte sie an der Universität Sacro Cuore in Mailand. Ihrem Twitter-Account nach war sie politisch interessiert, verfolgte die internationale Migrationspolitik ebenso wie das Gebaren von Donald Trump in den USA.

Der italienische Außenminister Angelino Alfano ("Neue rechte Mitte") äußerte sich nur sehr vage zu dem Fall. Die Hypothese, dass Italiener unter den Opfern seien, könne derzeit "nicht ausgeschlossen werden", so Alfano. Die Terrorgefahr sei auch in Italien unverändert hoch. Bisher hätten die Anti-Terror-Systeme funktioniert. Aber: "Es gibt kein Null-Risiko."

Innenminister Marco Minniti berief noch am Dienstag ein Treffen mit Sicherheitsexperten von Polizei und Nachrichtendiensten ein, um die aktuelle Sicherheitsmaßnahmen an die neue Situation anzupassen.

Demnach sollen die Schutz- und Kontrollmaßnahmen vor allem bei großen Menschenansammlungen - wie etwa Messen mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz - verstärkt werden.

Israeli verletzt, Ehefrau vermisst

Unter den Verletzten des Berliner Anschlags ist auch ein israelischer Staatsbürger. Rami Elkayam wurde nach Angaben des Auswärtigen Amtes in einem Krankenhaus operiert und ist außer Lebensgefahr. Nach seiner Frau Dalia Elkayam allerdings wird noch gesucht.

Sie war am Montagabend zusammen mit ihm auf dem Weihnachtsmarkt, am Dienstagvormittag wurde sie als vermisst gemeldet. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei dem Anschlag getötet wurde, zitiert die Tageszeitung "Haaretz" den Botschafter Israels in Berlin. Es würden weitere Anstrengungen unternommen, sie zu finden.

Vertreter des israelischen Konsulats und der Jüdischen Gemeinde Berlin besuchten Rami Elkayam am Dienstag im Krankenhaus. Er hatte in der Nacht zweimal operiert werden müssen.

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