Anschlagsdrohung Experten untersuchen Terror-Video auf deutsche Herkunft
Berlin - Es war im Sommer 2005, da begann die "Globale Islamische Medienfront" (GIMF) ehrenamtliche Mitarbeiter zu suchen: "Ihr, die ihr die Mudschahidin unterstützen wollt! Die 'Front' ruft Euch!", hieß es in dem Aufruf der GIMF-Führung, den sie auf einer einschlägigen und für solche Zwecke geeigneten Dschihad-Website streute. "Wer die Nachrichten der Mudschahidin und ihre Erklärungen verbreiten will, den rufen wir!"
Gut möglich, dass es dieser Appell war, aus dem heraus sich die deutschsprachige Filiale der GIMF entwickelte. Diese jedenfalls trat im Herbst 2006 erstmals mit einer eigenen Homepage in Erscheinung. Auf der Website finden sich seitdem vor allem deutsche Übersetzungen von Terrorvideos, Dschihadliteratur, und den Bekennerschreiben verschiedener islamistischer Terrorgruppen.
Ein halbes Jahr lang hatte es den Anschein, es ginge den Machern dieser "deutschen GIMF" alleine darum, die Ideologie von al-Qaida & Co. zu verbreiten. Seit neuestem und aus gegebenem Anlass keimen bei deutschen Sicherheitsexperten aber mittlerweile Zweifel, ob man es wirklich nur mit Propaganda-Schleudern zu tun hat. Am Wochenende tauchte ein Video mit der Überschrift "Botschaft an die Regierungen Deutschlands und Österreichs" auf, in dem beiden Ländern wegen ihres Afghanistan-Engagements mit Anschlägen gedroht wird - und dieses Video könnte von der deutschen GIMF nicht nur verbreitet, sondern selbstständig produziert worden sein.
Vom reinen Lautsprecher von al-Qaida & Co. hin zum eigenständigen Akteur: Hat die GIMF einen Entwicklungssprung gemacht?
Ob hinter der Drohung ernsthafte Terrorpläne stecken, ist völlig unklar. Es gibt andere Beispiele von im Internet aktiven "Pseudo-Gruppen", die ständig mit Anschlägen drohen, aber in Wahrheit nur Angst und Schrecken verbreitet wollen, zum Beispiel die notorischen "Brigaden des Abu Hafs al-Masri".
Hinweise, aber keine Beweise
Dass das Video in Deutschland, Österreich oder der Schweiz produziert wurde - darauf weist aus Sicht der Sicherheitsexperten vor allem eines hin: die fast einwandfreie deutsche Übersetzung der arabischen Rede, die ein Vermummter in einer Art Fernsehstudio hält. Sie enthält in Teilen sogar die neue deutsche Rechtschreibung, allerdings auch einige Rechtschreibfehler.
Die Nachrichtenagentur ddp berichtet darüber hinaus unter Berufung auf Sicherheitskreise, es gebe Vermutungen, dass der Inhalt der Botschaft auf die Webseite eines Servers in der Bundesrepublik aufgespielt wurde. Der Text habe nur von Deutschen oder von in Deutschland lebenden Muslimen der zweiten oder dritten Generation mit einwandfreien Grammatikkenntnissen stammen können - so gibt ddp die Einschätzung eines Experten wieder.
Dritter Hinweis ist der Fokus der Botschaft auf Deutschland und Österreich. Beides sind Länder, die die arabischsprachige Dschihadistenszene eher selten umtreiben. Besonders die Kritik an Österreichs Einsatz in Afghanistan scheint bemüht. Schließlich ist das Land dort mit bloß vier Stabsoffizieren vertreten.
Besonders hart sind diese Indizien aber nicht. Denn einer der Trends in der Propagandaarbeit von al-Qaida und verwandten Organisationen ist es seit Monaten, dass immer mehr Material in qualitativ guten Übersetzungen verbreitet wird. Schon im April 2004 verschickte al-Qaidas Medienapparat eine Ansprache ihres Führers Osama Bin Laden mit Untertiteln in sechs Sprachen. Die deutschen Untertitel könnten durchaus außerhalb des deutschsprachigen Raumes entstanden sein. Fachkräfte dafür stehen offensichtlich schon länger zur Verfügung.
Vom arabischen Podcast zum deutschen Droh-Video
Das Video wurde am Wochenende auf mindestens zwei Websites veröffentlicht: Einer arabischsprachigen Pro-Dschihad-Seite, die fast alle islamistischen Terrororganisationen seit mehr als einem Jahr stetig nutzen, um ihre Communiques zu publizieren - und auf der Website der deutschen GIMF. Allerdings bekennt sich die deutsche GIMF an keiner Stelle dazu, das Band selbst gedreht zu haben.
Als Absender der Warnungen und Produzent des Videos wird die "Stimme des Kalifats" angegeben. Die "Stimme des Kalifats" trat erstmals 2005 in Erscheinung: Es war der Name, den die arabische GIMF ihrer Online-Fernsehsendung gab. In dieser wollte sie wöchentlich die wichtigsten Nachrichten von den Dschihad-Schlachtfeldern dieser Welt in 20 Minuten zusammenfassen und verbreiten. Der Anspruch bestand darin, den westlichen und arabischen Mainstream-Medien "die Wahrheit" entgegenzusetzen - eine Art Terror-Podcast.
Allerdings wurde die "Stimme des Kalifats" allem Anschein nach von Sympathisanten gemacht, nicht von Terroristen. Hinweis darauf war zum Beispiel der Umstand, dass dort kein exklusives Bildmaterial zu sehen war, sondern Schnipsel des Materials, das die Terrororganisationen zuvor schon im Internet verbreitet hatten.
Solche Sympathisanten, die wie "Ehrenamtliche" für den globalen Dschihad fungieren, spielen seit dem 11. September 2001 eine immer wichtigere Rolle. So gibt es längst eine "Brigade des Medien-Dschihad", die schon im März 2005 Freiwillige suchte. Ein gewisser abu_safeiha trachtete im August 2005 danach, Internet-Dschihadisten für Aktionen zugunsten der irakischen Mudschahidin zu vereinigen. Und die "Jihad Media Bridge" verbreitete im April 2006 eine englische Übersetzung einer Videobotschaft des irakischen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi.
"Die GIMF gehört niemandem"
Ende 2006 wurde eine Erklärung auf den einschlägigen arabischen Dschihad-Foren verbreitet, dass der Sender "Stimme des Kalifats" und die GIMF sowie ein weiterer Propagandakanal namens "al-Firdaws" nunmehr verschmolzen worden seien.
Schon im August 2005 hatte die arabische GIMF-Führung außerdem festgestellt, sie gehöre nicht zu al-Qaida: "Die GIMF ist eine islamische Medienbasis im Internet. Sie ist die Botschafterin der Mudschahidin gegenüber den Muslimen und jenen Nichtmuslimen, die dem Islam nicht feindlich gegenüberstehen", hieß es in dem Text. Die GIMF gehört niemandem. Sie gehört zu keiner Organisation oder bestimmten Gruppe."
Die Frage im Fall der deutschen GIMF ist nun, ob sie sich entschieden hat mehr zu sein als nur eine Verbreitungsstelle für Nachrichten - und deshalb selbst ein Droh-Video aufnahm, dass sie der "Mutter-GIMF" zur parallelen Verbreitung anbot. Noch sind die Fahnder in Deutschland und Österreich zu keinen verwertbaren Ergebnissen gekommen. Wer auch immer dahinterstecke, habe sich jedenfalls mit der Innenpolitik in Deutschland und Österreich schon einmal länger auseinandergesetzt, hieß es heute in deutschen Sicherheitskreisen.
Eine Verbindung der Videomacher zu den Entführern zweier Deutscher im Irak, die am Wochenende ebenfalls eine Aufnahme verbreiteten und ebenfalls den Abzug Deutschlands aus Afghanistan fordern, gilt allerdings als unwahrscheinlich.