Anti-Antifa-Akte Neonazis erhielten Polizeifotos politischer Gegner

Dass Neonazis persönliche Daten politischer Gegner sammeln und unter Gleichgesinnten verbreiten, ist nicht neu. Beunruhigend allerdings, dass ihnen in Sachsen auch Polizeiakten über linke Aktivisten zugespielt wurden. Die Landesregierung rätselt über das Leck.

Dresden/Hamburg - Es ist eine Datensammlung, die wie eine private Fahndungsliste anmutet: Rund 150 Namen sind in der sogenannten "Anti-Antifa-Akte" aufgeführt, Personen aus der linken Szene, Gewerkschafter, Mitglieder linker Parteien, versehen mit Geburtsdaten, oft auch mit Fotos. Sächsische Neonazis haben das Register ihrer vermeintlichen politischen Gegner aus dem Dresdner Raum im vergangenen Jahr zusammengestellt.

Zum ersten Mal tauchte die ominöse Akte Anfang 2007 auf. Sie war einer antifaschistischen Gruppe in der sächsischen Landeshauptstadt zugesandt worden, diese hatte sie öffentlich gemacht. Dass Neonazis persönliche Daten von Bürgern sammeln, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren, und diese zum Teil auch im Internet veröffentlichen, ist an sich nicht neu. Doch in diesem Fall hatten die Autoren der Liste hochbrisantes Material verarbeitet.

Das sächsische Justizministerium bestätigte nun in der schriftlichen Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Johannes Lichdi, dass sich in der "Anti-Antifa-Akte" Material aus polizeilichen Ermittlungsakten fand. Darunter seien erkennungsdienstliche Fotos von 37 Personen und Videoprints aus Einsatzvideos der Polizei von neun weiteren Personen, heißt es in dem von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) Papier. Die Bilder wurden demnach aus Ermittlungsakten kopiert. Nicht bekannt sei, ob die auf der überwiegenden Zahl der Aufnahmen vermerkten Namen, Geburtsdaten und -orte der Betroffenen ebenfalls aus den Polizeiakten stammten.

Wie die Akten in die Hände der Rechtsextremisten gelangt sind, darüber rätseln die Landesregierung und die betroffenen Behörden. "Es konnte nicht festgestellt werden, wie die Kopien aus den Ermittlungsakten in die sogenannte 'Anti-Antifa-Akte' gelangten", heißt es in der Reaktion des Justizministeriums.

NPD-Informant im LKA?

Grünen-Politiker Lichdi bekräftigte einen bereits früher geäußerten Verdacht: Rechtsextremisten könnten gezielt Strafanzeigen gegen politische Gegner gestellt haben, um dann durch Akteneinsicht an Informationen über diese heranzukommen. Es stelle sich die Frage, ob Anwälte der rechten Szene den Extremisten gezielt zuarbeiteten, so Lichdi.

Der Abgeordnete sprach von "skandalösen Vorgängen", die Mackenroth künftig ausschließen müsse. "Dass man sich im Justizministerium nicht erklären kann, wie die Rechtsextremisten an Bilder, Namen und Geburtsdaten gelangen konnten, offenbart eine Sicherheitslücke, die dringend geschlossen werden muss."

Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, dass auch die sächsische NPD-Fraktion über Informanten im Landeskriminalamt (LKA) verfügt. Der NPD-Abgeordnete Winfried Petzold hatte sich in Kleinen Anfragen zur Organisierten Kriminalität auf interne Papiere des LKAs bezogen, die nur der Generalstaatsanwaltschaft, das Innenministerium und das Polizeipräsidium in Chemnitz erhalten hatten.

phw

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten