Olaf Scholz, Angela Merkel, Markus Söder - sie alle sind Feindbilder derer, die am Samstag in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten. Angekündigt war ein bürgerlicher Protest. Auf den Straßen gab es dann zahlreiche Entgleisungen wie diese Plakataktion - organisiert von einem AfD-Kreisverband.
Laut Polizei gingen insgesamt rund 38.000 Menschen in der Hauptstadt auf die Straße. Darunter auch viele Rechtsextremisten und rechte Gruppierungen. Das hat unter den übrigen Protestteilnehmern erstaunlich wenige gestört.
Ann-Katrin Müller, Der Spiegel
"Wenn man die Demonstranten darauf angesprochen hat, warum sie eigentlich hier mitlaufen, obwohl AfD, NPD, Dritter Weg zu dieser Demo aufgerufen haben, dann hatten sie eigentlich keine guten Antworten, sondern sie haben es entweder kleingeredet und gesagt: "Na ja, wir sind nur für die Sache hier" oder haben so Argumentation vorgebracht wie: "Na ja, heutzutage ist ja alles Nazi." Und es war tatsächlich so, dass es kleine Gruppen gab, wo es keine Rechtsextremen sozusagen dazuzählten logischerweise, aber direkt drum herum. Also man musste sich nur umdrehen, dann sah man wieder jemanden, der auch optisch in das Bild passte. Sie trugen die entsprechenden T-Shirts. Sie trugen die entsprechenden Tattoos, sie trugen Fahnen. Die haben sich nicht versteckt. Man sieht es dann eben doch an den Reichsflaggen, diese rot-weiß-schwarzen. Man sieht es an antisemitischen Symbolen. Es waren Impfgegner da, die einen Judenstern trugen, in dem geimpft stand. Auch die Verschwörungsideologen kann man gut an dem "Q" entdecken, weil sie dieser QAnon-Theorie des tiefen Staats folgen."
Der Protest richtete sich nicht nur gegen aktuelle Coronamaßnahmen. Zahlreiche Demonstranten machten aus ihrer Ablehnung gegenüber Staatsmacht und Regierung keinen Hehl.
Ann-Katrin Müller, Der Spiegel
"Die Polizisten wurden häufig aufgefordert, wenn sie denn mal irgendwo waren, den Widerstand zu gehen, wurden in Sprechchören dazu aufgefordert. Es wurde auch gerufen "Schließt euch an", dass sie die Seite wechseln sozusagen. Vor der amerikanischen und der russischen Botschaft wurde auch mehrfach Friedensvertrag geschrien und skandiert. Das klingt so freundlich Friedensvertrag aber da steht eine ganz andere Ideologie da hinter. Da steht eben hinter, dass Deutschland noch besetzt ist, und man sich davon eben befreien will. Das ist Teil der Reichsbürgerideologie, die sagt, man sei noch nicht ein freies Deutschland."
Welche Gefahr von einigen Gruppen ausgeht, zeigt sich am Samstagnachmittag. Demonstranten und Rechtsextremisten überwinden Absperrungen und dringen bis auf die Treppen des Reichstagsgebäudes vor. Der Veranstalter distanziert sich im Nachhinein von der Aktion – mehr aber auch nicht.
Ann-Katrin Müller, Der Spiegel
"Tatsächlich gab es keine wirkliche Distanzierung von Rechtsextremen oder rechtsextremem Gedankengut. Es gab keine Aussagen gegen Rassismus, gegen Frauenfeindlichkeit, gegen all diese Themen. Auf der Bühne vor dem Reichstag gab es mehrere Redner, die wirklich ganz klar zu identifizieren rechtsextremes Gedankengut vorgetragen haben, unter anderem einen Ex-NPD-Kader, der auf eine Polizistin gezeigt hat und dann zu ihr sagte, dass, wenn sie an der Macht seien, Frauen nicht mehr Polizistin würden. Denn Frauen seien nur dazu da, Leben zu geben und nicht zu nehmen. Und hat eben dieses alte Verständnis von Frauen und was sie zu tun haben da vorgebracht. Und es gab Jubel und Applaus und keine Distanzierung. Also für alle die, die auf der Demo waren und die jetzt sagen wollen, dass sie nicht mehr mit Rechts zu tun haben, kann man nur sagen, es gibt keine Ausreden, man konnte die rechtsextremen an jeder Ecke sehen und man muss sich wirklich überlegen, mit wem man da auf der Straße läuft."