Der vom Fraktions- und Parteiausschluss
bedrohte CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hat seine
Fraktionskollegen in einem Brief um "Verzeihung" und um Rücknahme des Antrages gebeten. Parteichefin Angela Merkel schrieb unterdessen einen Brief an die Mitglieder, in dem sie um Verständnis für den Rauswurf des wegen seiner antisemitischen Äußerungen in Ungnade gefallenen Politikers wirbt.
Berlin/Fulda - Hohmann hat in einer auf den 11. November datierten "Erklärung" an die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages darum gebeten, den Antrag auf Fraktionsausschluss wegen seiner als antisemitisch kritisierten Rede zum 3. Oktober zurückzunehmen. "Mehrfach habe ich mich entschuldigt. Ich möchte alles tun,
damit die von mir hervorgerufenen Verletzungen geheilt werden, und
bitte nochmals um Verzeihung", heißt es in dem auch schriftlich ausgearbeiteten Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. Dass er nach
seiner Rede als Antisemit dastehe, treffe ihn, aber auch seine
Familie tief. Hohmann beschwerte sich außerdem über angeblich böswillige
Umdeutungen seines Redetextes durch die Medien.
Er sei vor dem Votum der Fraktion "davon ausgegangen, dass mit der seit dem
1. November strikt eingehaltenen Schweigeauflage und den jeweils
gesteigerten Distanzierungen und Entschuldigungen ein gangbarer Weg
gefunden war", heißt es in der Erklärung weiter.
Zuvor war ein Schreiben Merkels an die CDU-Basis bekannt geworden. Die Union dürfe nicht zulassen,
"dass durch gedankliche Konstruktionen, wie denen von Herrn Hohmann,
die Grenze unserer Ziele und Grundsätze überschritten wird", heißt es in dem Brief, den die "Bild"-Zeitung veröffentlichte. Diese
Grenze sei erreicht, "wenn man sich zu Deutschland nur durch
Negativvergleiche mit anderen Menschen, Gruppen und Religionen
bekennen kann". Vor diesem Hintergrund sei sie überzeugt, dass es zu
dem Ausschlussverfahren keine verantwortbare Alternative gegeben
habe.
Für einen Rauswurf Hohmanns müssen zwei Drittel der 248 CDU/CSU-Parlamentarier
votieren. Die Unionsführung ist ungeachtet kritischer Stimmen an dem
Vorgehen von einer breiten Mehrheit für den Antrag überzeugt.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ging zu Äußerungen des CSU-
Bundestagsabgeordneten Norbert Geis auf Distanz, der als erstes Mitglied der
Fraktion öffentlich seinen Unmut über den beabsichtigten Rauswurf
Hohmanns geäußert hatte. Stoibers Kritik richtete sich gegen Aussagen von Geis, der
die Maßnahmen gegen Hohmann für einen "menschlichen Fehler" hält.
Geis hatte Merkel im Bayerischen Rundfunk als "Getriebene" bezeichnet, die
reagiert habe, weil sich die Lage zugespitzt habe. Nach seiner
Meinung ist die Hohmann-Rede falsch verstanden worden. Allerdings
räumte er ein, sie gebe "zu Missverständnissen Anlass" und sei "keine
gute Rede gewesen". Stoiber stellte klar, dass er die Aussagen des
CSU-Politikers in keiner Weise teile.
Auch der Historiker Arnulf Baring kritisierte die Entscheidung für das
Ausschlussverfahren. "Natürlich ist seine (Hohmanns) Rede
problematisch, aber sein Ausschluss ist ein Armutszeugnis für die
Union wie für das liberale Grundverständnis dieses Landes", sagte
Baring im Bayerischen Fernsehen. Die CDU-Führung sei vor der
öffentlichen Meinung in Deutschland eingeknickt.
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