Ex-Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer ist tot

Für die Grünen saß sie im Bundestag, war viele Jahre Vizepräsidentin des Parlamentes: Nun ist Antje Vollmer gestorben. Die Theologin wurde 79 Jahre alt.
Antje Vollmer (Foto von 2010)

Antje Vollmer (Foto von 2010)

Foto: Uwe Zucchi / dpa

Die Grünenpolitikerin Antje Vollmer ist tot. Sie sei am Mittwoch im Kreise der Familie nach langer schwerer Krankheit friedlich gestorben, sagte ihr Sohn Johann Vollmer der Nachrichtenagentur dpa. Vollmer wurde 79 Jahre alt.

Zwischen 1994 und 2005 war die promovierte Theologin Bundestagsabgeordnete ihrer Partei und Vizepräsidentin des Bundestags – die erste grüne Frau in diesem Amt.

»Vieles von dem durchgekämpft, wovon wir heute profitieren«

Die Grünenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt, derzeit selbst Vizepräsidentin des Bundestages, schrieb auf Twitter, Vollmer habe »vieles von dem durchgekämpft, wovon wir heute profitieren«. Die Verstorbene habe »ihren eigenen Kopf behalten« und sei unbeugsam gewesen.

Vollmer habe die Grünen geprägt, teilten die Grünen-Fraktionschefinnen im Bundestag, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, sowie die Co-Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour mit. »Sie war Wegbereiterin für viele Frauen in der Politik, die nach ihr folgten.« Als Parlamentsvizepräsidentin habe sich Vollmer für Parlamentarismus und die Stärkung der Demokratie eingesetzt.

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Der frühere CDU-Minister Peter Altmaier würdigte Vollmer auf Twitter als »unbequeme Mahnerin, eine unbeirrbare Humanistin und eine bedeutende politische Persönlichkeit«. Vollmer habe viel dazu beigetragen, die Grünen von einer linken Protestbewegung zu einer demokratischen Parlamentspartei zu machen.

Mitglied der ersten Grünenfraktion im Bundestag

Vollmer, Jahrgang 1943, arbeitete nach ihrem Theologiestudium an der Kirchlichen Hochschule Berlin und als Dozentin. Politisch betrat sie die bundespolitische Bühne, als sie 1983 für die Grünen in den Bundestag einzog und damit der ersten Grünenfraktion angehörte. Bis 1990 gehörte sie dem Parlament an, drei Jahre lang als Fraktionsvorsitzende. Damit bildete sie gemeinsam mit Waltraud Schoppe und Annemarie Borgmann das legendäre »Dreierführungsgremium«: Erstmals bestand Fraktionsvorstand nur aus Frauen.

Als die Grünen 1990 die Fünfprozenthürde verfehlten, schied Vollmer aus dem Parlament aus und arbeitete unter anderem als Autorin. 1994 kehrte sie in den Bundestag zurück und wurde zugleich Vizepräsidentin des Parlamentes. Diesen Posten hatte sie inne, bis sie 2005 als Abgeordnete ausschied – sie hatte sich gegen eine erneute Kandidatur entschieden.

Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer unterzeichnet

Vollmer beteiligte sich auch nach ihrer Zeit im Parlament an der politischen Debatte und vertrat ihre pazifistischen Überzeugungen. Im April 2022 unterzeichnete sie einen offenen Brief, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz aufgerufen wurde, Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen.

Auch beim umstrittenen, von der Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer im Februar initiierten »Manifest für den Frieden« gehörte Vollmer zu den Unterzeichnerinnen.

Hadern mit der eigenen Partei

Vollmer betrachtete die Entwicklung ihrer Partei kritisch. In einem SPIEGEL-Interview attestierte Vollmer nach der Bundestagswahl 2021 den Grünen eine Kluft zwischen Wählerschaft und Parteispitze : Von einer »neuen Volkspartei sind wir weit entfernt«. Zudem fremdelte und haderte sie erkennbar mit dem Kurs der Grünen, Waffenhilfe für die Ukraine zu befürworten. Vollmer sah dies als Abkehr von den pazifistischen Ursprüngen der Partei in der Friedensbewegung.

Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planenten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen

Antje Vollmer in einem Essay wenige Wochen vor ihrem Tod

Wenige Wochen vor ihrem Tod veröffentliche die »Berliner Zeitung« einen Essay Vollmers , den sie als ihr politisches Vermächtnis verstanden wissen wollte. Unter anderem heißt es darin:

»Meine ganz persönliche Niederlage wird mich die letzten Tage begleiten. Gerade die Grünen, meine Partei, hatte einmal alle Schlüssel in der Hand zu einer wirklich neuen Ordnung einer gerechteren Welt. Sie war durch glückliche Umstände dieser Botschaft viel näher als alle anderen Parteien.« Und weiter: »Was hat die heutigen Grünen verführt, all das aufzugeben für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker, und dabei ihre wertvollsten Wurzeln als lautstarke Antipazifisten verächtlich zu machen?«

Vollmers Essay endet mit einem Appell: »Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption.«

ulz/dpa
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