Stimmen der Ost-CDU über Laschet »Das ist der Untergang im Osten. Das war's Leute!«
Für die CDU-Landesverbände im Osten lief der Bundesparteitag am Wochenende eigentlich ziemlich gut. Beide Ministerpräsidenten, Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt und Michael Kretschmer aus Sachsen, erhielten mit mehr als 800 Stimmen die besten Ergebnisse bei der Wahl zum Präsidium. Die Junge Union hievte Sachsen-Anhalts JU-Landeschefin Anna Kreye überraschend mit sehr gutem Ergebnis in den Bundesvorstand, selbst der viel gescholtene Thüringer Landesverband konnte seine beiden Kandidaten durchsetzen.
Zufrieden sind viele ostdeutsche Christdemokraten nun dennoch nicht.
Denn der neue CDU-Chef heißt Armin Laschet. Und eben nicht: Friedrich Merz, der Favorit vieler ostdeutscher Christdemokraten.
Zwar dürfte die Zustimmung Ost für den Ex-Unionsfraktionschef nicht mehr ganz so deutlich gewesen sein wie auf dem Parteitag vor zwei Jahren, aber der Grundtenor, der anklingt bei vielen, ist noch immer derselbe: Mit dem konservativen Merz hätte man bessere Chancen gehabt, die an die AfD verlorenen Wähler zurückzugewinnen. Merz selbst rief am Dienstag in einen Brief an die Mitglieder dazu auf, sich nun hinter den gewählten Parteivorsitzenden Laschet zu versammeln. Doch ob sich die Lage in der Partei so schnell beruhigen wird, ist ungewiss.

Fotomontage, die in der CDU unter Merz-Anhängern geteilt wird
In mehreren Facebook- und WhatsApp-Gruppen entlud sich der Frust schon am Wochenende über das knappe Votum für Laschet. Es kursieren Bilder in der CDU, die Laschets Gesicht auf Angela Merkels Körper montiert zeigen.
Auf einem anderen Foto sind Laschet und sein Teampartner Jens Spahn zu sehen – allerdings als die Figuren Laurel und Hardy aus der Comedy-Kultserie »Dick und Doof«. Darüber steht: »Das Team der Stunde… und die wollen uns retten!!!«.
Wer die Bildmontagen anfertigte, konnten dem SPIEGEL mehrere Christdemokraten allerdings nicht sagen.

Jens Spahn und Armin Laschet als Laurel und Hardy
In einem internen Chat aus der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, der dem SPIEGEL in Auszügen vorliegt, ging es besonders heftig zur Sache.
»Chance verspielt«, schrieb ein Abgeordneter. Die CDU öffne weiter die Flanke auf der konservativen Seite »und die Quittung bekommen wir im Osten«. Laschet könne keinen einzigen AfD-Wähler zurückholen. »Damit droht uns das Schicksal der SPD.« Auch etwas positivere Äußerungen gab es: »Weltoffen, lieb und nett… schöne Eigenschaften! Schade ist nur… damit löst du nicht ein Problem«, schrieb einer zur Wahl Laschets.
Soll Merz Landeswirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt werden?
Ebenfalls überlegten die Abgeordneten, ob man Merz nicht als Wirtschaftsminister nach Sachsen-Anhalt holen könne. Im Juni wird dort ein neues Landesparlament gewählt.
Andere in dem Chat wiegelten ab: »Der will doch nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden«. Oder: »Nein, den brauchen wir nicht als MW, da haben wir auch eigene Leute aus dem Osten, auch aus der Fraktion…«
Darauf erwiderte ein anderer: »Die kommen aber gar nicht erst zum Zug, wenn wir in der Opposition landen.« Den Vorschlag, Merz als Minister nach Magdeburg zu holen, machte im Chat der Landtagsabgeordnete Daniel Sturm und bestätigte dies dem SPIEGEL, andere Gesprächsteilnehmer wollten sich nicht dazu äußern.
In einem anderen CDU-Chat hieß es nach SPIEGEL-Informationen: »Keine Überraschung«. Damit verliere »der Osten weiter an Bedeutung in der CDU…«. Und: »Das ist der Untergang im Osten. Das war's Leute!«
Aus den Spitzen der CDU-Landesverbände in Sachsen-Anhalt und Thüringen heißt es, der Unmut bei den Merz-Anhängern sei groß. Es sei zwar längst nicht so, dass alle dort hinter Merz stünden, doch die Unterstützer des früheren Unionsfraktionschefs seien die lauteren. Nur wenige trauten sich angesichts der wütenden Basis überhaupt, sich öffentlich hinter Laschet zu stellen. Zu den wenigen zählen der eher liberal eingestellte Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt.
In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ist das Merz-Lager ähnlich stark vertreten. Eine Ausnahme in Ostdeutschland ist Brandenburg, wo sich nach heftigen Auseinandersetzung ein Merkel zugewandtes Lager durchsetzen konnte. Dort stellen sich viele hinter Laschet.
Zwischen »Ostsee und Erzgebirge kein besetztes und angeschlossenes Gebiet«
»Wichtig ist jetzt, dass Armin Laschet auch den Osten in den Blick nimmt und nicht links liegen lässt«, sagt der Thüringer Landesvize Raymond Walk. Das Ergebnis am Wochenende war erneut knapp, warnt auch der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Detlef Gürth. Zwei Dinge müsse Laschet nun beweisen: »Dass das hier zwischen Ostsee und Erzgebirge kein besetztes und angeschlossenes Gebiet, sondern ein wichtiger Teil Deutschlands ist«, so Gürth. Zweitens müssten die Merz-Anhänger nun klug eingebunden werden. »Wenn Laschet beides nicht schafft, wird er scheitern.«
»Es gibt viele Mitglieder, die Merz unterstützt haben. Dies gilt auch für den Landesverband Sachsen-Anhalt und die Junge Union«, sagt das frisch gewählte Bundesvorstandsmitglied Anna Kreye. »Es wird nun darauf ankommen, die verschiedenen Strömungen zu einen und die Mitglieder inhaltlich mitzunehmen«, so die Vorsitzende der JU Sachsen-Anhalt.
Der Wunsch von Merz, als Wirtschaftsminister in die Bundesregierung einzutreten, wird jedoch bei den Merz-Anhängern kritisch gesehen. Merz hatte dies selbst nach seiner Niederlage im persönlichen Gespräch mit Laschet und danach via Twitter öffentlich angeboten.
»Ich habe volles Verständnis, dass die Kanzlerin in der Pandemiesituation keine Kabinettsumbildung vornehmen möchte«, sagt Kreye.
Merz hatte in seinem Brief an die Mitglieder versichert: »Auch ohne Amt werde ich mein Versprechen einlösen, für die Partei weiter engagiert zu arbeiten.«