CDU-Vorsitzendenwahl »Führung heißt nicht One-Man-Show«

Ein Gastbeitrag von Armin Laschet und Jens Spahn, CDU
Mit uns an der Spitze soll die CDU wieder zu den modernsten Parteien Europas zählen. Als Volkspartei soll sie Anlaufstelle auch für Frauen, für Jüngere und für Menschen mit Einwanderungsgeschichte sein.
Jens Spahn und Laschet beim gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz im Februar 2020

Jens Spahn und Laschet beim gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz im Februar 2020

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Michael Kappeler/ DPA

Als wir in das Jahr 2020 gestartet sind, standen globale Fragen ganz oben auf der Agenda. In der Auseinandersetzung mit dem Coronavirus war und ist unsere Gesellschaft jeden Tag damit beschäftigt, elementare und persönliche Fragen zu beantworten – zu Leben und Tod, Alltag und Ausnahme, Nähe und Distanz.

Die großen Herausforderungen aber sind geblieben, ja sie sind nur noch drängender geworden. Ob Globalisierung, Digitalisierung, Migration – die Corona-Pandemie wirkt als Katalysator und treibt uns mit Wucht zu Veränderung, Disruption, im besten Fall Innovation.

Zu den Autoren

Armin Laschet, Jahrgang 1961, ist seit 2017 Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens. Im Team mit Gesundheitsminister Jens Spahn, Jahrgang 1980, bewirbt sich Laschet gegen die Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen um die Nachfolge Annegret Kramp-Karrenbauers an der CDU-Spitze. Der neue Parteichef wird am 16. Januar gewählt.

Damit der Druck uns nicht auseinandertreibt, sondern zusammenführt, braucht es eine politische Kraft des Ausgleichs.

Es braucht die CDU, die als letzte Volkspartei nachhaltigen Zusammenhalt stiften kann.

»Es ist an der Zeit, einander wieder mehr zuzuhören.«

Aber was braucht die CDU dafür?

Es ist an der Zeit, einander wieder mehr zuzuhören, zu debattieren, um die besten Lösungen zu ringen. Hart in der Sache, aber mit sachlichem Blick für das Mögliche. Wenn wir eine attraktive Volkspartei für Mitglieder und Wähler aller Altersgruppen und Bildungsschichten bleiben wollen, müssen wir diesen Diskurs miteinander reaktivieren. Das kann unangenehm sein. Doch wer die Debatte scheut und Argumente unter den Teppich kehrt, der wird früher oder später mit deutlich unangenehmeren Folgen leben müssen. Das gilt für uns als CDU und für uns als Gesellschaft.

Der Anspruch, Volkspartei von Maß und Mitte bleiben zu wollen, geht ebenso mit der Pflicht einher, Probleme klar zu benennen, Zukunftsthemen zu erkennen und Herausforderungen anzupacken. Wir wollen nicht zurück in eine verklärte Vergangenheit und wir wollen uns nicht in utopischer Schönrednerei verlieren. Uns geht es um handfeste Politik, um konkrete Entscheidungen – zu jedem Thema, zu jeder Zeit, bei Wind und Wetter.

Dabei machen wir nicht mit beim inoffiziellen Wettbewerb, Deutschland und Europa schlechtzureden. Denn klar ist: Wir werden die international geprägten wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen nicht allein lösen können. Es braucht dafür ein starkes Europa. Keine Partei steht dafür so sehr wie die CDU von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel. Sie alle haben erkannt, dass mehr Europa in unserem nationalen Interesse ist.

»Es geht um eine Ordnung in der Migrationspolitik, in der Gefährder, Straftäter und Migranten, die nicht schutzbedürftig sind, zurückgeführt werden.«

Scheinbar unüberwindbare Gegensätze überwinden, das muss uns auch im Inneren gelingen. Wir bringen Freiheit und Sicherheit in die richtige Balance, um als weltoffenes und liberales Land eine klare Antwort auf Extremismus, Gewalt und Kriminalität zu formulieren. Es geht um eine Ordnung in der Migrationspolitik, in der Gefährder, Straftäter und Migranten, die nicht schutzbedürftig und ohne Aufenthaltsstatus sind, zurückgeführt werden. Nur so erhalten wir eine breite Akzeptanz dafür, dass Verfolgte und Schutzbedürftige bei uns Aufnahme finden. 

Es geht um klare Regeln zur Einwanderung dringend nötiger Fachkräfte. Wie erfolgreiche Einwanderungsgeschichten aussehen können, zeigt der Biontech-Gründer Uğur Şahin auf eindrückliche Weise. Als »Gastarbeiterkind« eines Ford-Arbeiters hat er den Aufstieg durch Bildung geschafft. Wir können stolz auf die vielen erfolgreichen Einwanderungsgeschichten sein. Wer mit anpacken will zum Wohle aller und unsere Werte teilt, ist herzlich willkommen. Das ist unser Verständnis eines weltoffenen Patriotismus und unser Verständnis von Deutschland als Aufsteigerrepublik.

Es geht um die Frage, wie wir den Klimawandel stoppen können und unsere ökonomische Stärke erhalten. Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden. Es geht um die Frage, wie wir unseren erfolgreichen Mittelstand und die Industrie bei der Transformation in die digitale Welt unterstützen können. Es geht darum, dass wir eine neue Gründerzeit ins Leben rufen und unseren Kindern das dafür dringend nötige digitale und umfassende Wissen vermitteln. Dass wir im Digitalen hinterherhinken, hat sich in den vergangenen Monaten eindrücklich gezeigt.

Genauso hat sich aber gezeigt, dass wir schneller sein können. Wo ein Wille, da auch ein Weg – das schaffen wir auch als Demokratie. Unser Land wird nur so lange so stark und leistungsfähig sein, solange es uns gelingt, die Gräben zwischen Stadt und Land, Ost und West, digital und analog, Alt und Jung zu erkennen und Brücken zu bauen, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.

Die CDU muss die Kraft haben, gleichzeitig Strömungen abzubilden und Meinung zu bilden, die entscheidenden Fragen zu identifizieren, Stimmungen zu erfassen, Entwicklungen aufzugreifen.

Die CDU muss wieder ein Ort der Meinungsbildung und der Programmentwicklung sein. Die Partei und ihr Programm müssen die Regierungsarbeit prägen, nicht umgekehrt. Christlich-Soziale, Liberale und Konservative – sie stehen für unsere Wurzeln und sie müssen sich in Partei und Regierung gleichberechtigt wiederfinden.

»Wir müssen uns ehrlich fragen: Sind wir eigentlich noch tief in der die Gesellschaft verankert?«

Dafür braucht es die richtigen Instrumente, geeignete Foren, neueste Technik – und vor allem Führung.

Führung heißt nicht One-Man-Show. Im Gegenteil: Eine Partei mit so viel Verantwortung für unser Land braucht eine tiefe Verankerung in der Gesellschaft. Sie lebt vom Wir.

Wir leben die Union, den Zusammenhalt – zwischen den Vereinigungen unserer Partei von der Jungen Union, der Senioren-Union, der Frauen-Union, den Sozialausschüssen der CDA und dem Wirtschaftsflügel der MIT. Aber wir müssen uns ehrlich fragen: Sind wir eigentlich noch tief in der Gesellschaft verankert? Spiegelt sich in unserer Mitgliedschaft das moderne, vielfältige Deutschland?

Es wird unsere Aufgabe sein, die CDU für die Zukunft aufzustellen – thematisch und strukturell.

»Unser C ist einladend, integrativ, nicht ausgrenzend.«

Wir treten an, weil wir eine Idee für ein modernes Deutschland und eine moderne CDU haben: zuhören, entscheiden, handeln. Wie das geht, zeigen wir jeden Tag – gerade jetzt in der Krise. Wir regieren. Wir treten an, weil wir Verantwortung für die einzig verbliebene Volkspartei in Deutschland übernehmen wollen. Und wir treten an, weil wir gewinnen wollen – für die CDU.

Unsere Werte leiten sich vom christlichen Menschenbild, von der unveräußerlichen Würde des Menschen als Individuum und soziales Wesen ab. Dieses Menschenbild ist offen auch für Menschen anderer Religionen und Kulturen. Unser C ist einladend, integrativ, nicht ausgrenzend.

Unser Ansporn ist es, nach dem Parteitag gemeinsam und geschlossen als starkes Team in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Dabei treten wir an als CDU – mit klarem Kompass und Fokus auf unsere Überzeugungen. Koalitionen werden nach der Wahl gebildet. Dass dieser Weg zur stärksten Ausgangsposition für bürgerliche Politik führt, hat sich nicht zuletzt 2017 in Nordrhein-Westfalen gezeigt.

In der Pandemie handeln wir als CDU mit großer Verantwortung. Dafür bringen uns die Bürgerinnen und Bürger großes Vertrauen entgegen. Unser Ziel für die Zwanzigerjahre ist klar: Deutschland für die Menschen besser zu machen und in eine gute Zukunft zu führen – und zugleich Stabilitätsanker zu bleiben für ein geeintes Europa in einer Welt im Umbruch.

Das ist unser Angebot an die CDU und an unser Land.

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