
TV-Triell der Kandidaten Laschet verliert – und hat doch beste Kanzlerchancen


Kandidat Laschet
Foto:MICHAEL KAPPELER / AFP
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Hat es jemals einen Unionskanzlerkandidaten gegeben, der in einer solch desolaten, wohlgemerkt selbst verschuldeten Ausgangsposition in ein TV-Streitgespräch ziehen musste wie Armin Laschet an diesem Sonntag? Nein.
Und hat es jemals einen Unionskanzlerkandidaten gegeben, der von Beginn an mit so grimmigem Blick auf Attacke gebürstet war wie der NRW-Ministerpräsident – wo doch immer alle TV-Experten sagen: Don’t do it? Nein, ebenso nicht.
Selbst Edmund Stoiber war 2002 gegen Gerhard Schröder entspannter unterwegs als Laschet 2021 gegen Olaf Scholz und Annalena Baerbock. Aber Stoiber hatte auch nicht so viel zu verlieren wie Laschet heute.
Laschet ist als Underdog in dieses TV-Triell gezogen und ist dort auch als Underdog aufgetreten – und das ist für einen Unionspolitiker eine außerordentlich ungewohnte Konstellation.
Der Mann wirkte phasenweise wie der Vertreter einer Partei, dem es durch Umfrageglück gerade noch so gelungen ist, als Dritter einen Platz in der TV-Debatte ergattert zu haben. Laschet war nicht, was er dem Selbstverständnis von CDU und CSU nach hätte sein müssen: der Favorit.
Als solcher, nämlich als Amtsinhaber, inszenierte sich Olaf Scholz. Er tat das auf eine sehr scholzige Art: Er überraschte nicht, enttäuschte aber auch nicht. Er tat also all das, womit er sich im Wahlkampf trotz seiner entleerten und ermatteten SPD bis zum Gleichstand mit der Union herangerobbt hat.
Und Annalena Baerbock? Die Grüne arbeitete sich insbesondere an Laschet ab, zeigte sich gut vorbereitet, machte – Heimspiel – ihre Punkte beim Klimaschutz. Am Ende hatte sie den Anspruch der Grünen auf eine Kanzlerkandidatur bewiesen. Es ist schon ganz richtig, dass es in diesem Jahr keine Duelle, sondern Trielle gibt.
Dennoch hat der Schwächste in der Runde die besten Chancen auf die Kanzlerschaft. Warum ist das so?
Weil sich Armin Laschet zurückgezogen hat in traditionelle schwarze Bastionen und nun ganz offensichtlich und vorrangig auf die Mobilisierung der Stammwählerinnen und -wähler setzt. Das wirkte auf manche Zuschauerinnen und Zuschauer möglicherweise ein bisschen putzig – aber es kommt ja immer darauf an, auf welches Publikum es so wirkt und auf welches eben nicht.
Der alte Sound der Union: Wir kümmern uns
Da war insbesondere Laschets Schlussakkord zur »Standhaftigkeit bei Gegenwind«. Völlig ohne Inhalt oder Kontext predigte der Kandidat vom Gegenwind, den er selbst spüre – gemeint waren wohl seine Wahlkampfprobleme – und setzte hinzu: »Aber spüren wir nicht alle den Wind der Veränderung, der uns ins Gesicht bläst?« In solchen Momenten brauche es »Standhaftigkeit und Verlässlichkeit« – und das sei sein Angebot.
Klingt schon schräg, oder? Mag sein. Aber so inhaltsleer das auf die einen wirken mag, es wird bei vielen auch einen Nerv treffen und an den alten Sound der Union erinnern: Wählt uns, wir kümmern uns, so schlimm wird es schon nicht werden.
Zweite schwarze Bastion: die Warnung vor einer Linksregierung, die Rote-Socken-Kampagne. Ein echter Klassiker aus den Neunzigern. Laschet hat ihn kurz vor Schluss im Triell platziert, Scholz auf eine Aussage zu einer möglichen Koalition mit der Linken festlegen zu wollen. Der SPD-Kandidat sträubte sich, ließ aber durchblicken, dass es zu Rot-Rot-Grün nicht kommen werde. Ähnlich verhielt sich Annalena Baerbock. Nur: Ausgeschlossen haben es die beiden eben nicht. Punkt für Laschet.
Das Ziel wird wohl eher 20 Prozent plus x
Und letztlich: der schwarze Klassiker von der Ökonomie. Brummt die Wirtschaft und zahlen die Reichen nicht allzu viele Steuern, komme das am Ende allen zugute. Diese als »Trickle Down« bekannte und international oft widerlegte Legende wird im Stammwählermilieu der Christenunion noch immer gern geglaubt. Laschet hat diesen Sound mehrfach im Triell anklingen lassen.
Voraussichtlich können die Unionsparteien damit nicht mehr 30 Prozent plus x bei der Wahl erreichen. Aber das ist vielleicht längst nicht mehr das Ziel von Armin Laschet. Wer sich knapp über der 20-Prozent-Marke gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD liefert, der hat realistischere Ziele: 20 Prozent plus x.
Laschet muss unbedingt und mit gewissem Abstand Erster werden, um seine Chance aufs Kanzleramt zu wahren. Darauf kommt es jetzt an. Und viele traditionelle Unionswähler, die lieber Markus Söder als Kanzlerkandidaten gesehen hätten und deren Unmut sich in den gegenwärtigen Umfragen niederschlägt, werden am Ende ihr Kreuz dann eben doch bei CDU und CSU machen. Genau diese Klientel bedient jetzt Armin Laschet.
Damit gewinnt man kein Triell. Aber womöglich die Kanzlerschaft.