AstraZeneca-Impfstoff Spahn erwägt Änderung der Impfreihenfolge

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: »Wir werden das fachlich herleiten, welche Gruppe jetzt auch welchen Impfstoff angeboten bekommt«
Foto: Michael Kappeler / dpaEigentlich sollte der neue Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca noch in dieser Woche in der EU zugelassen werden. In Deutschland wäre er nach dem Impfplan der Bundesregierung zunächst vor allem an Menschen über 80 Jahre gegangen. Doch offenbar befürchtet die Bundesregierung eine geringere Wirksamkeit des Impfstoffes bei über 65-Jährigen. Nach SPIEGEL-Informationen erwägt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) deshalb eine Neuordnung der Impfreihenfolge.
Sollte die europäische Arzneimittelbehörde EMA tatsächlich am Freitag die Impfung mit dem AstraZeneca-Stoff lediglich für Menschen unter 65 Jahren empfehlen, könnte Spahn die Impfprioritäten ändern – und die Impfung für jüngere Menschen öffnen. Für Samstag ist zu dem Thema eine gemeinsame Schaltkonferenz Spahns mit seinen Länderkollegen geplant, heißt es aus Kreisen der Landesgesundheitsminister. Spahn wolle aber noch eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) abwarten, bevor er entscheide, hieß es.
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte am Dienstag, mit der Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffs werde es auch »einen ›Beipackzettel‹ geben, auf dem steht, wofür der Impfstoff besonders geeignet und wofür er auch vielleicht nicht besonders geeignet ist«.
Unterschiedliche Impfstoffe könnten an verschiedene Personengruppen gehen
Dem TV-Sender RTL/n-tv sagte Spahn, die unterschiedliche Wirksamkeit der drei zur Verfügung stehenden Impfstoffe könnte Folgen für ihre Anwendung haben: »Die mRNA-Impfstoffe, die schon zugelassen sind, haben wohl noch eine höhere Wirksamkeit, und deswegen werden wir uns dann sehr genau anschauen, für welche Personengruppen die Zulassungsbehörde und die ständige Impfkommission die Impfung mit diesem Impfstoff empfiehlt.«
Das Immunsystem sei bei Älteren und Jüngeren unterschiedlich stark, deshalb könnte es sinnvoll sein, mit unterschiedlichen Wirkstoffen entsprechend zu impfen. »Wir werden das fachlich herleiten, welche Gruppe jetzt auch welchen Impfstoff angeboten bekommt«, sagte Spahn weiter.
Nach einer Telefonschalte der Gesundheitsministerkonferenz am Montag hatten verschiedene Medien über die Sorgen um die Impfwirkung des Stoffes von AstraZeneca berichtet. Das Unternehmen selbst dementierte. Eine Sprecherin verwies auf im November vom Fachmagazin »The Lancet« veröffentlichte Daten, wonach Ältere eine starke Reaktion des Immunsystems auf das Mittel gezeigt hätten.
Kritik an Wirksamkeit bereits seit Herbst
Der Grund für die vermutete geringere Wirksamkeit bei Älteren liegt wohl in der vergleichsweise geringen Zahl der Probanden über 55 Jahre in der Wirksamkeitsstudie. Das Gesundheitsministerium wies am Dienstag darauf hin, dass sich daraus jedoch keine Aussagen zu einer geringeren Wirksamkeit bei älteren Menschen ableiten ließe.
Bedenken an der Wirksamkeit für ältere Menschen gibt es allerdings bereits seit Herbst 2020. Das Mittel hatte in Studien eine geringere Wirksamkeit aufgewiesen als der bereits zugelassene Impfstoff von Biontech und Pfizer. Es sollten deshalb weitere Tests vor einer Zulassung in der EU durchgeführt werden. Offenbar waren diese bislang nicht zufriedenstellend.
Dafür bietet der Impfstoff andere Vorteile: Er kann bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden und deshalb gut mobil eingesetzt werden. Außerdem ist der Stoff deutlich günstiger. In Großbritannien ist er bereits zugelassen worden.