Bundesrat Grüne verhageln Union schärferes Asylrecht

Die Union wollte mit dem Asylrecht noch einen Punkt vor der Sommerpause setzen - nun wird das Thema im Bundesrat vertagt: Die Grünen spielen ihre Macht in der Länderkammer aus. Eine Einigung ist ungewiss.
Asylbewerber im Hungerstreik (in München): Steigende Zahlen

Asylbewerber im Hungerstreik (in München): Steigende Zahlen

Foto: Johannes Simon/ Getty Images

Berlin - Eigentlich wollte die Große Koalition - auf Drängen der Union - noch vor der Sommerpause ein schärferes Asylrecht besiegeln. Daraus wird nun nichts: Der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen, doch eine Mehrheit in der Länderkammer ist nicht in Sicht. Nun wird sich der Bundesrat erst nach der Sommerpause wieder mit dem Staatsangehörigkeits- und Asylrecht befassen.

Für den Aufschub sorgen die Grünen, die in sieben Bundesländern mit in der Regierung sitzen. Zusammen mit dem schwarz-gelb regierten Sachsen erreichen Union und SPD 32 Stimmen, für eine Mehrheit sind aber 35 Stimmen notwendig. Die Große Koalition braucht also mindestens ein Land mit grüner Regierungsbeteiligung, um ihr zustimmungspflichtiges Zuwanderungspaket durch den Bundesrat zu bekommen.

Ursprünglich sollte die Länderkammer am Freitag über das neue Asylrecht entscheiden. Doch auf der Tagesordnung des Bundesrats taucht das Gesetz nicht auf .

Ein Vermittlungsversuch platzte

Genau das wollten Union und SPD vermeiden und trafen sich deshalb am vergangenen Freitag mit den Grünen. Nach anderthalb Stunden unter Federführung von Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) ging man ergebnislos auseinander. Über den Sommer soll nun weiter verhandelt werden. Der grüne Vize-Regierungschef in Hessen, Tarek Al-Wazir, sagte dazu SPIEGEL ONLINE. "Wir sind im Gespräch."

Ein schärferes Asylrecht ist vor allem ein Anliegen der CSU. Dass dieser Kurs Widerspruch provozieren würde, war von Anfang an klar. Deshalb kamen CDU und CSU dem Koalitionspartner SPD vorsorglich beim Doppelpass entgegen, beide Gesetze passierten den Bundestag. Mit dem neuen Asylrecht soll der Andrang von Bewerbern aus dem Balkanraum eingedämmt werden. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina gelten künftig als sichere Herkunftsstaaten. Bewerber aus diesen Ländern sollen damit künftig schneller in ihre Heimat zurückgeschickt werden können.

Auch für die Grünen in den Ländern schrieb man ein Mini-Bonbon ins Gesetz: Asylbewerber und geduldete Ausländer sollen nun bereits nach drei Monaten in Deutschland arbeiten dürfen - bislang mussten sie dreimal so lange warten.

Doch das reicht den Grünen nicht. Sie sehen eine Chance, ihre Macht im Bundesrat auszuspielen und weitere Zugeständnisse zu erzwingen. Manch grüner Verhandler ist erstaunt darüber, dass Schwarz-Rot erst spät den Versuch einer Einigung unternahm. Womöglich war man sich in der Großen Koalition zu sicher - und spekulierte darauf, dass die schwarz-grüne Koalition in Hessen schon mitmachen würde.

Das wäre allerdings besonders kühn gewesen. Denn für die Grünen in Hessen ist Ausländerpolitik gleich aus zwei Gründen eine Herzensangelegenheit. Seit der Anti-Doppelpass-Kampagne des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch sind sie hier besonders sensibilisiert. Zudem war Al-Wazir zu Oppositionszeiten aufgrund seines jemenitischen Hintergrunds immer wieder von Unionsseite geschmäht worden. Ohnehin lautet die Ansage bei den Grünen: Auch wenn in Hessen mit der CDU regiert wird, verfolgen wir im Bundesrat eine gemeinsame Linie.

Jeder gegen jeden

Die nächste Bundesratssitzung ist für den 19. September geplant. Ob dann ein neuer Anlauf gelingt, ist ungewiss. Denn in der Zuwanderungspolitik kämpft derzeit jeder gegen jeden, und alles wird mit allem vermischt: Sichere Herkunftsstaaten, Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt, die erweiterte doppelte Staatsangehörigkeit.

In der Sache hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, doch im politischen Ringen wird jeder Aspekt zum Druckmittel. Neuerdings droht Bayern, die von der SPD gewünschte Änderung zum Doppelpass im Bundesrat zu blockieren, falls das neue Asylrecht an den Grünen scheitern sollte.

Während sich die Grünen zurücklehnen, beharrt die Union darauf, dass sie keine weiteren Zugeständnisse machen wird. "Ich erwarte, dass die Mehrheit des Bundesrates spätestens im September dem Gesetz zu den sicheren Herkunftsstaaten zustimmt", sagt Stephan Mayer, Innenexperte der Unionsfraktion, SPIEGEL ONLINE.

Aus seiner Sicht sei man den Grünen bereits weit entgegengekommen. "Vor allem die Grünen dürften ein Interesse daran haben, Asylbewerbern schon nach drei Monaten die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen." Zugleich warnte er die Grünen davor, auf Zeit zu spielen. Alle Bundesländer und vor allem die Kommunen seien mit einer deutlichen Zunahme von Asylbewerberzahlen konfrontiert, insbesondere aus dem Westbalkan.

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